JudikaturVwGH

Ra 2023/11/0135 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
10. März 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Kronegger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Oberwart gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 9. Mai 2023, Zl. E F01/13/2023.003/005, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (mitbeteiligte Partei: G F, vertreten durch Dr. Gerhard Pail, Rechtsanwalt in 7400 Oberwart, Evangelische Kirchengasse 2), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Bescheid der nunmehrigen Revisionswerberin vom 9. Jänner 2023 wurde dem Mitbeteiligten gemäß § 24 Abs. 1 Z 1, § 26 Abs. 2 Z 5 und § 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 Z 1 sowie § 25 Abs. 1 Führerscheingesetz (FSG) die Lenkberechtigung für bestimmte Klassen wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von zwölf Monaten ab Zustellung des Bescheides entzogen sowie ausgesprochen, dass der Führerschein binnen bestimmter Frist bei der Revisionswerberin abzuliefern sei und für die Dauer der Entziehung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden dürfe. Gemäß § 24 Abs. 3 FSG wurden eine Nachschulung und die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme sowie eines amtsärztlichen Gutachtens angeordnet. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde ausgeschlossen.

2 Die Revisionswerberin legte dem Bescheid auf das für den Revisionsfall Wesentliche zusammengefasst zu Grunde, der Mitbeteiligte habe am 6. August 2022 einen PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft 0,83 mg/l) gelenkt und dadurch § 99 Abs. 1 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) übertreten. Dabei habe er einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und Fahrerflucht begangen. Bei der in § 26 Abs. 2 Z 5 FSG angeführten Entziehungsdauer handle es sich um eine Mindestentziehungsdauer. Wenn jemand bei einem Alkoholdelikt einen Verkehrsunfall verursacht, sei „diese Entzugszeit entsprechend zu erhöhen“.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Burgenland der vom Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung teilweise statt und änderte ihn dahingehend ab, dass die Entziehung der Lenkberechtigung für die Dauer von zehn Monaten ab 12. Jänner 2023 gelte. Es stellte die Begehung des Alkoholdelikts fest, weswegen der Mitbeteiligte mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 8. Mai 2023 rechtskräftig gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 bestraft worden sei. Weiters stellte es fest, dass im Führerscheinregister eine Entziehung der Lenkberechtigung des Mitbeteiligten mit Bescheid der Revisionswerberin vom 8. Mai 2019 für die Dauer von fünf Monaten wegen einer Übertretung von § 99 Abs. 1a StVO 1960 aufscheine. Die Voraussetzungen für eine längere als die zehnmonatige Mindestentziehungsdauer gemäß § 26 Abs. 2 Z 5 FSG seien im Revisionsfall nicht gegeben, weil „auch für den Fall des Verursachens eines Parkschadens, wie von der belangten Behörde angenommen“ keine Umstände vorlägen, die die Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit für einen über die Mindestentziehungszeit hinausreichenden Zeitraum rechtfertigen würden. Die Entziehungsdauer sei daher auf das Mindestmaß von zehn Monaten zu reduzieren. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, zu der der Mitbeteiligte im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung erstattete.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 In der demnach für die Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung wird geltend gemacht, es liege keine das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts stützende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. § 26 Abs. 1 Z 2 FSG zeige, welche Bedeutung der Gesetzgeber einem Verkehrsunfall beimesse: Diese Bestimmung normiere bei einem bestimmten Alkoholgehalt eine Verlängerung der Mindestentziehungsdauer um zwei Monate, „wenn der Lenker bei Begehung dieser Übertretung einen Verkehrsunfall verschuldet“. Nach dem Gesetzeswortlaut komme es nicht darauf an, ob nur ein Sachschaden oder auch ein Personenschaden entstanden sei. Es handle sich um eine fixe zusätzliche Entziehungsdauer, die nicht je nach Ausmaß des Verschuldens oder der Unfallfolgen im Ermessen der Führerscheinbehörde stehe. Auch gemäß § 7 Abs. 4 FSG komme es bei der Wertung der „bestimmten Tatsache“ zwar auf deren Verwerflichkeit, jedoch nicht auf die Folgen an. Da der Mitbeteiligte im Revisionsfall § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 übertreten und dabei einen Verkehrsunfall verursacht und Fahrerflucht begangen habe, lägen „Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der strafbaren Handlung“ vor, weshalb zu Recht die Entziehungsdauer um zwei Monate „aufgrund des verursachten Verkehrsunfalls“ verlängert worden sei.

9 Damit wird eine Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B VG nicht aufgezeigt:

10 Das Revisionsvorbringen geht zusammengefasst davon aus, dass bei Verschulden eines Verkehrsunfalls bei Begehung eines Delikts gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 die gemäß § 26 Abs. 2 Z 5 FSG festzusetzende Entziehungsdauer in jedem Fall um zwei Monate zu verlängern wäre.

11 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stehen die in § 26 Abs. 1 und 2 FSG normierten Mindestentziehungszeiten dem Ausspruch einer Entziehung für einen längeren Zeitraum dann nicht entgegen, wenn Umstände vorliegen, die auf Grund der Verwerflichkeit und Gefährlichkeit der strafbaren Handlung die Prognose der Verkehrsunzuverlässigkeit für einen über die Mindestentziehungszeit hinausreichenden Zeitraum rechtfertigen und somit die Festsetzung einer längeren Entziehungsdauer erforderlich machen. Die Festsetzung einer über die jeweilige Mindestzeit nach § 26 FSG hinausreichenden Entziehungsdauer hat nach der allgemeinen Regel des § 25 Abs. 3 FSG zu erfolgen, d.h. die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht darf über eine solche Mindestentziehungszeit nur insoweit hinausgehen, als der Betreffende für einen die Mindestentziehungsdauer überschreitenden Zeitraum verkehrsunzuverlässig ist (vgl. VwGH 17.3.2022, Ra 2021/11/0059 , mwN).

12 Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit einem Alkoholdelikt gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960 ausgesprochen, dass es bei der Verkehrsunzuverlässigkeitsprognose zu Lasten des Betreffenden berücksichtigt werden und das Überschreiten der Mindestentziehungsdauer rechtfertigen kann, wenn dieser zusätzlich zur Begehung eines Alkoholdeliktes auch einen Verkehrsunfall verschuldet hat (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/11/0231, mwN). Dass es in einem solchen Fall zwingend dh. unabhängig von einer Wertung des konkreten Falles zu einer Verlängerung der Mindestentziehungsdauer um zwei Monate kommen müsse, ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, die auf den vorliegenden Fall eines Alkoholdelikts gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO übertragbar ist, aber nicht.

13 Bei der im Revisionsfall erfolgten Beurteilung des Verwaltungsgerichts, es liege keine über die Mindestentziehungsdauer von zehn Monaten hinausreichende Verkehrsunzuverlässigkeit des Mitbeteiligten vor, handelt es sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, die wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel ist (VwGH 12.11.2024, Ra 2024/11/0027, mwN). Eine nach diesen Kriterien im Revisionsverfahren aufzugreifende Fehlbeurteilung des vorliegenden Einzelfalls durch das Verwaltungsgericht zeigt die Revision nicht auf.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

15 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 10. März 2025

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