Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision der Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Graz gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 13. Juni 2023, Zl. LVwG 52.28 1310/2023 4, betreffend einen forstpolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Dipl. Ing. F J in G, vertreten durch Dr. Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 12), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Graz der belangten Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und nunmehrigen amtsrevisionswerbenden Parteivom 21. März 2023 wurde dem Mitbeteiligten gemäß § 16 Forstgesetz 1975 (im Folgenden: ForstG) die Entfernung der auf einem näher bezeichneten Waldgrundstück, auf einer planbelegten Fläche im Ausmaß von 153,30 m 2befindlichen Abfallablagerungen bestehend aus Bauschutt, Betonabbruch, Kunststoffabfällen, Asbestzement und Buntglasscherben unter näher genannten Auflagen bis längstens 31. Mai 2023 aufgetragen. Zudem wurde der Mitbeteiligte gemäß § 77 AVG zur Bezahlung von Kommissionsgebühren in der Höhe von € 150,00 verpflichtet.
2 Zur Begründung führte die amtsrevisionswerbende Partei gestützt auf ein Gutachten eines abfalltechnischen Amtssachverständigen aus, dass die Abfallablagerung von einem Nachbargrundstück stamme, dessen grundbücherlicher Eigentümer der Mitbeteiligte sei. Die Abfälle seien durch Abrutschen vom diesem Grundstück auf das verfahrensgegenständliche Waldgrundstück gelangt und dem Mitbeteiligten zuzurechnen, weil dieser die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen habe, das Abrutschen zu verhindern.
3 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde, in welcher er im Wesentlichen vorbrachte, die amtsrevisionswerbende Partei habe eine unrichtige rechtliche Beurteilung getroffen und den Sachverhalt mangelhaft festgestellt, da die Abfallteile nicht vom Mitbeteiligten stammten.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht) dieser Beschwerde statt und hob den angefochtenen Bescheid ersatzlos auf. Weiters sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.
5Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass die im Bescheid beschriebenen Abfälle nach den Schlussfolgerungen des abfalltechnischen Amtssachverständigen durch Abrutschen vom Grundstück des Mitbeteiligten auf das verfahrensgegenständliche Waldgrundstück gelangt seien. „Abgelagert“ im Sinne des § 16 Abs. 2 lit. d und Abs. 4 ForstG werde Abfall dann, wenn er (mit Fahrzeugen) antransportiert werde. Der Begriff sei unabhängig von abfallwirtschaftsrechtlichen Überlegungen auszulegen. Damit unterscheide sich abgelagerter Abfall auch von „weggeworfenem“ Abfall im Sinne des § 16 Abs. 4 ForstG, der mitgetragen und nicht antransportiert werde. Dass der im Wald vorgefundene Abfall vom Mitbeteiligten dorthin antransportiert und abgelagert worden sei, habe das abfalltechnische Gutachten der Behörde aber nicht ergeben. Dass jemand Abfall mit Entledigungsabsicht mittelbar abgelagert habe, indem er diesen an der Waldgrenze mit der Absicht abgelegt habe, dass er aufgrund der Erosionsrichtung in den Wald gelange, habe sich ebenfalls nicht ergeben. Die Beschwerde zeige daher erfolgreich eine Rechtswidrigkeit des Bescheides auf, weshalb dieser ersatzlos zu beheben gewesen sei. Auf das weitere Beschwerdevorbringen sei daher nicht mehr einzugehen gewesen.
6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision.
7 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8Die vorliegende außerordentliche Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit unter anderem vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, was unter „Ablagern“ iSd § 16 Abs. 2 lit. d und Abs. 4 ForstG zu verstehen sei und ob darunter auch ein Vorgang zu subsumieren sei, bei dem Abfall durch nicht verhindertes erosionsbedingtes Abrutschen auf Waldboden gelangt.
