JudikaturVwGH

Ra 2024/01/0412 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
15. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofräte Dr. Fasching, Mag. Brandl, Dr. Terlitza und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des Dipl. Ing. F MX in W, vertreten durch Dr. Tibor Gálffy und Dr. Marc Arthur Vecsey, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Invalidenstraße 5, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 3. Mai 2024, Zl. VGW 107/032/2012/2024 21, betreffend Namensänderung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Sache der Antrag des Revisionswerbers auf Änderung seines Familiennamens in „XY“ (in eventu 1. „XY“, 2. „XY“, 3. „XY“, 4. „XY“, 5. „XY“, 6. „XY“, 7. „XY“) gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 Namensänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 195/1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 105/2019 (NÄG), abgewiesen (I.) und eine Revision für nicht zulässig erklärt (II.).

2 Begründend gelangte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, der (primär) beantragte Familienname sowie die in den Eventualanträgen angeführten Familiennamen seien für die Kennzeichnung von Personen im Inland nicht gebräuchlich.

3 Auf das Wesentliche zusammengefasst stellte das Verwaltungsgericht fest, der Revisionswerber, der derzeit den Familiennamen „X“ führe, plane, seine Lebensgefährtin V Y, eine ungarische Staatsangehörige, zu heiraten. Deren Vorfahren hätten in Ungarn lange Zeit den Familiennamen „Y“ geführt, seien von staatlicher Seite in Zeiten des Kommunismus aber gezwungen worden, den Namen in „Y“ zu ändern. Der Revisionswerber und seine Lebensgefährtin würden den derzeitigen Familiennamen des Revisionswerbers und den historischen Familiennamen der Vorfahren von V Y im Zuge der Eheschließung verbinden wollen. Zu diesem Zweck habe er den gegenständlichen Antrag auf Änderung des Familiennamens gestellt. Seine Lebensgefährtin solle diesen Namen bei der Eheschließung annehmen. Eine Verbindung mittels Doppelnamen („XY“) würden sie vermeiden wollen.

Der Revisionswerber und seine Lebensgefährtin würden den Namen „XY“ regelmäßig seit dem Jahr 2019 verwenden, als ein gemeinsamer Freund die Idee einer solchen Namensschöpfung gehabt habe. Zwischen dem Revisionswerber und seiner Lebensgefährtin sowie im Freundeskreis habe sich der Name über die folgenden Jahre zu einem häufig verwendeten „Spitznamen“ entwickelt, der mitunter auch bei Restaurantreservierungen und bei gemeinsamen Vereinsaktivitäten verwendet werde. Im Umgang mit Behörden, bei Arztbesuchen und im beruflichen Kontext verwende der Revisionswerber seinen derzeit eingetragenen Familiennamen. Im Kollegenkreis sei der Wunsch nach Führung des Namens „XY“ bekannt. In der Hochzeitseinladung des Revisionswerbers und seiner Lebensgefährtin werde auf die Domain „XY.at“ verwiesen.

Der Revisionswerber habe keine Vorfahren, die den Namen „XY“ geführt hätten. Im österreichischen Zentralen Melderegister sei weder aktuell noch historisch eine Person verzeichnet, die einen der beantragten Familiennamen geführt habe. Auch im Personenstandsregister TPX, in welchem Daten aus historischen Personenstandsbüchern erfasst seien, scheine keiner der beantragten Familiennamen als jemals in Österreich verwendet auf.

4 In seinen rechtlichen Erwägungen führte das Verwaltungsgericht nach näherer Darstellung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 3 Abs. 1 Z 2 NÄG auf das Wesentliche zusammengefasst aus, die Gebräuchlichkeit des vom Revisionswerber (primär) beantragten oder eines in den Eventualanträgen beantragten Familiennamens könne nicht daraus abgeleitet werden, dass nach allgemeinem Sprachgefühl möglicherweise die Assoziation einer Namensbezeichnung entstehe. Es komme vielmehr darauf an, ob der Familienname im Bundesgebiet üblich oder (weit) verbreitet sei.

