JudikaturVwGH

Ra 2023/21/0177 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
29. Januar 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofrätinnen Dr. Wiesinger und Dr. in Oswald als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des F L, vertreten durch Mag. Dr. Günter Harrich, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Gloriettegasse 17 19/1/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. Oktober 2023, W202 1412598 3/2E, betreffend Versagung eines Konventionsreisepasses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Dem Revisionswerber, einem afghanischen Staatsangehörigen, wurde im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 1. Juli 2013 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

2 Am 24. August 2017 wurde dem Revisionswerber antragsgemäß ein Konventionsreisepass mit Gültigkeit bis zum 23. August 2022 ausgestellt.

3Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 14. Dezember 2021 wurde der Revisionswerber wegen Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünfzehn Monaten, wobei zehn Monate bedingt nachgesehen wurden, verurteilt. Der Verurteilung lag der Tatvorwurf zugrunde, der Revisionswerber habe im Zeitraum von zumindest Juni 2018 bis Ende Juni 2021 näher genannten Personen in einer Vielzahl von Tathandlungen insgesamt zumindest 742 Gramm Opium durch gewinnbringenden Verkauf überlassen und in einem näher genannten Zeitpunkt 127,5 Gramm Opium mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde.

4 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 17. Mai 2022 wurde den Mandatsbescheid vom 10. Februar 2022 nach einer vom Revisionswerber dagegen erhobenen Vorstellung bestätigenddem Revisionswerber der Konventionsreisepass entzogen. Die gegen diesen Bescheid vom Revisionswerber eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 29. August 2022 als unbegründet abgewiesen. Das BVwG ging zusammengefasst davon aus, im Hinblick auf die Suchtmitteldelinquenz des Revisionswerbers sei der Entziehungstatbestand des § 93 Abs. 1 Z 1 iVm § 92 Abs. 1 Z 3 und § 94 Abs. 5 FPG erfüllt, zumal die Wiederholungsgefahr bei Suchtmitteldelikten besonders hoch und der seit der Tatbegehung verstrichene Zeitraum zu kurz sei, um die vom Revisionswerber ausgehende Gefahr der Begehung weiterer Suchtgiftdelikte auch nur als erheblich gemindert anzusehen.

5 Am 9. Februar 2022 hatte der Revisionswerber offenbar im Hinblick auf den Ablauf der Gültigkeit des im August 2017 ausgestellten Konventionsreisepasses mit 23. August 2022(erneut) die Ausstellung eines Konventionsreisepasses beantragt. Der Antrag wurde mit Bescheid des BFA vom 6. September 2023 gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 Z 3 FPG abgewiesen.

6Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 10. Oktober 2023 wies das BVwG die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.

8 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

10 In dieser Hinsicht macht der Revisionswerber zusammengefasst geltend, das BVwG habe entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob ein Versagungsgrund für die Ausstellung eines Konventionsreisepasses vorliege, keine Einzelfallprüfung durchgeführt, sondern sich lediglich auf die strafrechtliche Verurteilung des Revisionswerbers gestützt. Weiters hätte das BVwG nach Auffassung des Revisionswerbers eine mündliche Verhandlung durchführen müssen.

11 Das BVwG hat die Versagung des Konventionsreisepasses wie das BFAin den Entscheidungsgründen auf § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 Z 3 FPG gestützt. Nach diesen Bestimmungen ist ein Konventionsreisepass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde das Dokument benützen will, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen, womit auch im Sinn des Art. 25 Abs. 1 der Statusrichtlinie (RL 2011/95/EU) zwingende Gründe der öffentlichen Ordnung für die Versagung des Passes vorlägen. Im Rahmen der dafür erforderlichen Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände diese Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist, wobei nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen ist (siehe VwGH 27.6.2024, Ra 2023/21/0163, Rn. 11, mit Hinweis auf VwGH 4.7.2023, Ra 2022/21/0187, Rn. 11/12, mwN).

12Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers nahm das BVwG eine solche einzelfallbezogene Gefährdungsprognose im Hinblick auf sein konkretes Verhalten fallgegenständlich ausreichend vor. Dabei ging es zu Recht davon aus, dass bei Suchtgiftdelikten der vorliegenden Art die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders hoch ist, wobei schon eine einmalige Verurteilung nach dem SMG die in § 92 Abs. 1 Z 3 FPG umschriebene Annahme rechtfertigen kann (siehe dazu bereits VwGH 22.10.2009, 2008/21/0410, vgl. etwa auch VwGH 24.1.2012, 2008/18/0504, Pkt. II.2.1. der Entscheidungsgründe). In diesem Zusammenhang durfte das BVwG fallbezogen überdies berücksichtigen, dass der Revisionswerber sein inkriminierendes Verhalten über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren aufrechterhalten und erst mit dem Zeitpunkt seiner Festnahme beendet hatte. Auch die Annahme des BVwG, der seit der Tatbegehung verstrichene Zeitraum von etwas mehr als zwei Jahren sei zu kurz, um die vom Revisionswerber ausgehende Gefahr auch nur als entscheidend gemindert anzusehen, ist nicht zu beanstanden (vgl. erneut VwGH 22.10.2009, 2008/21/0410, und VwGH 24.1.2012, 2008/18/0504, jeweils zu einem rund vierjährigen Wohlverhalten, oder etwa VwGH 22.10.2009, 2008/21/0570, zu einem Wohlverhaltenszeitraum von drei Jahren und drei Monaten). Schließlich hat das BVwG auch zu Recht dargelegt, dass der Besitz eines Konventionsreisepasses den (grenzüberschreitenden) Handel mit Suchtgift jedenfalls erleichtern könnte, und zwar unabhängig davon, ob der Revisionswerber seinen Konventionsreisepass zuvor zu diesem Zweck verwendet habe (vgl. erneut VwGH 22.10.2009, 2008/21/0570; VwGH 24.1.2012, 2008/18/0504, Pkt. II.2.1. der Entscheidungsgründe, jeweils mwN).

13 Vor dem Hintergrund der strafgerichtlichen Verurteilung des Revisionswerbers und den in der Revision nicht bestrittenen Hintergründen der Taten, insbesondere des langen Tatzeitraumes, des zum Entscheidungszeitpunkt erst rund zwei Jahre und zwei Monate dauernden Wohlverhaltenszeitraums sowie im Hinblick darauf, dass die rechtskräftige Entscheidung über die Entziehung des Konventionsreisepasses, im Zuge derer die Auswirkungen der Delinquenz des Revisionswerbers bereits beurteilt worden waren, erst etwas mehr als ein Jahr zurücklag (siehe Rn. 4), durfte das BVwG auch davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für den Entfall einer mündlichen Verhandlung nach § 21 Abs. 7 BFA VG vorlagen, zumal der Revisionswerber den Sachverhaltsfeststellungen und beweiswürdigenden Erwägungen des BFA in seiner Beschwerde auch nicht substantiiert entgegengetreten ist.

14 Die Revision war daher nach Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

15Von der in der Revision beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte in diesem Fall gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 29. Jänner 2025