JudikaturVwGH

Ra 2023/19/0214 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
29. Mai 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des O A, vertreten durch Dr. Christian Schmaus, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Chwallagasse 4/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Mai 2023, W144 2261948 3/5E, betreffend Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist in einer asyl und fremdenrechtlichen Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Dem Revisionswerber, einem afghanischen Staatsangehörigen, wurde am 16. Dezember 2021 in Griechenland der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Am 24. Juni 2022 stellte der Revisionswerber einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2 Mit Bescheid vom 22. September 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass er sich „nach Griechenland zurückzubegeben“ habe. Das BFA erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, ordnete gegen ihn die Außerlandesbringung an und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Griechenland gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

3 Nach den Verfahrensakten insbesondere dem in den Verfahrensakten befindlichen (RSa )Rückschein erfolgte am 27. September 2022 ein Versuch der Zustellung dieses Bescheides an der Zustelladresse der damaligen Rechtsvertreterin des Revisionswerbers (Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH Diakonie). Vom Zustellorgan wurde eine Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung eingelegt und als Beginn der Abholfrist auf dem Rückschein der 28. September 2022 angegeben. Der Bescheid wurde nicht behoben.

4 Mit Schriftsatz vom 7. November 2022 stellte der Revisionswerber durch die Diakonie einen Antrag auf einstweilige Anordnung nach dem Unionsrecht, einen „Antrag auf ordnungsgemäße Zustellung“ (des Bescheides vom 22. September 2022) und „in eventu“ einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 33 VwGVG. Unter einem wurde Beschwerde gegen den genannten Bescheid erhoben.

5 Den Antrag auf Wiedereinsetzung begründete der Revisionswerber damit, dass der Briefkasten von der Diakonie täglich geleert werde und zur Entgegennahme von RSa Hinterlegungen eine Administrationskraft anwesend sei. Daher sei es nicht ersichtlich, wo die RSa Hinterlegung geblieben sei. Als Nachweis dafür legte der Revisionswerber zwei eidesstattliche Erklärungen der postverantwortlichen Personen vor, die bezeugten, dass keine Hinterlegungsanzeige in Empfang genommen worden sei. Weder der Revisionswerber noch seine Vertretung hätten auffallend sorglos gehandelt. Den Revisionswerber treffe somit kein Verschulden an der Fristversäumung.

6 Den Antrag des Revisionswerbers auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung nach dem Unionsrecht wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Beschluss vom 9. November 2022 zurück.

7 Am 10. November 2022 wurde der Revisionswerber nach Griechenland rücküberstellt.

8 Mit Bescheid vom 11. Jänner 2023 wies das BFA den Antrag des Revisionswerbers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie den „Antrag auf ordnungsgemäße Zustellung“ ab (Spruchpunkt I.), erkannte der Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung nicht zu (Spruchpunkt II.) und wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung zurück (Spruchpunkt III.).

9 Mit Erkenntnis vom 2. Mai 2023 wies das BVwG die gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 11. Jänner 2023 erhobene Beschwerde des Revisionswerbers (ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung) als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

10 Begründend führte das BVwG aus, dass der Bescheid am 28. September 2022 rechtswirksam durch Hinterlegung zugestellt worden sei. Die Diakonie habe kein Vorbringen erstattet, das ein Verschwinden der Hinterlegungsanzeige zumindest theoretisch plausibel erscheinen ließe. Die eidesstattlichen Erklärungen seien nicht geeignet bzw. würden nicht ausreichen, die Wirksamkeit der Zustellung durch Hinterlegung zu entkräften. Es liege auch kein minderer Grad des Versehens vor. Auf die Diakonie sei der erhöhte Sorgfaltsmaßstab und die erforderliche Kontrolle des Kanzleiapparates, der an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter gestellt werde, anzuwenden, weil die Diakonie seit 3. August 2022 als Rechtsberatungsorganisation nach § 52 BFA VG fungiere. Die Diakonie habe kein wirksames Kontrollsystem dargelegt. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe hervor, dass die Mitarbeiterin von 14:00 Uhr bis 14:30 Uhr abwesend gewesen sei. Die Diakonie hätte sich bei eng fristgebundenen Verfahren wie hier gemäß § 4a AsylG2005 früher (und nicht erst zweieinhalb Monate nach Einbringung einer Stellungnahme) über den Verfahrensstand erkundigen müssen, weil relativ zeitnah mit einer zurückweisenden Entscheidung zu rechnen gewesen sei. Es würden detaillierte Angaben darüber fehlen, wer während des Zeitraumes tatsächlich für die Entgegennahme von behördlichen Dokumenten zuständig gewesen sei.

