Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger und die Hofrätin Dr. in Lachmayer, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. in Wiesinger sowie den Hofrat Mag. M. Mayr, LL.M., als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., MA, über die Revision des Finanzamtes für Großbetriebe gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 6. Oktober 2023, RV/7103288/2023, betreffend u.a. Körperschaftsteuer Gruppe 2005 bis 2008 (mitbeteiligte Partei: R, vertreten durch die Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH in Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
1Im Anschluss an eine in den Jahren 2010 bis 2012 bei der Mitbeteiligten durchgeführte, u.a. die Körperschaftsteuer 2005 bis 2008 betreffende Außenprüfung versagte das Finanzamt die Anerkennung von Verlustvorträgen gemäß § 8 Abs. 4 Z 2 KStG 1988 (Mantelkauf) und setzte die Körperschaftsteuer der Mitbeteiligten als Gruppenträgerin gemäß § 9 Abs. 3 KStG 1988 (teilweise nach Wiederaufnahme der Verfahren) mit Bescheiden vom 5. Dezember 2012 entsprechend neu fest.
2 Die gegen diese Bescheide erhobene (damals) Berufung vom 9. Jänner 2013 legte das Finanzamt ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung mit Vorlagebericht vom 29. Oktober 2013 dem (damaligen) unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde gegen die Körperschaftsteuerbescheide Gruppe statt und änderte diese ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Das Bundesfinanzgericht führte im Wesentlichen aus, die Mitbeteiligte sei vormals die Holdinggesellschaft (in der Rechtsform einer AG) eines im In- und Ausland im Bauwesen und im Bereich der Immobilienentwicklung tätigen Konzerns (M Konzern) gewesen. Die Immobilienprojekte seien nicht von der Mitbeteiligten selbst, sondern von Projektgesellschaften durchgeführt worden. Im Jahr 1996 sei über das Vermögen der Mitbeteiligten u.a. infolge des Konkurses der operativen Baugesellschaft des M Konzerns das Ausgleichsverfahren eröffnet und im Jahr 1997 beendet worden. Im Anschluss daran sei Dr. L als zusammen mit Dr. M kollektiv zeichnungsberechtigte Vorständin der Mitbeteiligten bestellt worden.
5 Im Jahr 2003 sei (zum 31. Dezember 2002) ein Teilbetrieb der Mitbeteiligten (im Wesentlichen der Auslandsbereich) zur Neugründung abgespalten worden. Im Zuge dieser Abspaltung (aufgrund des dabei vorgenommenen Aktientauschs) sei die R Holding GmbH Alleinaktionärin der Mitbeteiligten geworden; diese sei in der Folge auch umbenannt worden. Dr. M sei dabei als Vorstand ausgeschieden und an seiner Stelle sei per 31. März 2003 Dr. K zum zusammen mit Dr. L kollektiv zeichnungsberechtigten Vorstand der Mitbeteiligten bestellt worden. Dr. K sei im Wege der K Wirtschaftsprüfungs GmbH zugleich bis Februar 2004 steuerlicher Vertreter der Mitbeteiligten gewesen.
6 Im zeitlichen Zusammenhang mit der vorgenommenen Abspaltung seien Auskunftsersuchen an das Finanzamt gerichtet worden, in denen das Schicksal der Verlustvorträge der Mitbeteiligten thematisiert worden sei. Die erste, im Vorfeld der Abspaltung gestellte Anfrage sei dahingehend beantwortet worden, dass die Verlustvorträge von der geplanten Abspaltung nicht berührt würden. Die zweite, nach Durchführung der Abspaltung gestellte Anfrage, in der u.a. bekanntgegeben worden sei, dass die R Holding GmbH als neuer „Alleineigentümer“ der Mitbeteiligten plane, die Beteiligung an einen Dritten zu veräußern, sei dahingehend beantwortet worden, dass der Wechsel im Vorstand (Dr. K anstatt Dr. M) zu keiner wesentlichen Änderung der organisatorischen Struktur der Mitbeteiligten führe.
7Anfang August 2004 sei ein weiteres Auskunftsersuchen an das Finanzamt gerichtet worden. Darin sei im Wesentlichen dargelegt worden, es sei der Erwerb aller Anteile an der Mitbeteiligten durch eine Körperschaft geplant, wobei die Mitbeteiligte formwandelnd in eine GmbH umgewandelt werden solle. Die erwerbende Körperschaft beabsichtige, Anteile an anderen Kapitalgesellschaften in neu zu gründende Tochtergesellschaften der Mitbeteiligten einzubringen und es sei die Bildung einer Gruppe gemäß § 9 KStG 1988 mit der Mitbeteiligten als Gruppenträgerin geplant. Durch diese Maßnahmen würden die Verlustvorträge der Mitbeteiligten nicht verloren gehen. Das Finanzamt habe die in dieser Anfrage vertretene Rechtsansicht bestätigt.
8 Mit am 18. August 2004 unterzeichneten, durch Eintritt der vereinbarten aufschiebenden Bedingung der positiven Rechtsauskunft des Finanzamtes zur im August 2004 gestellten Anfrage rechtswirksam gewordenen Kaufvertrag habe die R Holding GmbH sämtliche Anteile an der Mitbeteiligten an die (zum im Möbelhandel tätigen X Konzern gehörende) L Service GmbH veräußert.
9 Die Mitbeteiligte sei nach Inkrafttreten dieses Kaufvertrages formwechselnd in eine GmbH umgewandelt und der Firmenwortlaut in S Beteiligungs GmbH geändert worden. Dr. S (verstorben im Jahr 2017) sei per 6. Oktober 2004 als dritter, ebenfalls kollektiv zeichnungsberechtigter Geschäftsführer der Mitbeteiligten bestellt worden.
