Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Funk Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Seiler, in der Revisionssache des S O, vertreten durch Mag. Carolin Seifriedsberger, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Walfischgasse 3/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. November 2022, W247 2247855 1/27E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 30. März 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, Syrien aufgrund der schlechten Sicherheitslage verlassen zu haben. Da er seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet habe, fürchte er, von der syrischen Armee zu diesem verpflichtet zu werden. Zudem drohe ihm eine Zwangsrekrutierung durch regierungsfeindliche Gruppierungen.
2 Mit Bescheid vom 8. September 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung.
3 Die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG sei seiner Ermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Es habe den Revisionswerber zu wesentlichen Dingen nicht befragt. Hätte das BVwG ausreichende Ermittlungen getätigt, so hätte es festgestellt, dass dem Revisionswerber Verfolgung wegen seiner oppositionellen Gesinnung und die konkrete Gefahr einer Einberufung zum Wehrdienst durch die syrische Armee drohe.
8 Die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein ausreichend ermittelter Sachverhalt vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar (vgl. VwGH 19.1.2023, Ra 2022/19/0323, mwN). Das BVwG befragte den Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung eingehend zu seinen Fluchtgründen. Die Revision zeigt nicht auf, dass im vorliegenden Fall ein krasser, die Rechtssicherheit beeinträchtigender und daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfender Verfahrensfehler vorliegt.
9 Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung auch gegen die Beweiswürdigung des BVwG.
10 Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 26.1.2023, Ra 2022/19/0103, mwN).
11 Das BVwG, das sich in der durchgeführten mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffen konnte und diesem ausführlich Gelegenheit gab, sich zu seinen Fluchtgründen zu äußern, gelangte zu dem Ergebnis, der Revisionswerber habe nicht glaubhaft machen können, dass ihm bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung drohe. Der Revision gelingt es nicht aufzuzeigen, dass die Beweiswürdigung des BVwG, mit welcher das Verwaltungsgericht eine mögliche Einberufung des Revisionswerbers zum syrischen Militärdienst, seine Zwangsrekrutierung durch oppositionelle Gruppen, eine Gefahr aufgrund einer dem Revisionswerber (unterstellten) oppositionellen Gesinnung sowie aufgrund seiner Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe vor dem Hintergrund der getroffenen Länderfeststellungen als nicht maßgeblich wahrscheinlich erachtete, mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wäre.
12 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang vorbringt, das BVwG habe eine vom Revisionswerber vorgelegte Kopie eines Strafregisterauszuges als Fälschung abgetan, ohne nähere Ermittlungen zu dieser zu tätigen oder dem Revisionswerber die Möglichkeit zu geben, sich zu dieser zu äußern, ist darauf hinzuweisen, dass das BVwG der vom Revisionswerber vorgelegten Urkunde nicht ausschließlich mit einem Verweis darauf, dass diese vermutlich gefälscht sei, den Beweiswert abgesprochen hat, sondern den Revisionswerber zu deren Inhalt in der mündlichen Verhandlung befragt und sich im Einzelnen mit dieser auseinandergesetzt hat. Dazu wies das BVwG etwa darauf hin, dass es an einem zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Ausstellen der Urkunde und der darin angesprochenen Mitgliedschaft des Revisionswerbers in einer Partei fehle und der Inhalt der Urkunde auch im Widerspruch zu seinen bisherigen Ausführungen stehe. Die Angaben des Revisionswerbers zur vorgelegten Urkunde seien daher in Hinblick auf auch weitere Ungereimtheiten nicht glaubwürdig. Eine Unvertretbarkeit dieser Erwägungen vermag die Revision nicht aufzuzeigen.
13 Schließlich bringt die Revision vor, dass weitere Länderberichte, insbesondere Richtlinien des UNHCR, vom BVwG unberücksichtigt geblieben seien.
14 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 14.3.2023, Ra 2022/19/0331, mwN).
15 Eine derartige Relevanzdarlegung enthält die Revision nicht. Das BVwG sprach einer asylrelevanten Verfolgung des Revisionswerbers unter mehreren fallbezogenen Gesichtspunkten die Glaubwürdigkeit ab. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung erweist sich im Übrigen auch nach den vom Revisionswerber angesprochenen Richtlinien als erforderlich. Die Beurteilung des BVwG, wonach keine asylrelevante Verfolgung des Revisionswerbers drohe, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden.
16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 9. Mai 2023