11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die das Vorverfahren eingeleitet wurde. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Gemäß § 34 Abs. 3 VwGG ist ein solcher Beschluss in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG habe seine Annahme, dass die Zustellung rechtswirksam erfolgt sei, auf den Akteninhalt und das RSa Kuvert gestützt, ohne auf die eidesstattlichen Erklärungen hinreichend Bezug zu nehmen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum das BVwG überhaupt davon ausgegangen sei, dass die Zustellung durch Hinterlegung zulässig sei, weil die Empfängerin ortsanwesend gewesen sei und das Zustellorgan auch keinen Anlass zur Annahme gehabt habe, dass die Empfängerin nicht regelmäßig an der Abgabestelle anwesend sei. Es habe somit keine rechtswirksame Zustellung stattgefunden, weil eine Zustellung durch Hinterlegung nicht zulässig gewesen sei. Maßgebliche Umstände (eidesstattliche Erklärungen, bisher keine Fristversäumnis, Unkenntnis vom Versuch der Zustellung trotz täglicher Entleerung des Brieffaches etc.) würden dafür sprechen, dass der Diakonie nie eine Hinterlegungsanzeige zugegangen sei. Die Diakonie habe somit einen Gegenbeweis erbracht.

14 Diesem Vorbringen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die in § 17 Abs. 2 Zustellgesetz (ZustG) genannte Verständigung des Empfängers von der Hinterlegung (Hinterlegungsanzeige) unabdingbare Voraussetzung einer Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG. Unterbleibt die Hinterlegungsanzeige, so tritt eine wirksame Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG nicht ein. Zwar macht ein ordnungsgemäßer Zustellnachweis als öffentliche Urkunde Beweis über die Zustellung; allerdings ist der Gegenbeweis (etwa, dass der in der Urkunde bezeugte Vorgang unrichtig sei; vgl. § 292 Abs. 2 ZPO) möglich (vgl. VwGH 25.2.2021, Ra 2020/19/0248 bis 0250, mwN).

Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, die die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind (vgl. VwGH 24.6.2020, Ra 2020/17/0017, mwN).

15 Im vorliegenden Fall stützte das BVwG seine Annahme, dass die Zustellung durch Hinterlegung ordnungsgemäß erfolgt sei, auf ein RSa Kuvert, eine Sendungsnachverfolgung sowie eine schriftliche und telefonische Auskunft der Post. Es setzte sich auch mit den vorgelegten eidesstattlichen Erklärungen, wonach die postverantwortlichen Mitarbeiterinnen der Diakonie ihre Tätigkeit gewissenhaft ausüben würden, auseinander. Das BVwG kam jedoch zum Ergebnis, dass diese Erklärungen nicht ausreichen würden, um die Wirksamkeit der Zustellung durch Hinterlegung zu entkräften. In der Beschwerde sei im Wesentlichen ausgeführt worden, dass keine Hinterlegungsanzeige eingelegt worden sei. Allerdings seien keine Beweise zur Untermauerung dieser Behauptung vorgelegt worden. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe hervor, dass die zuständige Mitarbeiterin von 14:00 Uhr bis 14:30 Uhr abwesend gewesen sei. Entgegen dem Vorbringen der Diakonie, wonach die zuständige Mitarbeiterin den ganzen Tag im Büro anwesend gewesen sei, ging das BVwG von einer Abwesenheit der Mitarbeiterin zwischen 14:00 Uhr und 14:30 Uhr aus. Aus dem Zeitnachweis ergebe sich nämlich, dass die Mitarbeiterin von 14:00 Uhr bis 14:30 Uhr keine Arbeitsleistung erbracht habe.

Vor diesem Hintergrund vermag die Revision nicht darzutun, dass das BVwG mit seiner Beurteilung, die Zustellung durch Hinterlegung sei ordnungsgemäß erfolgt, von der oben dargelegten Rechtsprechung abgewichen wäre.

16 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit zudem vorgebracht, dass es sich bei der Diakonie seit dem 31. Dezember 2020 nicht mehr um eine Rechtsberatungsorganisation im Sinne des § 52 BFA VG handle. Folglich hätte das BVwG auch nicht den für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte geltenden hohen Maßstab an Sorgfaltspflichten anwenden dürfen. Bei der Entgegennahme bzw. Behebung eines Poststückes handle es sich um rein manipulative Tätigkeiten, wobei nach der Rechtsprechung eine (umfassende) anwaltliche Kontrollpflicht nicht zumutbar sei. Das BVwG habe einen überspannten Maßstab angewandt. Entgegen dem Vorbringen, wonach die Mitarbeiterin von 9:00 bis 17:45 Uhr vor Ort gewesen sei, sei das BVwG von einer nicht ununterbrochenen Anwesenheit der Mitarbeiterin ausgegangen und habe dies ausschließlich damit begründet, dass in den Arbeitsaufzeichnungen eine Pause von 30 Minuten verzeichnet sei. Allein aus dem Umstand, dass die Mitarbeiterin eine Mittagspause mache, lasse sich nicht zwingend ableiten, dass sie die Büroräumlichkeiten verlassen habe.