10Die Mitbeteiligte habe am 14. Dezember 2004 die A Holding GmbH (zuständig für Österreich) und die D Holding GmbH (zuständig für Deutschland) gegründet und habe die CEE Holding GmbH (zuständig für Osteuropa) übernommen. Mit Sacheinlage- und Einbringungsverträgen vom 17. Dezember 2004 habe die L Service GmbH eine 99%ige Beteiligung an der X GmbH (eine operative inländische Handelsgesellschaft) gemäß Art. III UmgrStG in die A Holding GmbH und eine 94%ige Beteiligung an der D GmbH (eine deutsche operative Gesellschaft) in die D Holding GmbH eingebracht.
11 Am 8. Februar 2005 sei zwischen der Mitbeteiligten als Gruppenträgerin und der A Holding GmbH, der D Holding GmbH, der X GmbH, sowie weiteren näher genannten Gesellschaften ein Gruppenvertrag geschlossen worden. Mit Bescheid des Finanzamtes vom 27. Oktober 2005 sei das Bestehen einer Gruppe zwischen diesen Gesellschaften festgestellt worden.
12 Die Mitbeteiligte habe in den Körperschaftsteuererklärungen Gruppe 2005 bis 2008 Verlustvorträge im Gesamtbetrag von rund 104 Mio. € mit den steuerlichen Gewinnen der Gruppenmitglieder (vor allem mit Gewinnen der X GmbH) verrechnet. Danach sei im Jahr 2009 die X GmbH auf die L Service GmbH verschmolzen und diese in eine KG umgewandelt worden.
13 Das Bundesfinanzgericht traf in der Folge Feststellungen zu den für die Erfüllung des Mantelkauftatbestands notwendigen Kriterien.
14 Zur Änderung der Gesellschafterstruktur führte das Bundesfinanzgericht aus, mit dem Kaufvertrag aus dem Jahr 2004 seien 100 % der Anteile an der Mitbeteiligten an die L Service GmbH veräußert worden.
15 Hinsichtlich der Änderung der wirtschaftlichen Struktur führte es aus, der Kaufpreis habe sich aus dem zum 31. August 2004 vorhandenen buchmäßigen Eigenkapital und einem „Firmenwert“ in Höhe von 5,2 Mio. € zusammengesetzt. Aus dem Kaufvertrag ergebe sich weiters, dass die R Holding GmbH als Verkäuferin grundsätzlich sämtliche bestehenden Beteiligungen zum Buchwert (dieser habe zum 31. August 2004 jeweils 0 € betragen) übernehme. Davon ausgenommen seien drei näher genannte Beteiligungen (mit einem zum 31. August 2004 positiven Buchwert von insgesamt rund 2,1 Mio. €) gewesen, für die Call- und Put Optionen vereinbart worden seien. Dabei habe sich die Mitbeteiligte verpflichtet, bis zur Ausübung dieser Optionen die Gesellschafterrechte in diesen Gesellschaften nur entsprechend dem Verlangen der R Holding GmbH auszuüben, Änderungen in der Geschäftsführung der betreffenden Gesellschaften nur entsprechend dem Verlangen der R Holding GmbH zu beschließen und die Anteile an diesen Gesellschaften ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung der R Holding GmbH nicht an Dritte zu verkaufen. Alle drei Beteiligungen seien in der Folge mit gleichlautenden Kaufverträgen vom 15. März 2006 an den namensgebenden Gesellschafter der R Holding GmbH „rückveräußert“ worden.
16 Die bilanzierten Finanzanlagen der Mitbeteiligten hätten sich im Jahr 2004 nach dem Verkauf an die L Service GmbH durch Erwerb neuer Beteiligungen um das 80-fache erhöht (die Finanzanlagen zum 31. Dezember 2003 hätten dem Buchwert der drei genannten Beteiligungen in Höhe von rund 2,1 Mio. € entsprochen, zum 31. Dezember 2004 hätten sie rund 168 Mio. € betragen).
17 Vor dem Verkauf an die L Service GmbH habe die Mitbeteiligte eine reine Holdingfunktion für die zugehörenden Gesellschaften wahrgenommen, wobei die Immobilienentwicklungen nicht von ihr selbst, sondern von unter den Tochtergesellschaften stehenden Projektgesellschaften betrieben worden seien. Ihre Umsatzerlöse in den Jahren 2000 bis 2003 stammten laut den GuV Rechnungen überwiegend aus einem selbst betriebenen Baustoffhandel. Der gesamte M Konzern habe sich in diesen Jahren in der Immobilienentwicklung engagiert, wobei die wesentlichen Tätigkeiten in den Untergesellschaften betrieben worden seien.
18 Nach dem Verkauf an die L Service GmbH habe die Mitbeteiligte unmittelbar die Aufgabe übernommen, Immobilienentwicklungen (insbesondere das Auffinden von Standorten für Handelsfilialen) für Gesellschaften des X Konzerns, insbesondere für die expandierende X GmbH durchzuführen. Dazu habe die Mitbeteiligte am 1. Juni 2005 mit mehreren Gesellschaften einen Immobilien Consulting Vertrag abgeschlossen, nach dem sie, vertreten durch Dr. L und Dr. K, im Vertrag näher genannte Leistungen der Immobilienentwicklung für die Vertragspartner erbringe. Die Abrechnung erfolge nach Umfang der erbrachten Leistung zu einem pauschalen Tagsatz. Aus den Protokollen über die Aufsichtsratssitzungen der X GmbH aus den Jahren 2005 bis 2008 ergebe sich, dass Dr. L bzw. Dr. K als Vertreter der Mitbeteiligten über laufende Immobilienprojekte (etwa Immobilienkaufverträge und Baurechtsverträge) für die X GmbH berichtet hätten. Die Mitbeteiligte habe in den Jahren 2005 bis 2007 von Dr. L unterfertigte „Tätigkeitsberichte“ an die X GmbH, zu Händen Dr. S vorgelegt. Es seien zahlreiche Immobilienkaufverträge für Gesellschaften des X Konzerns abgeschlossen worden und ab dem Jahr 2007 seien auch eigene Immobilien angekauft worden. Die Durchführung von Immobilienentwicklungen für Gesellschaften des X Konzerns sei somit für das Jahr 2005 auch für Zeiträume vor Abschluss des Immobilien-Consulting-Vertrages dokumentiert.