Mit den vom Revisionswerber beantragten Familiennamen sei im Bundesgebiet noch nie eine Person gemeldet gewesen und würden diese Namen auch in den historischen Personenstandsbüchern nicht aufscheinen, woraus abzuleiten sei, dass sie für die Bezeichnung von Personen weder üblich noch verbreitet seien.

Die Gebräuchlichkeit im Inland könnte sich nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) daraus ergeben, dass der Revisionswerber diesen Namen schon bislang faktisch verwendet und aus dieser Verwendung eine durch Art. 8 EMRK geschützte Identität entwickelt habe. Fallbezogen sei zu berücksichtigen, dass der Revisionswerber keine genealogische Verbindung zum (primär) beantragten Familiennamen aufweise. Er verwende diesen jedoch seit fünf Jahren in sozialen Kontexten und habe darauf aufbauend ein gewisses Maß an Identifikation mit diesem Namen entwickelt. Dabei sei nicht außer Acht zu lassen, dass er die Verwendung des Namens zu einem Zeitpunkt begonnen habe, als ihm habe bewusst sein müssen, dass eine Änderung des Familiennamens im Zentralen Personenstandsregister einer Bewilligung bedürfe. Weiters sei zu berücksichtigen, dass der Revisionswerber mit der bisherigen Verwendung des (primär) beantragten Familiennamens keine gefestigte Identität entwickelt habe. Vielmehr befinde er sich in einem Prozess, sich mit diesem zu identifizieren. Dieser Entwicklungsprozess sei jedoch noch nicht so weit vorangeschritten, dass von einer besonders schutzwürdigen Namensidentität auszugehen wäre. Vielmehr handle es sich um einen in sozialen Kontexten verwendeten „Spitznamen“ des Revisionswerbers und seiner Lebensgefährtin. Insbesondere sei gegenständlich keine Konstellation zu erkennen, die mit jener Ausgangslage vergleichbar wäre, die dem Erkenntnis des VfGH vom 14. März 2023, E 2363/2022, zugrunde gelegen sei. Aus dem Umstand, dass die Lebensgefährtin des Revisionswerbers genealogische Verbindungen zu einem (bloßen) Bestandteil des (primär) beantragten Familiennamens aufweise, sei für sich noch kein aus Art. 8 EMRK resultierender Anspruch des Revisionswerbers auf rechtmäßige Führung dieses Familiennamens ableitbar.

Unter Beachtung dieser Umstände, insbesondere aber der bislang nur lose ausgeprägten Verbindung der Person des Revisionswerbers mit dem Familiennamen „XY“ sei nicht erkennbar, dass die von Art. 8 EMRK geschützten Interessen des Revisionswerbers, diesen Namen im förmlichen Sinne anzunehmen, die von § 3 Abs. 1 Z 2 NÄG geschützten öffentlichen Interessen, wonach im Inland nicht gebräuchliche Namen nicht angenommen werden sollten, überwögen. Dies treffe auf die in den Eventualanträgen angeführten Namen, die von ihm nie tatsächlich geführt worden seien, umso mehr zu.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den VfGH, der deren Behandlung mit Beschluss vom 16. September 2024, E 2325/2024 5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Begründung führte der VfGH unter anderem Folgendes aus:

„Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als eine dem Art. 8 EMKR widersprechende Anwendung der genannten Regelung behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (siehe insbesondere VfGH 13.6.2024, E 1338/2024 mwN) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Das Verwaltungsgericht Wien geht verfassungsrechtlich einwandfrei davon aus, dass eine neben dem derzeitigen Familiennamen (bloß) fallweise circa fünfjährige Verwendung des beantragten Wunschnamens im privaten Kontext (als ‚Spitzname‘) noch nicht jenes Maß an durch Art. 8 EMRK geschützter namensbezogener Identität begründet, das aus verfassungsrechtlichen Gründen die Annahme einer ‚Gebräuchlichkeit‘ dieses Familiennamens im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 2 dritter Tatbestand NÄG nahelegt.“

