JudikaturVwGH

Ra 2023/06/0100 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
03. Oktober 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des J S M in M, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 3. April 2023, LVwG 2022/22/0257 17, betreffend Übertretung der Tiroler Bauordnung 2018 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Schwaz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Zur Vorgeschichte dieser Rechtssache wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. November 2022, Ra 2022/06/0194, (im Folgenden: Vorerkenntnis) verwiesen. Daraus ist hervorzuheben:

2 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 27. Dezember 2021 wurde dem Revisionswerber als handelsrechtlichem Geschäftsführer einer näher bezeichneten Gesellschaft eine Übertretung der Tiroler Bauordnung 2018 (TBO 2018) zur Last gelegt, über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von € 4.000, (Ersatzfreiheitsstrafe von 37 Stunden) verhängt, und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt.

3 Im ersten Rechtsgang wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) mit Erkenntnis vom 22. Juni 2022 die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers mit einer näher bezeichneten Maßgabe als unbegründet ab. Darüber hinaus wurde dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 800, auferlegt und ausgesprochen, dass die Erhebung einer Revision nicht zulässig sei.

4 Die dagegen erhobene Revision wurde mit dem Vorerkenntnis, soweit damit der Ausspruch über die Schuld bestätigt wurde, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückgewiesen. Hingegen wurde das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts im Umfang des Ausspruchs über die verhängte Strafe sowie des damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Ausspruchs über die Kosten des behördlichen Strafverfahrens und die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

5 Zur Aufhebung führte der Verwaltungsgerichtshof aus, die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Strafzumessung seien nicht geeignet, die Höhe der verhängten Strafe nachvollziehbar zu begründen. Das Verwaltungsgericht habe zur Strafbemessung unter anderem als erschwerend die konsenslose Errichtung der baulichen Anlagen gewertet, die massiv dem öffentlichen Interesse widerspreche, weil nur durch einen baurechtlichen Konsens sichergestellt werden könne, dass die Anlagen auch den verbindlichen technischen Normen entsprechen. Damit könne die Höhe der verhängten Strafe nicht nachvollziehbar begründet werden. Die hohe ordnungspolitische Relevanz als abstrakte Wertigkeit des durch die verletzte Norm geschützten Rechtsguts finde ihren Ausdruck bereits in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens und sei daher kein geeignetes Kriterium zur Strafausmessung innerhalb dieses Strafrahmens im konkreten Einzelfall (mit Hinweis auf VwGH 29.1.2020, Ra 2019/09/0079, mwN).

6 Mit dem im zweiten Rechtsgang ergangenen, angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde des Revisionswerbers insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe in der Höhe von € 4.000, auf € 3.000, (Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden) herabgesetzt und der Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG mit € 300, neu festgesetzt wurde. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

7 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, der Revisionswerber habe eine Übertretung nach § 67 Abs. 1 lit. a TBO 2018 begangen. Von diesem Straftatbestand seien sowohl die Ausführung bewilligungspflichtiger Bauvorhaben nach § 28 Abs. 1 TBO 2018 als auch die Ausführung anzeigepflichtiger Bauvorhaben nach Abs. 2 leg. cit. erfasst. Außerdem enthalte § 67 Abs. 1 TBO 2022 zahlreiche weitere Straftatbestände, die alle mit einer Geldstrafe von bis zu € 36.300, geahndet würden. Von diesen rechtswidrigen Verhaltensweisen stelle die „konsenslose Bauführung“ die gravierendste Verhaltensweise dar. Beide konsenslos errichteten baulichen Anlagen seien mit näherer Begründung keinesfalls als bloß geringfügig anzusehen. Der Unrechtsgehalt der dem Revisionswerber angelasteten Verwaltungsübertretung sei erheblich. Dadurch werde das öffentliche Interesse darin beeinträchtigt, dass maßgebliche Bauführungen nur nach Durchführung entsprechender Behördenverfahren erfolgten, in denen Nachbarschaftsrechte und öffentliche Interessen berücksichtigt werden würden. Insbesondere werde das Gewährleistungsinteresse daran, dass beabsichtigte Bauführungen von Sachverständigenseite als den allgemeinen bautechnischen Erfordernissen iSd § 18 TBO 2018 entsprechend einer Prüfung unterzogen würden, in gravierender Weise verletzt. Die Begutachtung durch einen Sachverständigen diene letztendlich primär dem Schutz der Benützer der baulichen Anlagen in diesem Fall dem Schutz der Hotelgäste.

8 Für die Strafbarkeit dieser Verwaltungsübertretung genüge Fahrlässigkeit iSd § 5 Abs. 1 VStG. Beim Revisionswerber sei jedoch vielmehr davon auszugehen, dass er beide baulichen Anlagen im vollen Bewusstsein des Fehlens der Baubewilligung errichtet und somit vorsätzlich gehandelt habe. Für beide Bauvorhaben seien bereits Anträge um Baubewilligung vorgelegen. Durch den wirtschaftlichen Druck insbesondere zur rechtzeitigen Eröffnung der neuen Hotelanlagen für die Sommersaison werde klar bestätigt, dass es dem Revisionswerber darauf angekommen sei, ungeachtet der fehlenden Baubewilligung das Vorhaben so rasch wie möglich in die Tat umzusetzen. Damit sei auch verbunden, dass mit dem konsenslosen Beginn der Bauarbeiten in der Folge auch (frühere) Einnahmen in unbestimmter Höhe lukriert hätten werden können.