19 Zur Änderung der organisatorischen Struktur führte das Bundesfinanzgericht aus, sowohl vor als auch nach dem Verkauf an die L Service GmbH habe eine kollektive Zeichnungsbefugnis der Vorstände bzw. Geschäftsführer (je zwei Vorstände bzw. Geschäftsführer hätten gemeinsam vertreten) der Mitbeteiligten gegolten.
20 Dr. L sei ab 1997 zusammen mit Dr. M Vorstand der Mitbeteiligten gewesen. Im Jahr 2003 sei Dr. K anstelle von Dr. M zum Vorstand ernannt worden.
21 Im Zuge des Verkaufes an die L Service GmbH im Jahr 2004 habe die Mitbeteiligte mit Dr. L und Dr. K neue Geschäftsführerverträge abgeschlossen und dabei sei eine Erhöhung der Geschäftsführerentgelte erfolgt. Als dritter, ebenfalls kollektiv zeichnungsberechtigter Geschäftsführer sei im Oktober 2004 Dr. S bestellt worden, wobei nähere Details zu dessen Geschäftsführervertrag nicht aktenkundig seien.
22 Dr. K sei nach dem genannten Geschäftsführervertrag im Rahmen der internen Geschäftsverteilung für den Bereich „Rechnungswesen“ zuständig gewesen, wobei er seine Geschäftsführungstätigkeit im Rahmen seiner Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer und geschäftsführender Gesellschafter der K Wirtschaftsprüfungs GmbH erbringe. Nach dem gleichzeitig von der Mitbeteiligten mit der K Wirtschaftsprüfungs GmbH abgeschlossenen Vertrag erhalte diese für die Tätigkeit (Personalbereitstellung) von Dr. K zwölf mal pro Jahr ein monatliches Entgelt in näher genannter Höhe. Die von der K Wirtschaftsprüfungs GmbH vorgelegten Honorarnoten aus dem Jahr 2003 wiesen keine Entgelte für eine Vorstandstätigkeit von Dr. K aus, sondern ausschließlich Entgelte für die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Ab dem Jahr 2004 seien in den Honorarnoten Entgelte für „Geschäftsführungs- bzw. Vorstandsagenden“ in näher genannter Höhe ausgewiesen.
23 Dr. L sei nach dem im Jahr 2004 abgeschlossenen Geschäftsführervertrag im Rahmen der internen Geschäftsverteilung für den Bereich „Immobilien“ zuständig und erhalte dafür vierzehnmal pro Jahr ein monatliches Entgelt in näher genannter Höhe. Im Juni 2006 sei der Geschäftsführervertrag analog zu jenem mit Dr. K neu geregelt worden. Dr. L sei wie bis dahin im Rahmen der internen Geschäftsverteilung für den Bereich „Immobilien“ zuständig, erbringe ihre Geschäftsführungstätigkeit aber im Rahmen ihrer Tätigkeit als geschäftsführende Gesellschafterin der L Wirtschaftsservice GmbH. Nach dem gleichzeitig von der Mitbeteiligten mit der L Wirtschaftsservice GmbH abgeschlossenen Vertrag erhalte diese für die Tätigkeit (Personalbereitstellung) von Dr. L zwölfmal pro Jahr ein monatliches Entgelt in näher genannter Höhe. Von der L Wirtschaftsservice GmbH seien der Mitbeteiligten für 2003 bis 31. August 2004 Entgelte in näher genannter Höhe verrechnet worden.
24 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht soweit für das Revisionsverfahren relevant zur strittigen Frage der Verwirklichung des Mantelkauftatbestandes im Wesentlichen aus, es sei zu prüfen, ob im Zusammenhang mit dem Verkauf an die L Service GmbH im Jahr 2004 wesentliche Änderungen der Gesellschafterstruktur sowie der wirtschaftlichen und der organisatorischen Struktur der Mitbeteiligten eingetreten seien, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse den Mantelkauftatbestand erfüllten.
25 Zunächst sei unbestritten, dass durch den Verkauf von 100 % der Geschäftsanteile an der Mitbeteiligten eine wesentliche Änderung der Gesellschafterstruktur gegeben sei.
26 Auch eine Änderung der wirtschaftlichen Struktur der Mitbeteiligten sei erfolgt und zwar sowohl aufgrund der Änderung des Vermögens als auch aufgrund der Änderung des Unternehmensgegenstandes.
27 Sämtliche Beteiligungen der Mitbeteiligten seien nach dem Kaufvertrag aus 2004 entweder zivilrechtlich bei der R Holding GmbH verblieben oder vereinbarungsgemäß am 15. März 2006 zu einem dem Buchwert der Beteiligungen zum 31. August 2004 entsprechenden Kaufpreis „rückveräußert“ worden.
28 Anstelle dieser „Alt Beteiligungen“ seien sämtliche inländischen Gesellschaften des X Konzerns zu Tochter- und Enkelgesellschaften der Mitbeteiligten geworden, wobei sie zugleich ab Februar 2005 steuerliche Gruppenträgerin dieser Gesellschaften geworden sei. Durch die Einbringung der Gesellschaften des X Konzerns in Tochtergesellschaften der Mitbeteiligten sei es zudem zu einer enormen Erhöhung der Finanzanlagen gekommen. Diese hätten zum 31. Dezember 2003 rund 2,1 Mio. € und zum 31. Dezember 2004 rund 168 Mio. € betragen, was in etwa dem 80 fachen des ursprünglichen Werts entspreche.
29 Da im Ergebnis in einem Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren ab Unterfertigung des Kaufvertrages 100 % der von der Mitbeteiligten gehaltenen Beteiligungen ausgetauscht worden seien, liege eine wesentliche Änderung des Vermögens vor, welche aufgrund der Regelungen des Kaufvertrages in planmäßigem Zusammenhang mit der Veräußerung der Anteile an der Mitbeteiligten stehe. Die Motive für den Erwerb der Anteile seien für die Beurteilung, ob der Mantelkauftatbestand erfüllt sei, nicht ausschlaggebend, weil die Versagung des Verlustabzuges nicht der Feststellung einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung bedürfe.
