JudikaturVwGH

Ra 2024/01/0362 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
02. Juli 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofräte Mag. Brandl und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des R, vertreten durch Dr. Peter P. Groß, Rechtsanwalt in Wien, gegen das am 8. Februar 2024 mündlich verkündete und am 23. Februar 2024 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW 107/032/15320/2023 6, betreffend Namensänderung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Sache der Antrag des Revisionswerbers auf Änderung seines Familiennamens in „Teuer“ gemäß § 1 und § 3 Abs. 1 Z 2 Namensänderungsgesetz, BGBl. I Nr. 195/1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 105/2019 (NÄG), abgewiesen (I.) und eine Revision für nicht zulässig erklärt (II.).

2 In der Begründung gelangte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, der beantragte Familienname sei für die Kennzeichnung von Personen im Inland nicht gebräuchlich.

3 Auf das Wesentliche zusammengefasst stellte das Verwaltungsgericht fest, der Revisionswerber habe keine Vorfahren, die den Familiennamen „Teuer“ geführt hätten. In der Familie mütterlicherseits hätten Vorfahren den Familiennamen „Theurer“ geführt. Der Revisionswerber verwende den Namen „Teuer“ circa seit dem Jahr 2020 im Kontext seiner künstlerischen Tätigkeit, mit welcher er Einnahmen erziele, aber nicht seinen Lebensunterhalt bestreite. Bei einer seiner hauptberuflichen Tätigkeiten verwende er fallweise diesen Namen, weil er die Erfahrung gemacht habe, dass ein „ausländisch“ klingender Name im Geschäftsleben hinderlich sein könne. Der Revisionswerber strebe die beantragte Änderung aus privaten und beruflichen Gründen an. Er wolle eine gewisse Distanz zum Namen anderer Familienmitglieder schaffen und erwarte sich Erleichterungen im Berufsleben. Die Schreibweise „Teuer“ sei ihm im Vergleich zur Schreibweise „Theuer“ wichtig, weil bei ersterer die Doppelbedeutung des Wortes (negative Konnotation im Sinne von kostspielig und positive Konnotation im Sinne von wertvoll) augenscheinlicher werde.

Der Familienname „Teuer“ werde in Österreich von keiner Person geführt, in anderen europäischen Ländern des deutschsprachigen Raums aber zur Namensführung verwendet. Der Familienname „Theuer“ sei in Österreich verbreitet.

4 In seinen rechtlichen Erwägungen führte das Verwaltungsgericht nach näherer Darstellung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 3 Abs. 1 Z 2 NÄG auf das Wesentliche zusammengefasst aus, aus dem vom Revisionswerber eingewandten Argument, beim beantragten Familiennamen „Teuer“ handle es sich nur um die orthografisch korrekte Schreibweise des im Inland gebräuchlichen Namens „Theuer“, sei für den vorliegenden Fall nichts zu gewinnen. Dem angefochtenen Bescheid liege ein Antrag des Revisionswerbers auf Änderung seines Familiennamens auf „Teuer“ in ausdrücklich dieser Schreibweise zugrunde. Es sei nicht unüblich, dass Namen, die sich von derselben Bedeutung ableiteten oder lautlich glichen, in unterschiedlichen Schreibweisen nebeneinander existieren würden. Die Schreibweise eines Namens sei dennoch ein integraler Bestandteil des Namens selbst und diene seiner Identifikation und Unterscheidung gegenüber anderen Namen.

Die konkret beantragte Schreibweise eines Namens grenze dessen Identität und so auch den Verfahrensgegenstand in einem Verfahren zur Änderung des Namens nach dem NÄG ab. Für die Frage der Gebräuchlichkeit im Inland im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 2 NÄG sei folglich zu prüfen, ob der Name in eben der beantragten Schreibweise die entsprechende Gebräuchlichkeit aufweise. Nach den getroffenen Feststellungen werde der Familienname „Teuer“ in dieser Schreibweise im Inland von keiner Person geführt.

