Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des A R, vertreten durch Mag. Christian Hirsch, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 28, gegen das am 25. April 2023 mündlich verkündete und am 30. Mai 2023 ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts, G306 2266194 1/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Über Antrag des Revisionswerbers, eines kosovarischen Staatsangehörigen, vom 17. Juni 2014 wurde diesem ein ab 25. Juni 2014 für ein Jahr gültiger Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK nach § 55 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erteilt.
2 In der Folge wurde ihm der Aufenthaltstitel „Rot Weiß Rot Karte plus“ erteilt, der nach wiederholter Verlängerung bis 12. November 2017 gültig war. Ein weiterer Verlängerungsantrag blieb bislang unerledigt.
3 Mit strafgerichtlichem Urteil vom 20. Februar 2020 wurde der Revisionsweber wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt und des Vergehens der Bestechung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Begründend führte das Strafgericht aus, dass der die dafür vorgesehenen Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllende Revisionswerber einem Amtsträger des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl für die Erteilung des genannten Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 einen Vorteil in Form von Bargeld habe zukommen lassen.
4 Wegen dieser strafbaren Handlung nahm das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 21. November 2022 das auf Grund des Antrags auf Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 vom 17. Juni 2014 eingeleitete Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 AVG von Amts wegen wieder auf. Unter einem wies es diesen Antrag als unbegründet ab, erließ nach § 52 Abs. 4 Z 1 FPG eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf vier Jahre befristetes Einreiseverbot gegen den Revisionsweber, stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung in den Kosovo fest und räumte ihm eine Frist für seine freiwillige Ausreise ein.
5 Auf Grund der dagegen gerichteten Beschwerde des Revisionswerbers erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Beschwerdevorentscheidung und setzte die Dauer des Einreiseverbots auf zwei Jahre herab.
6 Über Vorlageantrag des Revisionswerbers setzte das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Dauer des Einreiseverbots auf ein Jahr herab und wies die Beschwerde im Übrigen mit der Maßgabe ab, dass der verfahrenseinleitende Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung des Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 17. Juni 2014 gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG 2005 zurückgewiesen werde.
7 Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen gerichteten Beschwerde nach Art. 144 Abs. 1 B VG mit Beschluss vom 18. September 2023, E 2076/2023-10, ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
8 In der Folge wurde die vorliegende Revision erhoben.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Die Revision wendet sich in den Ausführungen zu ihrer Zulässigkeit gegen die bei Erlassung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbots angestellte Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgerichts.
13 Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG (vgl. VwGH 27.10.2023, Ra 2023/17/0109, mwN).
14 Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. erneut VwGH 27.10.2023, Ra 2023/17/0109, mwN).
15 Das persönliche Interesse des Fremden an einem Verbleib in Österreich nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 12.9.2023, Ra 2023/17/0121, mwN).
16 Der Revisionswerber begründet den Vorwurf der Rechtswidrigkeit der durch das Bundesverwaltungsgericht angestellten Interessenabwägung insbesondere mit der Dauer seines Aufenthalts und seiner Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet sowie mit einer absolvierten Berufsausbildung und seinen Deutschkenntnissen. Vor dem Hintergrund, dass gemäß der vorzitierten Rechtsprechung eine Gesamtbetrachtung anzustellen ist, hatte das Bundesverwaltungsgericht fallbezogen eine Reihe weiterer Aspekte, wie vor allem den Umstand, dass der Revisionswerber die Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 durch eine Straftat erschlich, dieser Aufenthaltstitel ex tunc wegfiel und sein in der Folge zuerkannter weiterer Aufenthaltstitel ebenso an diesen anknüpfend erteilt wurde, sodass der Revisionswerber nicht von der Sicherheit seines Aufenthalts im Bundesgebiet ausgehen durfte, zu berücksichtigen. Mit Blick darauf sowie auf die weiteren durch das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigten Umstände, insbesondere dass der Revisionswerber mit seinen in Österreich lebenden Verwandten keinen gemeinsamen Wohnsitz teilt und keine wechselseitigen Abhängigkeiten bestehen, legt dieser fallbezogen nicht dar, dass diese Interessenabwägung mit einem im Revisionsverfahren aufzugreifenden Mangel belastet wäre (vgl. zum Aspekt der starken Minderung der Interessen eines Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet infolge der Begehung vergleichbarer Straftaten VwGH 18.11.2021, Ra 2021/22/0148). Soweit der Revisionswerber die Unzulässigkeit der Verhängung des Einreiseverbots mit der seit Begehung der Straftat verstrichenen Zeit begründen will, ist er darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch von seiner mangelnden Reue und Einsicht ausging und dies als Minderung des Wohlverhaltens des Revisionswerbers berücksichtigte, sodass er auch insoweit fallbezogen keinen im Revisionsverfahren aufzugreifenden Fehler des Bundesverwaltungsgerichts aufzeigt.
17 Werden Verfahrensmängel als Zulässigkeitsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist fallbezogen in konkreter Weise darzulegen. Dies setzt voraus, dass auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 9.3.2023, Ra 2023/17/0035, mwN).
18 Dieser Anforderung wird die Darlegung der Zulässigkeitsgründe der Revision nicht gerecht. Denn es werden allgemein Verfahrensfehler - vor allem nicht näher bezeichnete Mängel des Ermittlungsverfahrens - für das Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung ins Treffen geführt, jedoch ohne konkret anzugeben, welche Tatsachen bei deren Vermeidung erwiesen worden wären und weshalb ein für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können.
19 Eine uneinheitliche Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte erfüllt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B VG, wenn es zu der betreffenden Frage eine (einheitliche) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gibt (vgl. VwGH erneut 9.3.2023, Ra 2023/17/0035, mwN).
20 Mit seiner Rüge, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in ähnlich gelagerten Fällen stelle sich als uneinheitlich dar, zeigt der Revisionswerber daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf, zumal er nicht behauptet, dass sich die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich darstelle.
21 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 18. Dezember 2023