30 Es sei auch zu einer Änderung des Unternehmensgegenstandes gekommen.
31 Vor dem Verkauf im Jahr 2004 sei die Mitbeteiligte die Holdinggesellschaft für Gesellschaften des M Konzerns gewesen. Jene Gesellschaften, soweit sie nach dem Konkurs der operativen Baugesellschaft des M Konzerns im Jahr 1997 und der Abwicklung des Ausgleichsverfahrens der Mitbeteiligten überhaupt noch wirtschaftlich tätig gewesen seien, hätten sich vor allem im Bereich der Immobilien-Entwicklung betätigt. Aus den Jahresabschlüssen der Mitbeteiligten bzw. den Konzernabschlüssen des M Konzerns der Jahre 2000 bis 2003 ergebe sich, dass die Umsatzerlöse der Mitbeteiligten vor allem die Lieferung von Baustoffen betroffen hätten und dass die wesentlichen Tätigkeiten betreffend Immobilienentwicklung in den Untergesellschaften betrieben worden seien.
32 Daraus erschließe sich, dass vor dem Verkauf im Jahr 2004 die Durchführung von Immobilienentwicklungen nicht auf Ebene der Mitbeteiligten, sondern in den Untergesellschaften stattgefunden habe und die Mitbeteiligte abgesehen von einem unstrittig gegebenen (geringen) Baustoffhandel eine reine Holdingfunktion ausgeübt habe. Erst nach dem Verkauf seien der Mitbeteiligten selbst Aufgaben der Immobilienentwicklung für Gesellschaften des X Konzerns übertragen worden, wobei sie diese Aufgaben zwar formal erst in Form des Immobilien-Consultingvertrages vom 1. Juni 2005, tatsächlich jedoch bereits bald nach Abschluss des Kaufvertrages aus dem Jahr 2004 übernommen habe. Den Betriebsgegenstand Baustoffhandel habe die Mitbeteiligte hingegen eingestellt, weil dieser Bereich von der R Holding GmbH übernommen worden sei.
33 Zur organisatorischen Struktur führte das Bundesfinanzgericht aus, deren Änderung liege vor, wenn sich die formale Zusammensetzung der Vorstands bzw. Geschäftsführungsebene in zahlenmäßiger Hinsicht wesentlich ändere, wenn sich der Aufgabenbereich der bisherigen Vorstände bzw. Geschäftsführer dem Umfang und/oder dem Inhalt nach erkennbar ändere (wobei sich dieser Umstand etwa aus dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen und der Entwicklung der Höhe der Geschäftsführer- bzw. Vorstandsgehälter erschließe), oder wenn ein neuer Vorstand bzw. Geschäftsführer hinzutrete und dieser nachweislich als faktischer Geschäftsführer anzusehen sei. Eine für den Mantelkauftatbestand relevante Änderung der organisatorischen Struktur sei nur dann gegeben, wenn sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse der Aufgabenbereich der bisherigen Geschäftsführung signifikant reduziere. Eine Ausdehnung des Aufgabenbereiches der bisherigen Geschäftsführung spräche hingegen gegen das Vorliegen des Mantelkauftatbestandes.
34 In formaler Hinsicht sei festzuhalten, dass Dr. L seit 1997 und Dr. K seit April 2003 (im Zusammenhang mit der Abspaltung eines Teilbetriebes und dem Abgang von Dr. M als Vorstand im Juni 2003) Vorstandsmitglieder der Mitbeteiligten gewesen seien. Gleichzeitig mit Abschluss des Kaufvertrages im Jahr 2004 habe die Mitbeteiligte mit den beiden Vorständen neue Geschäftsführerverträge abgeschlossen. Weiters sei im Zuge des Verkaufes Dr. S zum Geschäftsführer der Mitbeteiligten bestellt worden.
35 Dafür, dass der im Jahr 2003 erfolgte Wechsel eines Vorstandsmitgliedes (Dr. K statt Dr. M) bereits im planmäßigen Zusammenhang mit dem 2004 erfolgten Verkauf der Anteile an der Mitbeteiligten an die L Service GmbH zu sehen wäre, lägen keine stichhaltigen Sachverhaltsfeststellungen vor; bloße Vorbereitungshandlungen der vormaligen Eigentümer für einen geplanten Verkauf seien irrelevant.
36 Durch das Hinzutreten einer Person (Dr. S) zu den bereits bestehenden zwei Geschäftsführern im Jahr 2004 sei somit formal keine wesentliche Änderung in der Geschäftsführung eingetreten.
37 Betreffend die Aufgabenbereiche und Höhe der Gehälter der Geschäftsführer führte das Bundesfinanzgericht aus, vor September 2004 seien die Honorarnoten für die Vorstandstätigkeiten von Dr. L und Dr. K nicht von ihnen persönlich, sondern von deren „Unternehmen“ (L Wirtschaftsservice GmbH bzw. K Wirtschaftsprüfungs GmbH) gelegt worden. Während das „Unternehmen“ von Dr. L keine Mitarbeiter gehabt hatte, sei die K Wirtschaftsprüfungs-GmbH ein Steuerberatungsunternehmen mit mehreren Mitarbeitern gewesen, welches von 1998 bis Februar 2004 zugleich die steuerliche Vertretung der Mitbeteiligten wahrgenommen habe. Die Honorarnoten für Dr. K hätten daher nicht nur seine Leistungen als Vorstandsmitglied der Mitbeteiligten, sondern vor allem Leistungen seinerseits und seiner Mitarbeiter als steuerlicher Vertreter betroffen.