9 Die Revision ist zulässig und begründet:
10 Das Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440/1975 idF BGBl. I Nr. 56/2016, lautet auszugsweise:
„ Nachhaltigkeit
§ 1. (1) Der Wald mit seinen Wirkungen auf den Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen ist eine wesentliche Grundlage für die ökologische, ökonomische und soziale Entwicklung Österreichs. Seine nachhaltige Bewirtschaftung, Pflege und sein Schutz sind Grundlage zur Sicherung seiner multifunktionellen Wirkungen hinsichtlich Nutzung, Schutz, Wohlfahrt und Erholung.
(2) Ziel dieses Bundesgesetzes ist
1. die Erhaltung des Waldes und des Waldbodens,
2. die Sicherstellung einer Waldbehandlung, dass die Produktionskraft des Bodens erhalten und seine Wirkungen im Sinne des § 6 Abs. 2 nachhaltig gesichert bleiben und
3. die Sicherstellung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung.
[...]
Waldverwüstung
§ 16. (1) Jede Waldverwüstung ist verboten. Dieses Verbot richtet sich gegen jedermann.
(2) Eine Waldverwüstung liegt vor, wenn durch Handlungen oder Unterlassungen
[...]
d) der Bewuchs offenbar einer flächenhaften Gefährdung, insbesondere durch Wind, Schnee, wildlebende Tiere mit Ausnahme der jagdbaren, unsachgemäße Düngung, Immissionen aller Art, ausgenommen solche gemäß § 47, ausgesetzt wird oder Abfall (wie Müll, Gerümpel, Klärschlamm) abgelagert wird.
(3) Wurde eine Waldverwüstung festgestellt, so hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Abstellung der Waldverwüstung und zur Beseitigung der Folgen derselben vorzukehren. Insbesondere kann sie hiebei in den Fällen des Abs. 2 eine bestimmte Nutzungsart vorschreiben, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist jede Fällung an eine behördliche Bewilligung binden oder anordnen, daß der Verursacher die Gefährdung und deren Folgewirkungen in der Natur abzustellen oder zu beseitigen hat. Privatrechtliche Ansprüche des Waldeigentümers bleiben unberührt.
(4) Wurde Abfall im Wald abgelagert (Abs. 2 lit. d) oder weggeworfen (§ 174 Abs. 3 lit. c), so hat die Behörde die Person, die die Ablagerung des Abfalls vorgenommen hat oder die hiefür verantwortlich ist, festzustellen und ihr die Entfernung des Abfalls aus dem Wald aufzutragen. Läßt sich eine solche Person nicht feststellen, so hat die Behörde der Gemeinde, in deren örtlichem Bereich die Ablagerung des Abfalls im Wald erfolgt ist, die Entfernung des Abfalls auf deren Kosten aufzutragen. Wird die Person nachträglich festgestellt, so hat ihr die Behörde den Ersatz dieser Kosten vorzuschreiben. Die von der Gemeinde zu besorgende Aufgabe ist eine solche des eigenen Wirkungsbereiches.
[...]“
11Das Verwaltungsgericht begründete die angefochtene Entscheidung damit, dass Abfall dann iSd § 16 Abs. 2 lit. d und Abs. 4 ForstG als „abgelagert“ gelte, wenn er (mit Fahrzeugen) antransportiert werde. Dies sei im vorliegenden Fall aber nicht geschehen, weshalb dem Mitbeteiligten zu Unrecht die Entfernung des Abfalls gemäß § 16 Abs. 4 ForstG aufgetragen worden sei.
12Zu dieser Interpretation gelangte das Verwaltungsgericht offenbar aufgrund der Ausführungen im Ausschussbericht zur Forstgesetz-Novelle 1987. Darin wird zu § 16 Abs. 2 lit. d ForstG (AB 285 BlgNR 27. GP, 4) darauf verwiesen, dass von „Ablagern“ von Abfall, das auch dann als Waldverwüstung gelte, wenn es nicht flächenhaft erfolge, „im Regelfall“ dann gesprochen werden könne, wenn der Abfall mit einem Fahrzeug zum Zweck der Beseitigung in den Wald transportiert werde.
