JudikaturVwGH

Ra 2023/20/0186 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
24. Januar 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr. in Oswald als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des A T, vertreten durch Mag. Alexander Wolf, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Esteplatz 7, dieser vertreten durch Dr. Eva Jana Messerschmidt, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Freyung 6/7/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9. März 2023, W192 2191466 2/6E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 6. November 2015 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005. Dieser Antrag wurde letztlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. März 2020 abgewiesen. Unter einem wurde dem Revisionswerber kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und eine Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt.

2 Am 11. August 2021 stellte der Revisionswerber einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

3 Mit Bescheid vom 7. Juli 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte dem Revisionswerber jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit der Gültigkeit für ein Jahr.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen die Versagung der Gewährung von Asyl erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung der in der Beschwerde beantragten Verhandlung ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Der Revisionswerber wendet sich zur Begründung der Zulässigkeit der Revision gegen den Entfall der Verhandlung. Weiters macht er geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe seinem Erkenntnis keine aktuellen Länderberichte zugrunde gelegt.

9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind zur Beurteilung, ob im Sinn des hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Satz BFA Verfahrensgesetz (BFA VG) „der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ und die Durchführung einer Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich:

10 Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. dazu ausführlich VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; sowie aus der weiteren Rechtsprechung etwa VwGH 11.7.2023, Ra 2023/20/0285, mwN).

11 In der Revision wird ins Treffen geführt, dass das Bundesverwaltungsgericht die Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ergänzt habe.

Dazu ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Aufzeigen weiterer, von der Verwaltungsbehörde nicht aufgegriffener und somit erstmals thematisierter Aspekte die Verhandlungspflicht nur dann auslöst, wenn damit die tragenden verwaltungsbehördlichen Erwägungen nicht bloß unwesentlich ergänzt werden (vgl. VwGH 26.7.2022, Ra 2022/20/0146, mwN). Dass ein solcher Fall vorliegen würde, zeigt der Revisionswerber nicht auf. Die gerügten „eigenständigen“ beweiswürdigenden Überlegungen im angefochtenen Erkenntnis betreffend die Glaubwürdigkeit des Vorbringens zu einer Verfolgung im Herkunftsstaat erweisen sich schon deswegen als nicht entscheidungswesentlich, weil in der Beschwerde keine substantiierten Tatsachenbehauptungen erhoben wurden, die einen Konnex zu einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Grund aufweisen (zur Notwendigkeit eines kausalen Zusammenhanges mit einem oder mehreren Konventionsgründen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vgl. VwGH 26.7.2022, Ra 2022/20/0023, mwN).

12 Auch mit dem pauschal gehaltenen, keinen Bezug zur Person des Revisionswerbers herstellenden Vorbringen in der Revision, das Bundesverwaltungsgericht habe gegenüber dem Bescheid der Behörde aktuellere Länderberichte herangezogen, wird nicht aufgezeigt, dass die angeführten Voraussetzungen für die Abstandnahme von der Durchführung einer Verhandlung nicht erfüllt gewesen wären.

13 Mit der Rüge, das Bundesverwaltungsgericht habe seiner Entscheidung veraltete Länderberichte zu Grunde gelegt, macht der Revisionswerber einen Verfahrensmangel geltend, dessen Relevanz, weshalb also bei Vermeidung dieses Mangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, bereits in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung dargetan werden muss. Dies setzt voraus, dass auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. etwa VwGH 28.9.2020, Ra 2020/20/0348, mwN). Eine solche auf die konkrete Situation des Revisionswerbers bezogene Relevanzdarstellung lässt die Zulässigkeitsbegründung vermissen.

14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

15 Von der in der Revision beantragten Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte in diesem Fall gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 24. Jänner 2024

Rückverweise