38 Durch die anlässlich des Verkaufs im Jahr 2004 neu abgeschlossenen Geschäftsführerverträge seien die Geschäftsführerentgelte erhöht worden, womit die (jeweils auf einen Jahresbetrag umgerechneten) Entgelte für Dr. L von rund 44.000 € (2003) über 58.000 € (1-8/2004) auf 84.000 € (9/2004 6/2006) und 105.000 € (ab 7/2006) und für Dr. K von rund 4.700 € (2003) auf rund 4.800 € (1 8/2004) und 105.000 € (ab 9/2004) gestiegen seien. Dies lasse auf eine Erweiterung der Aufgabenbereiche der beiden Geschäftsführer ab dem Verkauf im Jahr 2004 schließen.
39 Diese Annahme sei auch deshalb schlüssig, weil die Mitbeteiligte selbst aufgrund des „Immobilien Consulting Vertrages“ vom 1. Juni 2005 formal ab diesem Zeitpunkt, aber faktisch bereits ab September 2004 den neuen Aufgabenbereich „Immobilienentwicklung“ für Gesellschaften des X Konzerns wahrzunehmen gehabt habe. Diese Tätigkeit sei intern für die Mitbeteiligte, die ab September 2004 gar keine anderen Beschäftigten gehabt habe, von den Geschäftsführern Dr. L und Dr. K wahrgenommen worden.
40 Somit ergebe sich, dass sich die unmittelbar für die Mitbeteiligte wahrgenommene Geschäftsführungstätigkeit von Dr. L und Dr. K nach dem Verkauf im Jahr 2004 sowohl inhaltlich von einer reinen Verwaltungstätigkeit zu Tätigkeiten der Immobilienentwicklung geändert, als auch damit einhergehend dem Umfang nach erhöht habe.
41 Zur Frage des Vorliegens eines „faktischen Geschäftsführers“ führte das Bundesfinanzgericht aus, für alle Zeiträume (bereits seit Bestellung von Dr. L als Vorständin im Jahr 1997) habe kollektive Zeichnungsbefugnis gegolten. Gegen die vom Finanzamt entsprechend den Feststellungen im Rahmen der Außenprüfung getroffene Annahme, der neue Geschäftsführer Dr. S sei ungeachtet der formal vereinbarten kollektiven Zeichnungsbefugnis als „faktischer Geschäftsführer“ der Mitbeteiligten anzusehen, würden mehrere Umstände sprechen.
42 Die Außenprüfer hätten darin geirrt, dass die vorliegenden „Tätigkeitsberichte“ interne Tätigkeitsberichte innerhalb der Mitbeteiligten an Dr. S gewesen seien. Vielmehr werde darin von der Mitbeteiligten (unterfertigt von Dr. L) an die X GmbH (zu Händen Dr. S) über Immobilienentwicklungen der Mitbeteiligten für die X GmbH berichtet. Dass die Schreiben der Mitbeteiligten von Dr. L unterfertigt seien, dokumentiere nur, dass sie im Rahmen der Mitbeteiligten für die X GmbH tätig geworden sei. Diese „Tätigkeitsberichte“ seien zwar „zu Händen“ Dr. S (welcher auch Geschäftsführer der X GmbH gewesen sei) adressiert gewesen, aber ein internes Weisungsverhältnis von Dr. L gegenüber Dr. S könne daraus nicht abgeleitet werden. Aus den Protokollen der Aufsichtsratssitzungen der X GmbH aus den Jahren 2005 bis 2008 ergebe sich, dass sowohl Dr. L als auch Dr. K ab Verkauf der Anteile an der Mitbeteiligten mehrmals als Gäste in diesen Sitzungen anwesend gewesen seien und über laufende Immobilienentwicklungen der Mitbeteiligten für die X GmbH berichtet hätten. Den Protokollen seien teilweise Listen über die von der Mitbeteiligten für die X GmbH abgeschlossenen Immobilienprojekte beigelegt worden. Weiters seien die „Immobilienabschlüsse“ der Mitbeteiligten (unterfertigt von Dr. L oder Dr. K zusammen mit Dr. S) vorgelegt worden.
43 Die genannten Unterlagen dokumentierten, dass Dr. L und Dr. K sehr wohl im Rahmen der Mitbeteiligten für die X GmbH im Bereich Immobilienentwicklungen tätig geworden seien. Es wäre den Außenprüfern oblegen, schlüssige Beweise für die Annahme zu erbringen, es sei entgegen der zivilrechtlich vereinbarten kollektiven Vertretungsbefugnis faktisch eine alleinige Geschäftsführungsbefugnis von Dr. S gegeben gewesen.
44 Die Erweiterung des Aufgabenbereiches der bisherigen beiden Geschäftsführer spreche geradezu gegen die Annahme einer Änderung der organisatorischen Struktur im Sinne des Mantelkauftatbestandes.
45 Zusammengefasst ließen die vorliegenden Unterlagen nicht darauf schließen, dass Dr. S ab Verkauf an die L Service GmbH als alleiniger faktischer Geschäftsführer anzusehen sei. Vielmehr sei von der Mitbeteiligten glaubhaft dargelegt worden, dass von Dr. L und Dr. K im Sinne des „Immobilien Consulting Vertrages“, aber auch schon vor Inkrafttreten dieses Vertrages, im Rahmen der Mitbeteiligten Immobilienprojekte für Gesellschaften des X Konzerns (vor allem für die X GmbH) vermittelt bzw. gekauft worden seien.
46 Dies bedeute im Zusammenhang mit der Feststellung, dass vor dem Verkauf Immobilienentwicklungen nicht von der Mitbeteiligten (einer vormals reinen Holdinggesellschaft), sondern von Projektgesellschaften durchgeführt worden seien, eine Erweiterung des bisherigen Aufgabenbereiches der Geschäftsführer, womit auch eine Erhöhung der vereinbarten Geschäftsführerentgelte einhergegangen sei. Eine „Änderung der organisatorischen Struktur“ iSd Mantelkauftatbestandes wäre nur dann gegeben, wenn die Aufgabenbereiche der bisherigen Geschäftsführer reduziert worden bzw. weggefallen wären, was im vorliegenden Fall nicht zutreffe.