13Der Begriff der Ablagerung von Abfall ist im ForstG nicht definiert. Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass der Begriff des „Ablagerns“ von Abfall iSd § 16 Abs. 2 lit. d und Abs. 4 ForstG grundsätzlich unabhängig von abfallwirtschaftsrechtlichen Überlegungen auszulegen ist (vgl. zur autonomen Auslegung dieses Begriffes nach dem Oö. Natur und Landschaftsschutzgesetz 2001 VwGH 27.11.2012, 2012/10/0086). Weiters wurde bislang ausgesprochen, dass unter einem „Ablagern“ etwas Langfristiges zu verstehen ist (vgl. VwGH 27.11.2012, 2009/10/0088).
14Gemäß § 16 Abs. 2 lit. d ForstG liegt eine Waldverwüstung unter anderem dann vor, wenn durch Handlungen oder Unterlassungen Abfall (wie Müll, Gerümpel, Klärschlamm) abgelagert wird. Dass Waldverwüstungen dementsprechend auch durch Unterlassungen verursacht werden können, war schon in der Stammfassung dieser Bestimmung vorgesehen (vgl. § 16 ForstG idF BGBl. Nr. 440/1975).
15 Schon der Umstand, dass nach dem Gesetzeswortlaut eine Unterlassung eine Ablagerung verursachen kann, zeigt die Unrichtigkeit der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung, dass lediglich das In den WaldTransportieren von Abfall mit einem Fahrzeug als Ablagerung iSd § 16 Abs. 2 lit. d und Abs. 4 ForstG gelte, auf. Darüber hinaus kann sich das Verwaltungsgericht hierfür gerade nicht auf den genannten Ausschussbericht stützen, weil sich schon aus der darin verwendeten Formulierung „im Regelfall“ ableiten lässt, dass auch andere (seltenere) Umstände eintreten können, die die Einordnung einer Handlung oder Unterlassung als Ablagerung von Abfall rechtfertigen. Dem Gesetzgeber darf also nicht unterstellt werden, dass er bei der Qualifizierung einer Handlung oder Unterlassung als „Ablagerung“ nur den im Ausschussbericht beispielhaft angeführten Fall vor Augen hatte.
16Aus der expliziten Erwähnung von sowohl Handlungen als auch Unterlassungen in § 16 Abs. 2 ForstG sowie angesichts der in § 1 Abs. 2 ForstG normierten Ziele dieses Gesetzes, insbesondere jenes der Walderhaltung, und unter Berücksichtigung des Zwecks des § 16 ForstG, nämlich jede Waldverwüstung zu verhindern oder abzustellen, kann vielmehr geschlossen werden, dass der Begriff des Ablagerns iSd § 16 Abs. 2 lit. d und Abs. 4 ForstG möglichst umfassend auszulegen ist.
17Entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes kann daher auch ein Fall, wie ihn die Behörde angenommen hat, nämlich das durch mangelnde Sorgfalt verursachte Abrutschen von Abfall in einen Wald mit der Folge, dass er dort langfristig verbleibt, eine Ablagerung von Abfall iSd § 16 Abs. 2 lit. d und Abs. 4 ForstG darstellen.
18Ausgehend von der unzutreffenden Rechtsansicht, dass nur das Antransportieren (mit einem Fahrzeug) von Abfall eine Ablagerung iSd § 16 Abs. 2 lit. d und Abs. 4 ForstG darstellen könne, hat es das Verwaltungsgericht auch unterlassen, Sachverhaltsfeststellungen, die eine Beurteilung erlauben, durch wen die unstrittig vorgefundenen Abfälle tatsächlich in den Wald gelangt sind und wer dafür verantwortlich ist, zu treffen und sich mit dem Beschwerdevorbringen des Mitbeteiligten, der seine Verantwortung mit näherer Begründung bestritt, auseinanderzusetzen. Zur Frage, wer für das Ablagern der Abfälle verantwortlich ist, liegt daher ein sekundärer Feststellungsmangel vor.
19Aus diesen Gründen war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Auf das übrige Revisionsvorbringen war daher nicht weiter einzugehen.
Wien, am 12. Dezember 2024