JudikaturVwGH

Ra 2024/02/0159 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
17. September 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des S in S, vertreten durch Dr. Paul Fuchs, Rechtsanwalt in 4600 Thalheim/Wels, Raiffeisenstraße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 10. Mai 2024, LVwG 303573/13/Bm/Rd, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wels Land), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels Land (belangte Behörde) vom 29. Juni 2023 wurde der Revisionswerber einer Verwaltungsübertretung schuldig erkannt; der Spruch lautete dabei wie folgt (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof; Schreibweise im Original):

„Sie haben als Verantwortlicher der Firma S GmbH mit Sitz in S zu verantworten, dass am 03.02.2022 auf der Baustelle Dachsanierung Erneuerung Schneefanghaken in R, P dorf 8, wie durch den Arbeitsinspektor festgestellt wurde, vom Arbeitnehmer L Arbeiten auf einem Dach Dachneigung mehr als 20 Grad, bei einer Absturzhöhe von ca. 6,78m durchgeführt wurden, obwohl keine geeigneten Schutzeinrichtungen vorhanden waren, welche den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindert hätten, wie insbesondere Dachfanggerüste (§ 88). Es wurde festgestellt, dass der oben genannte Arbeitnehmer im Zuge dieser Dachsanierungsarbeiten über eine Anlegeleiter auf das etwa 35 Grad geneigte Dach stieg und bei den Arbeiten abstürzte.“

Der Revisionswerber habe dadurch § 130 Abs. 5 Z 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) iVm § 87 Abs. 3 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl. 340/1994 idgF verletzt, weshalb über ihn gemäß § 130 Abs. 5 ASchG iVm § 118 Abs. 3 ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idgF eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.660, (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage 19 Stunden) verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens festgesetzt wurde.

2 Die gegen diesen Bescheid vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wies die belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom 3. August 2023 als unbegründet ab. Der Revisionswerber stellte einen Vorlageantrag.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und bestätigte die Beschwerdevorentscheidung mit der Maßgabe, dass im Spruch des Straferkenntnisses nach der Wortfolge „Sie haben als“ einzufügen sei „handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit“, dass der Ort der Baustelle anstelle von „R“ zu lauten habe „K“, und die Fundstellen des ASchG und der BauV zu lauten hätten „ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 idF BGBl. I Nr. 126/2017, BauV, BGBl. Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 77/2014“ (Spruchpunkt I.). Weiters wurde ausgesprochen, dass der Revisionswerber einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe (Spruchpunkt II.) und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig erklärt (Spruchpunkt III.).

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Die Revision erweist sich als unzulässig:

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a VStG abgewichen, weil für eine präzise Umschreibung des Tatgeschehens die korrekte Nennung der Baustelle als wesentliches Tatbestandselement bereits im behördlichen Straferkenntnis erforderlich gewesen wäre. Die Umschreibung des Tatgeschehens sei offenkundig falsch gewesen. Das Verwaltungsgericht habe in unzulässiger Weise den Ort der Baustelle ausgetauscht. Zudem sei die Tatzeit zu unkonkret, weil keine konkrete Uhrzeit angeführt werde. Die Dachsanierungsarbeiten seien nur vormittags durchgeführt worden.

10 Nach § 44a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, „die als erwiesen angenommene Tat“ zu enthalten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es zur Erfüllung dieses Erfordernisses darauf an, dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorzuwerfen, dass dieser in die Lage versetzt ist, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und ihn rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an Tatort und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den erwähnten Rechtsschutzüberlegungen zu messendes sein. Diese Rechtsschutzüberlegungen sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob innerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 1 VStG eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinn des § 32 Abs. 2 VStG vorliegt oder nicht. Das bedeutet, dass die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat lediglich insoweit unverwechselbar konkretisiert sein muss, dass dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl. etwa VwGH 25.9.2017, Ra 2017/02/0101, mwN).

11 Im vorliegenden Fall konnte dem Revisionswerber als Beschuldigten nicht zweifelhaft sein, welche konkrete Tat ihm vorgeworfen wurde: Erstattete er doch bereits in der Beschwerde ein umfangreiches Vorbringen, welche Anweisungen er an den im Spruch angeführten Arbeitnehmer betreffend die durchzuführenden Dacharbeiten auf der Baustelle erteilt habe, auf dem sich später der Arbeitsunfall ereignet habe. Erst im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Verwaltungsgericht wies der Revisionswerber darauf hin, dass die Adresse der Baustelle insofern unrichtig sei, dass zwar die Straßenbezeichnung mit P dorf 8 stimme, jedoch die Ortsbezeichnung eine andere sei. Des Weiteren ist auch auf die Revisionsausführungen zu verweisen, wonach keine Baustelle an dem ursprünglich angeführten Ort geführt worden sei, weshalb auch die Gefahr einer Doppelbestrafung nicht ersichtlich ist. Die geänderte Ortsbezeichnung ist daher nicht als Austausch, sondern bloß als notwendig gewordene Richtigstellung des Spruchs zu beurteilen, wozu das Verwaltungsgericht nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet war (vgl. Fister in Lewisch/Fister/Weilguni , VStG 3 (2023) § 44a Rz 1, mit weiteren Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung). Eine Verfolgungsverjährung ist daher nicht eingetreten und es liegt auch kein im Revisionsverfahren wahrzunehmender Verstoß gegen § 44a Z 1 VStG vor.

12 Mit den allgemeinen Behauptungen im Zulässigkeitsvorbringen wird ebenfalls nicht aufgezeigt, dass der Tatzeitpunkt durch die Angabe des Kalendertages nicht ausreichend bestimmt sei und eine Gefahr der Doppelverfolgung oder der Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Revisionswerbers vorläge.

13 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 17. September 2024

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