47 Mangels entscheidungsrelevanter Änderungen der organisatorischen Struktur sei das dritte Tatbestandserfordernis für den Mantelkauf nicht erfüllt. Da somit die drei kumulativ erforderlichen Tatbestände für das Vorliegen eines Mantelkaufes nicht gegeben seien, stehe der Mitbeteiligten der Verlustabzug in den verfahrensgegenständlichen Jahren zu.
48Zur im Rahmen der Außenprüfung herangezogenen Eventualbegründung des Vorliegens einer missbräuchlichen Gestaltung iSd § 22 BAO führte das Bundesfinanzgericht abschließend im Wesentlichen aus, das Vorbringen, wonach das jahrelang gesammelte Wissen der Mitbeteiligten und deren vormaliger Vorstände betreffend Immobilienentwicklungen im europäischen Raum für den Erwerb der Mitbeteiligten durch die L Service GmbH von wirtschaftlicher Bedeutung gewesen sei, erweise sich als schlüssig. Es sei allgemein bekannt, dass der M Konzern vor Konkurseröffnung im Jahr 1997 eines der führenden österreichischen Unternehmen im Bereich Immobilienentwicklung in (damals: Ost ) Deutschland und den sogenannten CEE Ländern gewesen sei. Auch die ebenso allgemein bekannte Tatsache, dass der X Konzern besonders ab dem Jahr 2004 enorm expandiert habe, mache diese Darstellung plausibel, sodass wirtschaftliche Gründe für den Erwerb der Mitbeteiligten nachvollziehbar seien.
49 Stellten somit nicht nur steuerliche Gründe (wie die von der Mitbeteiligten selbst eingeräumte Möglichkeit, die eigenen Verlustvorträge als Gruppenträger durch Ausgleich mit Gewinnen der Gesellschaften des X Konzerns zu verwerten), sondern auch wirtschaftliche Gründe das Motiv für den Erwerb einer Gesellschaft dar, so könne diese rechtliche Gestaltung nicht als Missbrauch gewertet werden. Der Missbrauchstatbestand sei somit nicht erfüllt.
50 Gegen dieses Erkenntnis, soweit es die Festsetzung der Körperschaftsteuer Gruppe betrifft, richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision. Zur Zulässigkeit wird darin u.a. vorgebracht, das Bundesfinanzgericht weiche von der näher genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wenn es davon ausgehe, dass bloße Vorbereitungshandlungen der vormaligen Eigentümer für einen geplanten Verkauf für die Verwirklichung des Mantelkauftatbestandes irrelevant seien. Auf die zeitliche Abfolge der Strukturänderungen komme es allerdings nicht an, entscheidend sei lediglich der planmäßige Zusammenhang zwischen den einzelnen Änderungen. Zusätzlich gehe das Bundesfinanzgericht offenbar davon aus, dass für einen planmäßigen Zusammenhang zwischen den organisatorischen Strukturänderungen und der Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Basis bereits ein konkreter Käufer gefunden sein müsse. Dies ergebe sich jedoch weder aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes noch aus dem Sinn und Zweck der Mantelkaufbestimmung.
51 Aufgrund dieser Rechtsansicht habe das Bundesfinanzgericht keine Feststellungen zum planmäßigen Zusammenhang zwischen den Änderungen im Vorstand im Jahr 2003 (Bestellung von Dr. K statt Dr. M als Vorstandsmitglied) und den späteren Strukturänderungen getroffen. Der planmäßige Zusammenhang liege im gegenständlichen Sachverhalt aber eindeutig vor, was schon allein durch die Anfrage an das zuständige Finanzamt vom Juni 2003 offenkundig sei. Zum Zeitpunkt der Änderungen im Vorstand im Jahr 2003 sei bereits ein entgeltlicher Verkauf geplant gewesen, womit auch eine Änderung der wirtschaftlichen Struktur geplant gewesen sei.
52 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssten nicht alle Merkmale der Strukturänderungen gleich stark ausgeprägt sein, um eine Änderung in der wirtschaftlichen Identität des Steuerpflichtigen herbeizuführen; entscheidend sei, ob die wirtschaftliche Identität der Gesellschaft nach dem Gesamtbild der Verhältnisse verloren gegangen sei. Das Bundesfinanzgericht habe aber keine Beurteilung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse vorgenommen.
53 Nach Einleitung des Vorverfahrens hat die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung eingebracht, in welcher u.a. die Zulässigkeit der Revision bestritten wird.
54 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
55 Die Revision ist zulässig und begründet.
56§ 8 Abs. 4 KStG 1988 in der in den Streitjahren geltenden Fassung lautete auszugsweise:
„(4) Folgende Ausgaben sind bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abzuziehen, soweit sie nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen:
1. [...]
2. Der Verlustabzug im Sinne des § 18 Abs. 6 und 7 des Einkommensteuergesetzes 1988. Der Verlustabzug steht ab jenem Zeitpunkt nicht mehr zu, ab dem die Identität des Steuerpflichtigen infolge einer wesentlichen Änderung der organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur im Zusammenhang mit einer wesentlichen Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wirtschaftlich nicht mehr gegeben ist (Mantelkauf). Dies gilt nicht, wenn diese Änderungen zum Zwecke der Sanierung des Steuerpflichtigen mit dem Ziel der Erhaltung eines wesentlichen Teiles betrieblicher Arbeitsplätze erfolgen. Verluste sind jedenfalls insoweit abzugsfähig, als infolge der Änderung der wirtschaftlichen Struktur bis zum Ende des Wirtschaftsjahres der Änderung stille Reserven steuerwirksam aufgedeckt werden.“
57 Der gesetzliche Mantelkauftatbestand bringt die Rechtsfolge des Untergangs des Verlustvortragsrechts mit einer wirtschaftlich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilendengesamthaften wesentlichen Änderung der Strukturen der Körperschaft innerhalb eines überschaubar kurzen Zeitraums in Verbindung. Voraussetzung für die Versagung des Verlustabzuges ist, dass es zwischen dem Zeitpunkt des Entstehens eines Verlustes und dem Zeitpunkt des Verlustabzuges zu einem Verlust der wirtschaftlichen Identität der Körperschaft gekommen ist. Die wirtschaftliche Identität geht verloren, wenn wesentliche Änderungen der wirtschaftlichen und der organisatorischen Struktur mit wesentlichen Änderungen der Gesellschafterstruktur einhergehen. Treten die Änderungen nicht in einem Jahr ein, so wird nur bei Vorliegen eines inneren Zusammenhangs zwischen den Etappen der Änderung von einem Mantelkauf auszugehen sein (vgl. zu alldem VwGH 24.6.2025, Ro 2023/15/0031, mwN).
