Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Zettl, über die Revision des J L (alias D Y), vertreten durch Dr. Clemens Illichmann, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Alpenstraße 54, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Oktober 2023, W241 2215241 4/2E, betreffend Duldungskarte (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Ein Aufwandersatz wird nicht zugesprochen.
1.1. Der Revisionswerber, ein chinesischer Staatsangehöriger, stellte zunächst einen Antrag auf internationalen Schutz, der im Jahr 2019 u.a. unter Erlassung einer Rückkehrentscheidung und unter Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach China rechtskräftig abgewiesen wurde. Im März 2020 wurde auch ein zweijähriges Einreiseverbot gegen ihn erlassen.
Nach der Aktenlage verblieb der Revisionswerber unrechtmäßig in Österreich.
1.2. Am 10. März 2023 stellte der Revisionswerber nach rechtskräftiger Abweisung eines derartigen Antrags bereits im Jahr 2021 einen (neuerlichen) Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG.
Diesen Antrag wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 19. Juni 2023 ab. Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 10. Oktober 2023 (mit einer Maßgabe) als unbegründet ab. Es sprach ferner aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
1.3. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die gegenständliche außerordentliche Revision.
2.1. Im Zuge der Bearbeitung der Revisionssache wurde dem Verwaltungsgerichtshof mit Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 8. Februar 2024 mitgeteilt, dass der Revisionswerber mittlerweile am 30. Jänner 2024 ausgereist sei.
2.2. In Anbetracht dessen teilte der Verwaltungsgerichtshof dem Revisionswerber unter Einräumung einer Frist zur Äußerung mit verfahrensleitender Verfügung vom 12. Februar 2024 mit, dass die Revision (aufgrund der zuletzt erfolgten Ausreise) als gegenstandslos geworden zu erachten sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sei nämlich die Unterlassung einer dem Fremden zunächst offen gestandenen freiwilligen Ausreise Bedingung dafür, dass eine Abschiebung als Zwangsmaßnahme überhaupt zulässig und notwendig sei und sich in weiterer Folge die Frage einer Duldung wegen der faktischen Unmöglichkeit der Abschiebung stellen könne. In dem Sinn sei also die Verletzung der Ausreiseverpflichtung eine indirekte Voraussetzung der Duldung (vgl. VwGH 17.5.2021, Ra 2020/21/0203, Rn. 21).
2.3. Der Revisionswerber gab innerhalb der dafür eingeräumten Frist keine Äußerung ab.
3.1. Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Revision mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde.
3.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, ist bei einer Revision nach Art. 133 Abs. 1 Z 1 B VG unter einer Klaglosstellung gemäß § 33 Abs. 1 VwGG nicht nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses eingetreten ist. Vielmehr liegt ein Einstellungsfall wegen Gegenstandslosigkeit insbesondere auch dann vor, wenn der Revisionswerber infolge Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung hat und somit materiell klaglos gestellt wurde (vgl. etwa VwGH 24.8.2023, Ro 2019/22/0012, Pkt. 4., mwN).
Das Rechtsschutzinteresse ist immer dann zu verneinen, wenn es (aufgrund der geänderten Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrensziels für ihn keinen objektiven Nutzen mehr hat, den in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur mehr theoretische Bedeutung zukommt (vgl. etwa VwGH 6.12.2023, Ra 2022/22/0066, Rn. 8, mwN).
4.1. Vorliegend ist der (unwidersprochen gebliebenen) Mitteilung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl zufolge der Revisionswerber am 30. Jänner 2024 (doch noch) aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgereist. Im Hinblick darauf liegt jedoch eine diesbezügliche Unterlassung (der freiwilligen Ausreise) als Bedingung dafür, dass die Abschiebung als Zwangsmaßnahme zulässig und notwendig ist und sich in weiterer Folge die Frage einer Duldung wegen der faktischen Unmöglichkeit der Abschiebung stellen kann, nicht (mehr) vor.
Es macht daher für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird, könnte er doch (im Sinn des Vorgesagten) selbst im Fall des Durchdringens mit der Revision die beantragte Duldung im fortgesetzten Verfahren nicht (mehr) erlangen.
4.2. Die Revision war deshalb wegen nachträglichen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
5.1. Wird eine Revision ohne formelle Aufhebung der angefochtenen Entscheidung wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses unter sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt, so ist die Kostenentscheidung mangels formeller Klaglosstellung nicht gemäß § 55 VwGG, sondern gemäß § 58 Abs. 2 VwGG zu treffen (vgl. etwa VwGH 6.12.2023, Ra 2020/22/0167, Pkt. 6.1., mwN).
5.2. Im Hinblick darauf, dass vorliegend die Frage des hypothetischen Schicksals der Revision nicht ohne nähere Prüfung zu lösen wäre und die Entscheidung über den gestellten Kostenantrag daher einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, hat der Verwaltungsgerichtshof nach freier Überzeugung entschieden, dass kein Aufwandersatz zugesprochen wird (§ 58 Abs. 2 zweiter Halbsatz VwGG).
Wien, am 27. März 2024
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