JudikaturVwGH

Ra 2023/09/0165 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
13. Oktober 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. August 2023, W170 2269812 1/13E, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung nach dem Beamten Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesdisziplinarbehörde), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der im Jahr 1968 geborene Revisionswerber ist im Jahr 2005 als Justizwachebeamter in ein öffentlich rechtliches Dienstverhältnis eingetreten. Ab dem Jahr 2013 war er als Gerichtsvollzieher tätig.

2 Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 15. Juni 2022 wurde der Revisionswerber des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 302 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen und zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Der Revisionswerber habe im Zeitraum vom 18. November 2013 bis 20. August 2020 als Gerichtsvollzieher, sohin als Beamter, mit dem Vorsatz, die Republik Österreich an ihren Rechten auf inhaltliche Richtigkeit der in der Verfahrensautomation Justiz (VJ) vorgenommenen Eintragungen und auf Auszahlung der Vergütungen und Fahrtkosten in den im Vollzugsgebührengesetz vorgesehenen Fällen und Beträgen zu schädigen, seine Befugnis im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte wahrzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er im Rahmen von Räumungsexekutionen in zumindest 240 Fällen falsche Eintragungen in der VJ vorgenommen und er sich sodann ihm nicht zustehende Vergütungen und Fahrtkosten von insgesamt € 3.500 aus Amtsgeldern habe auszahlen lassen.

3 Mit Disziplinarerkenntnis der belangten Behörde vom 15. Februar 2023 wurde der Revisionswerber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung schuldig gesprochen, durch die auch vom Strafgericht inkriminierte Tathandlung seine Dienstpflicht nach § 43 Abs. 2 BDG 1979, nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf zu achten, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe, gemäß § 91 Abs. 1 BDG 1979 schuldhaft verletzt zu haben. Gemäß § 92 Abs. 1 Z 4 BDG 1979 wurde über den Revisionswerber die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.

4 Das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) gab der gegen den Strafausspruch dieses Disziplinarerkenntnisses erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine Folge und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

5 Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig:

6 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VWGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VWGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VWGG) zu überprüfen.

8 Die Strafbemessung unterliegt als Ermessensentscheidung nur insofern der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen von dessen Befugnissen nach Art. 133 Abs. 4 B VG, als dieser gegebenenfalls zu prüfen hat, ob von dem im Gesetz eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde. Das Verwaltungsgericht ist verpflichtet, in der Begründung seines Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG die für die Überprüfung der Ermessensübung maßgeblichen Gründe insoweit offen zu legen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich sein kann. Soweit daher weder Ermessensmissbrauch noch Ermessensüberschreitung vorliegt, geht die Ausübung des Ermessens über die Bedeutung des Einzelfalls nicht hinaus und stellt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG dar (vgl. etwa VwGH 24.1.2019, Ra 2018/09/0208, mwN).

9 Unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit seiner Revision bringt der Revisionswerber zunächst vor, das Verwaltungsgericht sei bei der Strafbemessung im Gegensatz zur Bundesdisziplinarbehörde nicht vom Vorliegen des Milderungsgrundes des reumütigen Geständnisses ausgegangen. Es habe sich nicht konkret mit der Verantwortung des Revisionswerbers auseinandergesetzt, der sich im Disziplinarverfahren schuldig bekannt habe. Das Verwaltungsgericht hätte berücksichtigen müssen, dass der Revisionswerber nachträglich Einsicht gezeigt habe.

10 Von einem als Milderungsgrund zu wertenden reumütigen Geständnis kann nur dann gesprochen werden, wenn der Beschuldigte das Vorhandensein sämtlicher Tatbestandsmerkmale zugegeben hat, also sowohl in Ansehung der objektiven wie der subjektiven Tatseite uneingeschränkt geständig ist. Das bloße Zugeben des Tatsächlichen ist hingegen nicht schon als ein solcher mildernder Umstand zu werten (vgl. VwGH 23.2.2017, Ro 2015/09/0013, mwN). Ein reumütiges Geständnis im Sinn des § 34 Abs. 1 Z 17 StGB umfasst neben dem Zugeben der gegen den Täter erhobenen und in der Verurteilung für richtig befundenen Anschuldigungen zumindest in ihren wesentlichen Punkten, auch ein diesbezügliches Schuldbekenntnis, verbunden mit einer nicht bloß intellektuellen, sondern gesinnungsmäßigen Missbilligung der Tat (vgl. VwGH 26.2.2020, Ro 2020/09/0002, mwN).

11 Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen setzte sich das Verwaltungsgericht näher mit der Verantwortung des Revisionswerbers auseinander und traf basierend auf dem vom Revisionswerber in der durchgeführten mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nähere Feststellungen, die in der Revision nicht substantiiert bestritten werden. Der Revisionswerber habe sich zwar formal schuldig bekannt, jedoch aufgrund seiner Angaben vor dem Verwaltungsgericht sei nicht von einem reumütigen Geständnis auszugehen. So habe er im Rahmen seiner Aussage vor dem Verwaltungsgericht angegeben, erst durch ein E Mail im August 2020 erfahren zu haben, wie richtig vorzugehen sei, im Jahr 2013 habe er nicht gewusst, dass sein Verhalten falsch bzw. rechtswidrig sei, sonst hätte er das nie gemacht. Seiner Ansicht nach sei er bis zu seiner Suspendierung im August 2020 immer so vorgegangen, wie er es in der Ausbildung gelernt habe; er könne sich lediglich vorwerfen, dass er in seinem Bericht manchmal bestimmte Vermerke nicht getroffen habe. Der Revisionswerber vermag mit seinem Zulässigkeitsvorbringen nicht aufzuzeigen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Beurteilung von der dargestellten Judikatur abgewichen wäre.

12 Soweit der Revisionswerber im Weiteren rügt, das Verwaltungsgericht habe bei der Strafbemessung die erfolgte Schadenswiedergutmachung nicht als weiteren Milderungsgrund berücksichtigt, ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht entgegen diesen Ausführungen ohnehin vom Vorliegen dieses Milderungsgrundes ausgegangen ist und diesen in seinen Erwägungen einbezogen hat.

13 Soweit sich die Revision mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen gegen die Beurteilung der Zukunftsprognose hinsichtlich des Revisionswerbers und damit gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts wendet, ist darauf hinzuweisen, dass die Beweiswürdigung nur dahingehend der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes unterworfen ist, ob der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen bzw. ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt wurden (siehe etwa VwGH 8.11.2016, Ra 2016/09/0097).

14 Wenn das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die schuldrelativierende Verantwortung des Revisionswerbers zu einer negativen Zukunftsprognose kam, ist dies unter dem dargestellten Prüfkalkül nicht zu beanstanden.

15 Soweit der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung auf die fehlende Prüfung einer Versetzungsmöglichkeit hinweist, so braucht darauf schon deshalb nicht eingegangen werden, weil darauf in den Revisionsgründen nicht mehr zurückgekommen wird (VwGH 28.4.2020, Ra 2020/14/0017, mwN).

16 Da im Zulässigkeitsvorbringen der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision zurückzuweisen.

Wien, am 13. Oktober 2023

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