58Wie in der Amtsrevision zutreffend dargelegt wird, entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nicht alle Merkmale der Strukturänderungen gleich stark ausgeprägt sein müssen, um eine Änderung in der wirtschaftlichen Identität einer Körperschaft herbeizuführen. Liegt etwa eine schwächer ausgeprägte Änderung der organisatorischen Struktur vor, kann auch eine starke Ausprägung der anderen Merkmale zur Anwendung der Mantelkaufbestimmung führen. Das vollkommene Fehlen eines der Tatbestandsmerkmale kann allerdings nicht durch eine starke Ausprägung der anderen Merkmale kompensiert werden (vgl. erneut VwGH 24.6.2025, Ro 2023/15/0031; 15.12.2021, Ro 2019/13/0008, jeweils mwN). Es kommt wie bereits ausgeführt auf das Gesamtbild der Verhältnisse an.
59 Im vorliegenden Fall hat das Bundesfinanzgericht die wesentliche Änderung der Gesellschafterstruktur und der wirtschaftlichen Struktur der Mitbeteiligten bejaht. Die wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur der Mitbeteiligten hat das Bundesfinanzgericht hingegen verneint, weil einerseits durch das Hinzutreten eines neuen Geschäftsführers zu den bestehenden zwei in formaler Hinsicht keine wesentliche Änderung eingetreten sei, andererseits sich die Aufgabenbereiche der beiden bestehenden Geschäftsführer nach dem Verkauf der Anteile an der Mitbeteiligten inhaltlich geändert und dem Umfang nach erhöht hätten. Dafür, dass der im Jahr 2003 erfolgte (damals) Vorstandswechsel (Dr. K anstatt Dr. M) bereits mit dem geplanten Verkauf der Anteile an der Mitbeteiligten an die L Service GmbH im planmäßigen Zusammenhang gestanden sei, lägen keine „stichhaltigen Sachverhaltsfeststellungen“ vor. Weiters führe der im Jahr 2004 neu hinzugetretene Geschäftsführer die Geschäfte des Mitbeteiligten faktisch auch nicht alleine.
60 Wie bereits ausgeführt, müssen nicht alle Merkmale der Strukturänderungen gleich stark ausgeprägt sein, um eine Änderung in der wirtschaftlichen Identität einer Körperschaft herbeizuführen.
61 Das Bundesfinanzgericht hat festgestellt, dass zum einen 100 % der Anteile an der Mitbeteiligten verkauft worden sind, zum anderen sich die wirtschaftliche Struktur der Mitbeteiligten aufgrund einer vollständigen Änderung des Vermögens (verbunden mit einem Anstieg des [Buchwerts des] Vermögens um etwa das 80-fache) sowie einer Änderung des Unternehmensgegenstandes wesentlich geändert habe.
62 Demnach war die wesentliche Änderung zweier der drei für die Verwirklichung des Mantelkauftatbestandes entscheidenden Strukturmerkmale besonders stark ausgeprägt. Der Verlust der wirtschaftlichen Identität der Mitbeteiligten hätte daher schon eintreten können, wenn das Merkmal der Änderung der organisatorischen Struktur auch nur schwach ausgeprägt war.
63Eine wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur liegt in der Regel dann vor, wenn alle oder die überwiegende Mehrheit der Mitglieder der Geschäftsführung in einem Zug oder bei Vorliegen eines inneren Zusammenhangs sukzessive wechseln. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist hinsichtlich der organisatorischen Struktur maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen, also auf jene Geschäftsführer, die faktisch die Geschäfte führen. Wird eine Organstellung nur formal beibehalten, während die faktische Geschäftsführung wechselt, bewirkt dies eine wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur. Solcherart kann ein bloß formales Beibehalten der Organwalterstellung die Wirkungen des Mantelkaufs nicht verhindern (vgl. erneut VwGH 15.12.2021, Ro 2019/13/0008).
64 Nach dieser Betrachtungsweise findet eine wenn auch nicht automatisch als wesentlich iSd Mantelkauftatbestandes anzusehendeÄnderung der organisatorischen Struktur stets dann statt, wenn es zu einem Wechsel in der Geschäftsführung einer Körperschaft kommt, wobei es diesbezüglich auf jene Personen ankommt, die die Geschäfte der Gesellschaft tatsächlich führen. Dies ist somit nicht nur dann der Fall, wenn ein neu hinzutretender Geschäftsführer die Geschäftsführung (von den bestehenden, damit nur formal beibehaltenen Geschäftsführern) tatsächlich übernimmt, sondern auch dann, wenn ein Geschäftsführer, der die Geschäfte tatsächlich führte, ausscheidet und die Geschäftsführung von bisher bloß formal als Geschäftsführer fungierenden Personen übernommen wird. Im Einzelfall kann auch ein faktischer Geschäftsführer, der nicht im Firmenbuch eingetragen ist, bedeutsam sein (siehe dazu VwGH 24.4.2024, Ro 2022/15/0040, mwN).
65 Letztlich ist nach einem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen, ob sich die organisatorische Struktur tatsächlich so wesentlich verändert hat, dass zusammen mit den anderen Strukturänderungendie Identität des Steuerpflichtigen nicht mehr gegeben ist und damit die Mantelkaufbestimmung zur Anwendung gelangt (vgl. erneut VwGH 15.12.2021, Ro 2019/13/0008).
