JudikaturVwGH

Ra 2023/10/0336 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
30. August 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision des Prof. Dr. A S in W, vertreten durch die Greiml Horwath RechtsanwaltsPartnerschaft in 8010 Graz, Conrad von Hötzendorf Straße 6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 5. April 2023, VGW 001/076/7136/2022 20, betreffend Verwaltungsübertretungen nach dem Wiener Nationalparkgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Aus dem Akteninhalt ergibt sich folgender unbestrittener Sachverhalt:

2 Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 5. April 2023, mit welchem dieses unter anderem die Beschwerde des Revisionswerbers gegen ein Straferkenntnis der belangten Behörde abwies, wurde für diesen nach einem erfolglosen Zustellversuch ab 11. April 2023 zur Abholung bereitgehalten. Eine entsprechende Hinterlegungsanzeige wurde am 11. April 2023 an der Zustelladresse eingelegt. Der Revisionswerber behob das Dokument nach seinem eigenen Vorbringen in der Stellungnahme vom 31. Juli 2023 am 13. April 2023 persönlich. Am 23. Mai 2023 brachte der Revisionswerber per ERV um 16.53 Uhr eine außerordentliche Revision gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes beim Verwaltungsgerichtshof ein. Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 2023 wurde diese Revision dem Verwaltungsgericht Wien zuständigkeitshalber übermittelt. Am 24. Mai 2023 brachte der Revisionswerber die Revision beim Verwaltungsgericht Wien ein.

3 Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 2023 wurde dem Revisionswerber die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Vorhalt eingeräumt, dass sich die von ihm erhobene Revision angesichts der Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses am 11. April 2023 als verspätet eingebracht erweise.

4 Hierzu nahm der Revisionswerber dahingehend Stellung, er habe sich zu diesem Zeitpunkt in der Steiermark befunden und sei daher ortsabwesend gewesen. Dieser Aufenthalt sei dadurch bedingt gewesen, dass er einen Unfall erlitten und sich eine Achillessehnenruptur zugezogen habe. Seine Schwiegermutter habe ihn gepflegt. „Erst beim nächsten Wienbesuch an dem ein ambulanter Kontrolltermin angesagt war hat der Revisionswerber von der Hinterlegung erfahren und sodann das Poststück behoben. [...] Da der Revisionswerber am 13.4.2023 an die Abgabestelle zurückgekehrt ist und es ihm nicht möglich war, bis zu diesem Tag von der Hinterlegung eines Poststückes Kenntnis zu erlangen, gilt der 14.4.2023 als Tag der Zustellung, dementsprechend ist die sechswöchige Revisionsfrist am 26.5.2023 abgelaufen und die eingebrachte Revision rechtzeitig und nicht verspätet.“

Angeschlossen war dieser Stellungnahme eine „Bestätigung“ des Revisionswerbers zu der von ihm vorgebrachten Ortsabwesenheit und der Abholung des verfahrensgegenständlichen Erkenntnisses am 13. April 2023.

5 Ausgehend von diesem Sachverhalt ergibt sich in rechtlicher Hinsicht:

6 Aus dem Rückschein betreffend die Zustellung des angefochtenen Erkenntnisses ergibt sich, dass dieses durch Hinterlegung gemäß § 17 ZustG zugestellt wurde, wobei das zuzustellende Dokument ab 11. April 2023 zur Abholung bereitgehalten wurde. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt (vgl. § 17 Abs. 3 ZustG). Ausgehend von diesen aktenkundigen Tatsachen endete die sechswöchige Frist des § 26 Abs. 1 VwGG zur Erhebung der Revision am 23. Mai 2023, weshalb sich die am 24. Mai 2023 rechtswirksam (beim Verwaltungsgericht; § 24 Abs. 1 VwGG) eingebrachte Revision als verspätet erweist.