Es sei auch nicht nachvollziehbar, inwiefern eine Termin und Fristverwaltung, wie sie die Diakonie führe, dazu beigetragen hätte, Kenntnis von einem Zustellversuch zu erlangen. Dass eine Verwaltung anhängiger Verfahren geführt werde, ergebe sich bereits daraus, dass sich die Diakonie initiativ nach dem Verfahrensstand erkundigt habe. Es sei auch aktenwidrig, wenn das BVwG vermeine, es würden Angaben fehlen, wer während des Zeitraums für die Entgegennahme von Poststücken zuständig gewesen sei. Es sei nicht erklärbar, weshalb das BVwG das Verfahren nach § 4a AsylG 2005 als „eng fristgebunden“ qualifiziere. Die allgemeine Entscheidungsfrist sei zu dem Zeitpunkt, als sich die Diakonie nach dem Verfahrensstand erkundigt habe, noch nicht überschritten gewesen. Die Annahme, nach zweieinhalb Monaten wäre jedenfalls schon mit einer Erledigung zu rechnen gewesen, sei nicht mit der realen Behördenpraxis in Einklang zu bringen. Der Sorgfaltsmaßstab werde überspannt, wenn eine sorgfältige Rechtsvertretung nur dann vorläge, wenn engmaschige Nachfragen bei der Behörde erfolgen würden. Die Sorgfaltspflicht sei jedenfalls nicht verletzt und liege allenfalls ein minderer Grad des Verschuldens vor.

Schließlich liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weil das BVwG zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen habe.

17 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bilden Zustellungsmängel zwar grundsätzlich keinen Wiedereinsetzungsgrund, weil bei mangelhafter Zustellung die (versäumte) Frist nicht zu laufen beginnt. Soweit aber der Zustellvorgang rechtmäßig erfolgt ist, eine Hinterlegung der Postsendung gemäß § 17 ZustG stattgefunden und der Empfänger dennoch keine Kenntnis vom Zustellvorgang erlangt hat, kann diese Unkenntnis von der ordnungsgemäßen Hinterlegung eines Schriftstückes sofern sie nicht auf einem Verschulden beruht, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geeignet sein, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu begründen (vgl. VwGH 12.7.2019, Ra 2018/14/0240, mwN).

Die Frage, ob ein im Sinn des § 33 Abs. 1 VwGVG unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ein grobes Verschulden der Partei zur Säumnis geführt hat, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Die Beurteilung bezieht sich auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles, die bereits im Wiedereinsetzungsantrag innerhalb der Antragsfrist vorzubringen sind. Diese Antragsbehauptungen stecken den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist (vgl. VwGH 30.3.2022, Ra 2018/08/0202, mwN).

Der Begriff des minderen Grads des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 25.5.2022, Ra 2021/19/0484 bis 0487, mwN).

Auch ist durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, dass ein Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei trifft, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. VwGH 26.9.2022, Ra 2022/14/0109, mwN).

18 Bei der Diakonie handelt sich um eine rechtskundige Parteienvertreterin, sodass nach der wiedergegebenen Rechtsprechung bei der Beurteilung des Verschuldens ein strengerer Maßstab anzulegen ist (vgl. etwa zur Caritas als rechtskundige Parteienvertreterin in Asylangelegenheiten VwGH 27.9.2023, Ra 2021/01/0195).

19 Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl. VwGH 21.5.2019, Ra 2018/19/0406, mwN).

20 Eine regelmäßige Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, ist dem Parteienvertreter nicht zuzumuten, will man seine Sorgfaltspflicht nicht überspannen (vgl. VwGH 19.9.2017, Ra 2017/20/0102, mwN).

Wenn allerdings in keiner Weise dargelegt wird, ob jemals eine Kontrolle der manipulativen Vorgänge im Kanzleibetrieb oder der Kanzleiangestellten erfolgte bzw. wie das diesbezügliche Kontrollsystem eingerichtet ist, kann von einer Organisation des Kanzleibetriebes, die eine fristgerechte Setzung von Vertretungshandlungen mit größtmöglicher Zuverlässigkeit sicherstellt, und von einer wirksamen Überwachung keine Rede sein. Fehlt es an einem diesbezüglichen Vorbringen, liegt jedenfalls kein bloß minderer Grad des Versehens vor (vgl. erneut VwGH Ra 2017/20/0102, mwN).

21 Im vorliegenden Fall legte der Revisionswerber im Verfahren nicht dar, inwiefern jemals Kontrollen der Mitarbeiterinnen bei der Entgegennahme der Post (die als manipulative Tätigkeit zu werten ist) vorgenommen wurden, weshalb schon aus diesem Grund jede Basis für einen bloß minderen Grad des Versehens fehlt.

22 Ausgehend davon bedurfte es auch nicht der Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur weiteren Klärung des Sachverhalts, zumal wie erwähnt (siehe oben Rn. 17) die Ausgangsbehauptungen den Rahmen für die Untersuchung der Frage, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist, abstecken (vgl. nochmals VwGH Ra 2018/08/202, mwN).

23 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 29. Mai 2024

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