Die Gebräuchlichkeit im Inland könnte sich nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) aber auch daraus ergeben, dass der Revisionswerber diesen Namen schon bislang faktisch verwende und aus dieser Verwendung eine durch Art. 8 EMRK geschützte Identität entwickelt habe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Revisionswerber keine genealogische Verbindung zum beantragten Familiennamen aufweise. Er verwende ihn aber seit etwa vier Jahren in beruflichen und sozialen Kontexten. Der Revisionswerber befinde sich am Beginn eines Entwicklungsprozesses, sich mit dem gewählten Namen persönlich zu identifizieren. Dieser Prozess sei jedoch noch nicht so weit vorangeschritten, dass von einer besonders schutzwürdigen Namensidentität des Revisionswerbers im Sinn des Art. 8 EMRK auszugehen wäre. Insofern sei gegenständlich keine Konstellation zu erkennen, die mit jener Ausgangslage vergleichbar wäre, die dem Erkenntnis des VfGH vom 14. März 2023, E 2363/2022 11, zugrunde gelegen sei.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den VfGH. Der VfGH erkannte mit Erkenntnis vom 13. Juni 2024, E 1338/2024 12, dass der Revisionswerber durch das angefochtene Erkenntnis weder in einem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde, wies die Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In den Entscheidungsgründen führte der VfGH unter anderem Folgendes aus:

„§ 3 Abs. 1 Z 2 dritter Tatbestand NÄG muss wegen der besonderen Bedeutung des Namens für die persönliche Identität des Einzelnen zur Wahrung der Rechte eines Namensänderungswerbers aus Art. 8 EMRK in Bezug auf die ‚Gebräuchlichkeit‘ des begehrten Familiennamens im Einklang mit dieser Verfassungsbestimmung ausgelegt werden, weshalb die ‚Vorstellung [des Einzelnen] von seiner namensbezogenen Identität‘ zu berücksichtigen ist (VfSlg. 20.100/2016). Dies kann in bestimmten Konstellationen auch dazu führen, dass ein vom Namensänderungswerber gewünschter ‚Wunschname‘, der keinen Bezug zu einer wie immer konkretisierten historischen Familientradition aufweist, dennoch nicht dem Versagungsgrund des § 3 Abs. 1 Z 2 dritter Tatbestand NÄG unterfällt.

[...]

3. Diesen aus Art. 8 EMRK folgenden Vorgaben hat das Verwaltungsgericht Wien bei seiner Auslegung der angewendeten Bestimmungen ausführlich begründet Rechnung getragen:

Das Verwaltungsgericht Wien setzt sich bei der Auslegung des § 3 Abs. 1 Z 2 dritter Tatbestand NÄG (vgl. dazu Erläut. zur RV 467 BlgNR 17. GP, 9) mit den aus der oben wiedergegebenen, durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten namensbezogenen Identität des Beschwerdeführers folgenden Anforderungen auseinander. Das Verwaltungsgericht Wien geht dabei verfassungsrechtlich einwandfrei in Unterscheidung zu der mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 2023, E 2363/2022, entschiedenen Konstellation im vorliegenden Fall davon aus, dass eine neben seinem derzeitigen Familiennamen (bloß) fallweise circa vierjährige Verwendung des beantragten Wunschnamens in beruflichen und sozialen Kontexten noch nicht jenes Maß an durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützter namensbezogener Identität begründet, das aus verfassungsrechtlichen Gründen die Annahme einer dieses Namens im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 2 dritter Tatbestand NÄG nahelegt. Das Verwaltungsgericht Wien hat daher insoweit § 3 Abs. 1 Z 2 NÄG keinen mit den einschlägigen verfassungsrechtlichen Vorgaben unvereinbaren Inhalt unterstellt.

4. Dem Verwaltungsgericht Wien ist aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK aber auch nicht entgegenzutreten, wenn es grundsätzlich der (orthografischen) Schreibweise eines Familiennamens Relevanz zumisst, weil diese für die Gebräuchlichkeit des Familiennamens von Bedeutung sein kann (zu einer für die sprachliche Bedeutung maßgeblich ‚veränderten Schreibweise‘ siehe VfGH 14.3.2023, E 2363/2022). Dabei ist freilich in Rechnung zu stellen, dass sich die Schreibweise von Familiennamen wie diejenige von Wörtern im Allgemeinen im Zuge ihres Gebrauches in einer Sprachgemeinschaft ändern kann, was bei der Beurteilung der ‚Gebräuchlichkeit‘ im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 2 dritter Tatbestand NÄG auch im Lichte des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen ist. Dies hat das Verwaltungsgericht Wien auch erkannt. Ob es im vorliegenden Fall zutreffend eine solche Änderung der Schreibweise des beantragten Familiennamens im Sprachgebrauch verneint (‚Theuer‘/‘Teuer‘) und demzufolge von einem eigenständigen, anders als in einer unterschiedlichen Schreibweise nicht im Inland gebräuchlichen Wunschnamen ausgegangen ist, ist eine Frage der Auslegung des einfachen Gesetzes, die gegebenenfalls vom Verwaltungsgerichtshof zu prüfen ist.“