7 Den Ausführungen des Revisionswerbers zum Verspätungsvorhalt ist Folgendes zu entgegnen:

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird die durch den dritten Satz des § 17 Abs. 3 ZustG normierte Zustellwirkung der Hinterlegung nicht durch die Abwesenheit von der Abgabestelle schlechthin, sondern nur durch eine solche Abwesenheit von der Abgabestelle ausgeschlossen, die bewirkt, dass der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (vgl. VwGH 8.11.2022, Ra 2022/04/0114, mwN). „Rechtzeitig“ im Sinne des § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustG ist dahingehend zu verstehen, dass dem Empfänger noch jener Zeitraum für ein Rechtsmittel zur Verfügung steht, der ihm auch im Falle einer vom Gesetz tolerierten Ersatzzustellung üblicherweise zur Verfügung gestanden wäre. Wenn daher der Empfänger durch den Zustellvorgang nicht erst später die Möglichkeit erlangt hat, in den Besitz der Sendung zu kommen, als dies bei einem großen Teil der Bevölkerung infolge ihrer Berufstätigkeit der Fall gewesen wäre, so muss die Zustellung durch Hinterlegung als ordnungsgemäß angesehen werden (vgl. VwGH 21.4.2020, Ra 2020/14/0023, mwN).

9 Wird durch die Zustellung der Beginn einer Rechtsmittelfrist ausgelöst, so erlangt der Empfänger noch „rechtzeitig“ vom Zustellvorgang Kenntnis, wenn ihm ein für die Einbringung des Rechtsmittels angemessener Zeitraum verbleibt. Es ist nicht erforderlich, dass dem Empfänger in den Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung stets die volle Frist für die Erhebung eines allfälligen Rechtsmittels zur Verfügung steht (vgl. erneut VwGH 8.11.2022, Ra 2022/04/0114, mwN).

10 Ob jemand vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung vom Zustellvorgang „rechtzeitig“ Kenntnis erlangt hat, ist nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde etwa eine unzulässige Verkürzung der Rechtsmittelfrist bei einer Rückkehr vier Tage nach Beginn der Abholfrist verneint (vgl. VwGH 28.2.2007, 2006/13/0178, mwN). Auch ging der Verwaltungsgerichtshof im Fall eines „Wochenpendlers“, der wegen seiner grundsätzlichen Abwesenheit von Montag bis Freitag von seinem Wohnort, an dem zugestellt worden sei, erst am Freitag von der zwei Tage zuvor am Mittwoch erfolgten Hinterlegung einer Strafverfügung Kenntnis erlangt habe und dem die Behebung erst am darauffolgenden Montag möglich gewesen sei, davon aus, dass dieser rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis nehmen habe können, weil ihm für die Erhebung seines Einspruches noch zehn Tage zur Verfügung gestanden seien (vgl. VwGH 26.6.2014, 2013/03/0055, mwN).

11 Dem eingangs festgestellten Sachverhalt zufolge hat der Revisionswerber bereits spätestens am zweiten Tag nach Beginn der Abholfrist die Hinterlegungsanzeige erhalten, sodass es ihm möglich war, das angefochtene Erkenntnis an diesem Tag persönlich zu beheben. Vor dem Hintergrund der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist fallbezogen ein signifikanter Unterschied zu Berufstätigen, welche am Tag der Hinterlegung selbst von der Hinterlegung erfahren und bedingt durch die Berufstätigkeit die Sendung einige Tage später beheben, nicht erkennbar. Zudem stand dem Revisionswerber ausgehend von der sechswöchigen Revisionsfrist ein angemessener Zeitraum von mehr als fünf Wochen zur Erhebung der Revision zur Verfügung. Somit wäre auch ausgehend von der vorgebrachten Abwesenheit des Revisionswerbers diese nicht als eine solche zu qualifizieren, die bewirkt, dass der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (vgl. abermals VwGH 8.11.2022, Ra 2022/04/0114, mwN).

12 Die Revision erweist sich daher als verspätet und war aus diesem Grund zurückzuweisen.

Wien, am 30. August 2023

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