Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm, die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kreil, über die Revision der A K, in A (Deutschland), vertreten durch H W, in Ü (Deutschland), als bestellter Erwachsenenvertreter, dieser vertreten durch Mag. a Talia Cetin, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Bräunerstraße 3/2. Stock/Tür 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2022, Zl. W200 2207048 1/29E, betreffend Hilfeleistung nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 1. Die Revisionswerberin ist ein anerkanntes Verbrechensopfer. Ihr wurde bescheidmäßig ab 1. März 2014 eine Pflegezulage in Höhe der Stufe II bewilligt. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ein Antrag der Revisionswerberin auf Erhöhung der Pflegestufe, welcher im Wesentlichen darauf gründet, dass die Revisionswerberin an durch die ihr verordnete Medikation verursachten Herzbeschwerden leide. Zur Vorgeschichte wird im Übrigen auf das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2021, Ra 2019/11/0147, verwiesen.
2 2. Mit dem hier angefochtenen, im zweiten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den behördlichen Bescheid erneut ab und sprach aus, „es liegt ein Ausschlussgrund gemäß § 8 Abs. 1 Z 4 VOG vor“ (Spruchpunkt A). Unter einem sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B).
3 Begründend führte das BVwG soweit hier von Relevanz Folgendes aus:
4 Zur Prüfung der Voraussetzungen der von der Revisionswerberin begehrten Hilfeleistung sei es erforderlich, ein Sachverständigengutachten der Fachrichtung Innere Medizin/Kardiologie einzuholen. Für die Gutachtenserstellung bzw. Feststellung, „ob die von der 79jährigen [Revisionswerberin] eingenommenen suizidvorbeugenden Medikamente für die bei ihr aktuell vorliegende hypertensive Cardiomyopathie“ mit näher genannten Beschwerden kausal gewesen seien, bedürfe es „internistischer Unterlagen über den Gesundheitszustand der [Revisionswerberin] betreffend ihr Herzleiden der letzten Jahre“. In diesem Zusammenhang listete das BVwG auch auf, welche Unterlagen bereits vorliegen würden.
5 Mit Verfahrensanordnung vom 5. Mai 2022 habe das BVwG den Auftrag erteilt, binnen drei Wochen Unterlagen der letzten zehn Jahre vorzulegen, weil diese als Grundlage für das einzuholende internistische Gutachten notwendig seien, und zwar 1.) Aufzeichnungen der von der Revisionswerberin aufgesuchten Fachärzt/innen für innere Medizin bzw. Kardiologie über deren Besuche bzw. der von diesen bei ihr durchgeführten Hausbesuche (Befund, Diagnosen, Arztbriefe, ... in Kopie), 2.) Auflistung der von Fachärzt/innen für innere Medizin bzw. Kardiologie verordnenden Medikamente (Rezepte in Kopie) und 3.) Aufzeichnungen über die wegen ihrer kardialen gesundheitlichen Situation notwendigen stationären Krankhausaufenthalte (Entlassungsbriefe ...).
6 Diese Verfahrensanordnung sei letztlich am 29. Juni 2022 an den bekanntgegebenen neuen Rechtsvertreter der Revisionswerberin zugestellt worden und im Juli 2022 erneut an den Rechtsvertreter der Revisionswerberin ergangen, wobei sie um den Auftrag, Unterlagen über den Besuch beim Internisten vom 5. Juli 2022 vorzulegen, ergänzt worden sei. In dieser Anordnung sei darauf hingewiesen worden, dass es sich hierbei um ärztliche Unterlagen handeln müsse. Beschreibungen des Ehemannes als pflegende Person seien hierzu nicht ausreichend.
Am 19. August 2022 sei beim BVwG ein Antrag des Rechtsvertreters auf Fristerstreckung bis 31. Oktober 2022 betreffend die Vorlage der Unterlagen eingelangt. Diesem sei stattgegeben worden.
7 Am 31. Oktober 2022 sei beim BVwG ein Antrag des Rechtsvertreters auf neuerliche Fristerstreckung bis 30. November 2022 eingegangen. Auch diesem sei stattgegeben worden. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses am 2. Dezember 2022 seien beim Bundesverwaltungsgericht keine Unterlagen eingelangt gewesen. Den diesbezüglichen Verfahrensanordnungen, diese Unterlagen vorzulegen, sei die Revisionswerberin damit trotz zweimaliger Fristerstreckung nicht nachgekommen.
8 In rechtlicher Hinsicht führte das BVwG aus: Österreichische Staatsbürger hätten gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 VOG Anspruch auf Hilfe, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, dass sie durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten hätten und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen seien oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert sei. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Z 1 VOG lägen im gegenständlichen Fall jeweils vor. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 4 VOG seien jene Opfer von den Hilfeleistungen ausgeschlossen, die es schuldhaft unterlassen hätten, zur Feststellung des Schadens beizutragen.