6 In der Folge erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Zu ihrer Zulässigkeit macht die Revision zunächst geltend, es fehle Rechtsprechung zur Frage der Auswirkungen einer Rechtschreibreform auf die Gebräuchlichkeit eines Familiennamens, insbesondere, wenn die Namen im Klangbild ident seien, weil sich die Schreibweise bloß durch einen „stummen“ Buchstaben unterscheide. „Teuer“ sei ein Name, der sich vom Adjektiv „teuer“ ableite, die vormalige Schreibweise dieses Wortes sei „theuer“ gewesen. Die Frage, ob bei der Gebräuchlichkeit auf das Klangbild oder die Schreibweise abzustellen sei, sei vom Verwaltungsgerichtshof „noch unbeanwortet“.

11 Entgegen diesem Zulässigkeitsvorbringen besteht zu dieser Frage ausreichende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes:

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch die Auffassung verworfen, bei der Beurteilung der „Gebräuchlichkeit“ eines Namens komme es lediglich darauf an, ob der Name akzeptiert werde, und keine Hinweise für eine derartig abweichende Bedeutung des Wortes „gebräuchlich“ erkannt. Das NÄG enthält keine Definition des Begriffes „gebräuchlich“. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird „gebräuchlich“ als „üblich“ oder „(weit) verbreitet“ verstanden (vgl. jüngst VwGH 15.5.2025, Ra 2024/01/0412, mwN).

13 Diese Leitlinien hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall zutreffend zur Anwendung gebracht und darauf Bedacht genommen, dass in einem Verfahren zur Änderung des Namens nach dem NÄG (§ 1) der konkret beantragte Name den Verfahrensgegenstand bildet. Es stellte außerdem fest, dass der Revisionswerber keine Vorfahren habe, die den beantragten Familiennamen „Teuer“ geführt hätten und dass dieser Familienname in Österreich von keiner Person geführt werde.

14 Mit dem in der Revision vorgebrachten Argument, das Wort „teuer“ sei vormals orthografisch „theuer“ geschrieben worden, wird verkannt, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Rechtmäßigkeit der Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 dritter Fall NÄG darauf ankommt, ob der vom Antragsteller begehrte Familienname im Inland „gebräuchlich“ ist (vgl. VwGH 17.2.2023, Ro 2022/01/0013, mwN). Der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist daher aus dem Blickwinkel des § 3 Abs. 1 Z 2 NÄG nicht entgegenzutreten, wenn es bei der Beurteilung der Gebräuchlichkeit auf die Schreibweise des beantragten Familiennamens (und nicht die eines gleichlautenden Adjektivs) abgestellt hat. Dass der Familienname „Theuer“ im Zuge seines Gebrauches eine dahingehende Veränderung erfahren hätte, dass er im Inland in der vom Revisionswerber begehrten Schreibweise „üblich“ oder „(weit) verbreitet“ geworden wäre, ist aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht ableitbar.

15 Soweit die Revision weiter vorbringt, es fehle Rechtsprechung dazu, ob bei der Beurteilung der Gebräuchlichkeit von Familiennamen auf den (gesamten) deutschen Sprachraum und damit gegebenenfalls auch auf das (deutschsprachige) Ausland abgestellt werden könne, genügt es darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur bereits klargestellt hat, dass nach dem maßgeblichen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 Z 2 NÄG auf das Inland abzustellen ist (vgl. VwGH 23.5.2022, Ra 2022/01/0113, mwN).

16 Zuletzt bringt die Revision zur ihrer Zulässigkeit vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob bei der Gebräuchlichkeit auf das Klangbild oder die Schreibweise abzustellen sei. Dazu kann über das bereits Gesagte auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen werden, nach der die Ansicht, ausschlaggebend seien das „allgemeine Sprachgefühl“ und der Umstand, ob ein Nachname als gebräuchlich empfunden werde bzw. die vorgebrachte phonetische Ähnlichkeit, die Bedeutung des gesetzlichen Versagungsgrundes gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 dritter Fall NÄG verkennt (vgl. neuerlich VwGH 15.5.2025, Ra 2024/01/0412, mwN).

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 2. Juli 2025

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