66 Das Finanzamt bringt in der Amtsrevision vor, schon die Bestellung von Dr. K zum Vorstand im Jahr 2003 sei als erster relevanter Änderungsschritt der organisatorischen Struktur der Mitbeteiligten anzusehen. In dem an das Finanzamt gerichteten Auskunftsbegehren vom Juni 2003 sei offengelegt worden, dass eine Veräußerung der Anteile an der Mitbeteiligten geplant sei.
67 Mit diesem bereits im Rahmen der Außenprüfung thematisierten Aspekt sowie mit dem näheren Hintergrund der Verkaufsbestrebungen der Gesellschafter der Mitbeteiligten im Jahr 2003 hat sich das Bundesfinanzgericht nicht beschäftigt. Das angefochtene Erkenntnis enthält weder beweiswürdigende Erwägungen, noch entsprechende Feststellungen, die die getroffene Beurteilung, die Bestellung von Dr. K zum Vorstand der Mitbeteiligten sei in keinem Zusammenhang mit der Veräußerung der Anteile an der Mitbeteiligten im Jahr 2004 gestanden, tragen könnten.
68 Soweit das Bundesfinanzgericht die Rechtsansicht zu vertreten scheint, dass eine im Hinblick auf den geplanten Verkauf von Anteilen vorgenommene Bestellung eines Vorstands bzw. Geschäftsführers nur dann von Relevanz für die Erfüllung des Mantelkauftatbestandes ein könne, wenn der konkrete Käufer bereits feststeht, kann diese Sichtweise vom Verwaltungsgerichtshof in dieser Allgemeinheit nicht geteilt werden. Die Beurteilung der Änderung der organisatorischen Struktur hat wie bereits ausgeführt nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu erfolgen.
69 Was die Frage der in der Amtsrevision ebenfalls vorgebrachten faktischen Führung der Geschäfte betrifft, fällt zudem auf, dass nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts in den von der K Wirtschaftsprüfungs-GmbH an die Mitbeteiligte vorgelegten Honorarnoten für die Tätigkeit des Dr. K im Jahr 2003 keine Entgelte für eine Vorstandstätigkeit, sondern lediglich für die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater ausgewiesen sind. In den im Jahr 2004 gelegten Honorarnoten seien Entgelte für „Geschäftsführungs- bzw. Vorstandsagenden“ ausgewiesen, wobei die Höhe dieser Entgelte für die Tätigkeit in den Monaten Juli bis Dezember 2003 lediglich 4.675 € und für die Tätigkeit in den Monaten Jänner bis August 2004 (somit bis zur Veräußerung der Anteile an der Mitbeteiligten) lediglich 3.205 € betragen habe. Demgegenüber seien von der L Wirtschaftsservice GmbH für die Tätigkeit von Dr. L für das Jahr 2003 Entgelte in Höhe von rund 44.000 € und für die Monate Jänner bis August 2004 in Höhe von rund 39.000 € in Rechnung gestellt worden.
70 Festgestellt wurde weiters, dass die K Wirtschaftsprüfungs-GmbH bis Februar 2004 die steuerliche Vertretung der Mitbeteiligten wahrgenommen habe, womit die von ihr gestellten Honorarnoten nicht nur die Leistungen von Dr. K als Vorstandsmitglied der Mitbeteiligten, sondern vor allem seine Leistungen und die Leistungen seiner Mitarbeiter als steuerlicher Vertreter der Mitbeteiligten betroffen hätten.
71 Mit der Frage, ob angesichts dieser Umständezumal das Bundesfinanzgericht die Höhe der Geschäftsführer- bzw. Vorstandsentgelte als für die Beurteilung des Vorliegens einer Änderung der organisatorischen Struktur relevant ansieht (was im Ergebnis zutreffend ist; vgl. dazu erneut VwGH 15.12.2021, Ro 2019/13/0008)davon ausgegangen werden kann, dass Dr. K nicht nur formal zum Vorstand bestellt wurde (etwa im Hinblick auf die geplante Veräußerung der Anteile an der Mitbeteiligten), sondern auch faktisch Vorstandstätigkeiten wahrgenommen und ausgeübt hat, hat sich das Bundesfinanzgericht ebenfalls nicht beschäftigt. Es hat sich auch nicht mit der Frage beschäftigt, inwieweit die Bestellung eines weiteren Vorstands (Dr. K) vor dem Hintergrund des Umfangs der zum damaligen Zeitpunkt entfalteten wirtschaftlichen Aktivitäten der Mitbeteiligten gerechtfertigt werden könnte (siehe dazu erneut VwGH 15.12.2021, Ro 2019/13/0008).
72 Wäre Dr. K vor der Veräußerung der Anteile an der Mitbeteiligten nicht als „faktischer Vorstand“ anzusehen (diesfalls würde sich die Frage stellen, ob Dr. L die Geschäfte der Mitbeteiligten tatsächlich alleine oder gemeinsam mit weiteren Geschäftsführern geführt hat), und hätten danach alle drei bestellten Geschäftsführer (Dr. L, Dr. K und der neu bestellte Dr. S) die Geschäfte der Mitbeteiligten auch tatsächlich geführt wovon das Bundesfinanzgericht offensichtlich ausgeht, wenn es das Vorliegen eines Geschäftsführers, der die Geschäfte faktisch führte, neben den bloß formal bestellten verneint , wäre eine wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur der Mitbeteiligten jedenfalls eingetreten.
73 Zusammengefasst ist daher festzuhalten, dass das angefochtene Erkenntnis mit einem wesentlichen Begründungsmangel belastet ist, weil das Bundesfinanzgericht den Eintritt einer wesentlichen Änderung der organisatorischen Struktur der Mitbeteiligten verneint hat, ohne sich mit den für diese Beurteilung maßgeblichen Aspekten ausreichend auseinanderzusetzen.
74Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Wien, am 30. September 2025