9 Aufgrund des Beschwerdevorbringens und der im Rahmen des Verfahrens erhobenen Einwendungen sei zur Prüfung der Voraussetzungen für die begehrte Hilfeleistung nach dem VOG die Einholung eines medizinischen Sachverständigenbeweises für die Entscheidungsfindung unerlässlich, um feststellen zu können, ob die von der Revisionswerberin eingenommenen Medikamente für die bei ihr vorgebrachten Beschwerden einer hypertensiven Cardiomyopathie kausal seien. Für eine entsprechende Beurteilung seien medizinische Belege über den kardialen Zustand der Revisionswerberin während der letzten Jahre vor der Antragsstellung notwendig. Trotz zweimaliger Fristerstreckung betreffend die erlassene Verfahrensanordnung zur Vorlage entsprechender Unterlagen seien von der Revisionswerberin keine solchen vorgelegt worden. Eine Begründung, wieso dies nicht möglich sei, wäre nicht vorgebracht worden. Da die Revisionswerberin bzw. ihr Rechtsvertreter somit der schriftlichen Aufforderung des BVwG zu einer erforderlichen und zumutbaren Vorlage der geforderten Unterlagen nicht Folge geleistet hätten, hätten diese es schuldhaft unterlassen, zur Feststellung des Schadens beizutragen.
10 3. Mit Beschluss vom 27. Februar 2023, E 142/2023 5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
11 4. In der Folge brachte die Revisionswerberin gegenständliche Revision ein. Die belangte Behörde erstattete nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof eine Revisionsbeantwortung, in welcher sie die Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision beantragte.
12 5.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 5.2. Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit ihrer Revision zunächst vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, „ob § 8 Abs 1 VOG [vom] BVwG [...] überhaupt herangezogen werden kann“.
16 Das bloße Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer Rechtsfrage führt nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Revision (vgl. etwa VwGH 16.11.2023, Ra 2021/06/0160, 0161, mwN;). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt dann nicht vor, wenn es trotz fehlender Rechtsprechung auf Grund der eindeutigen Rechtslage keiner Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf (vgl. zB VwGH 8.8.2019, Ra 2018/04/0110, mwN).
17 Ein solcher Fall liegt hier vor:
18 Gemäß § 8 Abs. 1 Z 4 VOG sind von den Hilfeleistungen Opfer ausgeschlossen, die es schuldhaft unterlassen haben, zur Aufklärung der Tat, zur Ausforschung des Täters oder zur Feststellung des Schadens beizutragen.
19 Dass diese Bestimmung von jenen Behörden bzw. Gerichten anzuwenden ist, die über die begehrte Hilfeleistung zu entscheiden haben, im Revisionsfall also vom im Beschwerdeweg zur Entscheidung berufenen BVwG (vgl. § 9d Abs. 1 VOG), liegt auf der Hand.
20 Mit dem bloßen Hinweis der Revisionswerberin auf näher genannte Entscheidungen des BVwG, von denen das angefochtene Erkenntnis abweiche, wird von der Revision schon deshalb keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG dargetan, weil das Zitieren von Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zur Darlegung eines Abweichens des angefochtenen Erkenntnisses von der Judikatur der Höchstgerichte von Vornherein nicht geeignet ist (vgl. VwGH 17.9.2020, Ra 2020/01/0315).
21 Die Revisionswerberin bringt in der Zulässigkeitsbegründung letztlich vor, sie sei „stets ihrer Mitwirkungspflicht im Verfahren nachgekommen.“; sie bzw. ihre Rechtsvertretung sei „stets sämtlichen Aufforderungen und Verfahrensanordnungen [nachgekommen]“. Mangels des schuldhaften Unterlassens der Mitwirkung bei der Feststellung des Schadens liege kein Fall des § 8 Abs. 1 Z 4 VOG vor.
22 Sowohl aus dem angefochtenen Erkenntnis als auch aus der Aktenlage ergibt sich, dass die anwaltlich vertretene Revisionswerberin die zweite Erstreckung der Frist zur Vorlage der geforderten medizinischen Unterlagen ohne Weiteres verstreichen ließ. Das pauschale Vorbringen der Revisionswerberin, sie sei stets sämtlichen Aufforderungen und Verfahrensanordnungen nachgekommen, steht insofern in Widerspruch zum festgestellten Sachverhalt. Daraus ergibt sich, dass die Revisionswerberin anwaltlich vertreten die für die Urkundenvorlage gesetzte Frist entgegen der anzuwendenden Sorgfalt ungenützt verstreichen ließ.
23 5.4. In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 23. Juli 2024
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