6 In der Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Zu ihrer Zulässigkeit macht die Revision zunächst geltend, es fehle Rechtsprechung dazu, ob die Wortfolge „zur Kennzeichnung von Personen“ in § 3 Abs. 1 Z 2 NÄG als „überflüssiges Beiwerk“ anzusehen sei. Gegenständlich komme es auf die Erörterung der Bedeutung der Wortfolge an, da mit dem Begriff „XY“ nach dem allgemeinen Sprachgefühl eine Person assoziiert werde. Dieser Begriff sei folglich zur Kennzeichnung von Personen geeignet. Die Variante „XY“ sei in Österreich weit verbreitet und scheine im Zentralen Melderegister auf. Dieser Nachname und der Nachname „XY“ seien im weitesten Sinne phonetisch gleich. Es fehle Rechtsprechung dazu, ob ein Nachname, welcher phonetisch mit einem in Österreich weit verbreiteten Nachnamen nahezu ident sei und als gebräuchlich empfunden werde, auch das Kriterium der Gebräuchlichkeit erfülle.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Gebräuchlichkeit von Familiennamen nach § 3 Abs. 1 Z 2 dritter Fall NÄG („für die Kennzeichnung von Personen im Inland nicht gebräuchlich“) bereits klargestellt, dass eine Eigenkreation eines Familiennamens ohne realen Bezugspunkt in der gesellschaftlichen Entwicklung der Namen im Inland bzw. eines Österreichbezuges aufgrund der belegten historischen Genealogie nicht zulässig ist (vgl. VwGH 23.5.2022, Ra 2022/01/0113, mwN).

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch die Auffassung, bei der Beurteilung der „Gebräuchlichkeit“ eines Namens komme es lediglich darauf an, ob der Name akzeptiert werde, verworfen und keine Hinweise für eine derartig abweichende Bedeutung des Wortes „gebräuchlich“ erkannt. Das NÄG enthält keine Definition des Begriffes „gebräuchlich“. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird „gebräuchlich“ als „üblich“ oder „(weit) verbreitet“ verstanden (vgl. erneut VwGH 23.5.2022, Ra 2022/01/0113; sowie 30.9.2020, Ro 2020/01/0013, jeweils mwN).

13 Die dargelegten Erwägungen der Rechtsprechung, die das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall nachvollziehbar zur Anwendung gebracht hat, klammert die Revision aus. Mit der Ansicht, ausschlaggebend seien das „allgemeine Sprachgefühl“ und der Umstand, ob ein Nachname als gebräuchlich „empfunden“ werde bzw. die vorgebrachte phonetische Ähnlichkeit, verkennt sie die Bedeutung des gesetzlichen Versagungsgrundes der mangelnden Gebräuchlichkeit eines Familiennamens gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 dritter Fall NÄG, wonach die Eigenkreation eines Familiennamens ohne realen Bezugspunkt in der gesellschaftlichen Entwicklung eines Namens im Inland bzw. ohne einen zumindest genealogisch historisch bedingten Österreichbezug nicht zulässig ist; dies gilt auch für die Verwendung von bloßen „Pseudonymen“ oder „Künstlernamen“ (vgl. zum Ganzen abermals VwGH 23.5.2022, Ra 2022/01/0113, mwN).

14 Eine außergewöhnliche Konstellation, die nach der jüngsten Rechtsprechung des VfGH einen „Wunschnamen“ nach Art. 8 EMRK rechtfertigen würde (vgl. VfGH 14.3.2023, E 2363/2022, und VfGH 13.6.2024, E 1338/2024, Rn. 15 f) liegt fallbezogen nicht vor. Dies zeigt im Übrigen schon die Ablehnung der Beschwerde des Revisionswerbers durch den VfGH.

15 Soweit die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen unter Bezug auf die Abfrage im Zentralen Melderegister sowie jene im Zentralen Personenstandsregister (mit Daten aus historischen Personenstandsbüchern) ein unzureichendes Ermittlungsverfahren anspricht, macht sie der Sache nach Verfahrensmängel geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. etwa VwGH 6.2.2025, Ra 2025/01/0019, mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision nicht gerecht. Insbesondere verabsäumt sie es, konkret auszuführen, welche für die Beurteilung der Gebräuchlichkeit relevanten Erhebungen vorzunehmen gewesen wären und aufgrund welcher Umstände diese zu einer anderen Entscheidung hätten führen können.

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

Wien, am 15. Mai 2025

Rückverweise