9 In Bezug auf die Erschwerungs und Milderungsgründe habe die belangte Behörde zu Recht die absolute Unbescholtenheit des Revisionswerbers als Milderungsgrund berücksichtigt. Im Gegensatz zur belangten Behörde seien seitens des Verwaltungsgerichts sowohl die vorsätzliche Begehung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung als auch die wirtschaftlichen Vorteile in ziffernmäßig nicht feststellbarer Höhe, die aus dem vorzeitigen Errichtungsbeginn beider konsensloser baulicher Anlagen und sohin aus der daraus resultierenden rechtzeitigen Fertigstellung für die Sommersaison erzielt hätten werden können, als erschwerend zu werten. Für den Revisionswerber mildernd habe das erkennende Gericht den Umstand gewertet, dass seit der Tat fast zwei Jahre vergangen seien. Eine Geldstrafe in Höhe von (nunmehr) € 3.000, sei daher tat und schuldangemessen. Die Verhängung dieser Geldstrafe sei geeignet, den Revisionswerber in Zukunft von der Begehung gleichartiger, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbarer Handlungen abzuhalten und gleichzeitig auch anderen das besondere Gewicht der betreffenden Verwaltungsvorschriften aufzuzeigen.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das Verwaltungsgericht sei vom Vorerkenntnis abgewichen, weil es neuerlich das Ausmaß der Verletzung des durch die Tat beeinträchtigten Rechtsgutes sowie die Beeinträchtigung der geschützten Interessen unberücksichtigt gelassen und eine pauschalierende Bewertung von Verstößen gegen Bauvorschriften im Allgemeinen als Strafzumessungsgrund herangezogen habe. Die Beurteilung des Verwaltungsgerichts sei daher unvertretbar. Zudem weiche das angefochtene Erkenntnis von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bindungswirkung nach § 63 VwGG ab.

14 Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, ist das Verwaltungsgericht gemäß § 63 Abs. 1 VwGG verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mittel unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen (vgl. VwGH 13.6.2024, Ra 2023/06/0252, mwN). Im zweiten Rechtsgang besteht somit eine Bindung an die im Vorerkenntnis vom Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung (vgl. VwGH 14.3.2022, Ra 2021/08/0007, Rn. 11, mwN).

15 Das Verwaltungsgericht hat der im Vorerkenntnis geäußerten Rechtsansicht im fortgesetzten Verfahren insofern Rechnung getragen, als es bei der vorgenommenen Strafbemessung die konsenslose Errichtung der baulichen Anlage gerade nicht als Erschwerungsgrund heranzog, sondern lediglich im Rahmen des Unwertsgehalts der dem Revisionswerber angelasteten Verwaltungsübertretung berücksichtigte.

16 Zudem hat das Verwaltungsgericht in Entsprechung des zitierten Vorerkenntnisses die Höhe der verhängten Strafe nachvollziehbar begründet, indem es sich umfassend mit den einzelnen Strafzumessungsgründen auseinandergesetzt und näher ausgeführt hat, weshalb die über den Revisionswerber verhängte Strafe angemessen sei. Der von der Revision behauptete Verstoß gegen die Bindungswirkung nach § 63 Abs. 1 VwGG liegt daher nicht vor. Auf dem Boden dieser fallbezogenen Erwägungen zeigt die Revision nicht auf, dass das Verwaltungsgericht das ihm eingeräumte Ermessen nicht im Sinn des Gesetzes geübt hätte, weshalb mit der behaupteten Abweichung von der genannten Rechtsprechung zur Strafzumessung die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan wird.

17 Vor dem Hintergrund der umfangreichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Höhe der verhängten Strafe ist ebensowenig der in der Zulässigkeitsbegründung geltend gemachte Begründungsmangel, wonach das angefochtene Erkenntnis keine nachvollziehbaren und geeigneten Ausführungen zur Höhe der verhängten Strafe beinhalte, ersichtlich.

18 Die Revision behauptet zu ihrer Zulässigkeit weiters, das Verwaltungsgericht habe bezüglich des angenommenen Erschwerungsgrundes eines wirtschaftlichen Vorteils des Revisionswerbers keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, dass und wann das Bauvorhaben auch tatsächlich fertiggestellt worden sei. Es liege somit ein subsidiärer Feststellungsmangel sowie ein Begründungsmangel des angefochtenen Erkenntnisses vor.

19 Dem ist zu entgegnen, dass das Verwaltungsgericht (wenn auch disloziert) feststellte, dass aus dem vorzeitigen Errichtungsbeginn beider konsenslosen baulichen Anlagen die rechtzeitige Fertigstellung für die Sommersaison resultierte. Das Zulässigkeitsvorbringen geht daher schon aus diesem Grund ins Leere. Diese Feststellung wird überdies in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht bekämpft.

20 Weiters bringt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung vor, das Verwaltungsgericht hätte sich mit den „vorgebrachten Milderungsgründen“ näher auseinandersetzen müssen und habe seine Begründungspflicht im angefochtenen Erkenntnis verletzt, weil es ausgehend von der Zeugenaussage des J A M nicht berücksichtigt habe, dass die Bauleistung in enger Absprache mit der Bauamtsleitung erfolgt und zusätzlich mit der Bürgermeisterin abgestimmt gewesen sei. Dabei übersieht sie, dass sich das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis (disloziert) im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung beweiswürdigend mit dieser Zeugenaussage auseinandersetzte, diese als nicht nachvollziehbar erachtete und zu dem Ergebnis kam, es sei unmissverständlich klar gewesen, welche Baumaßnahmen bewilligungspflichtig seien. Die Aussage, wonach es seitens der Baubehörde keine Einschränkungen zum Bauvorhaben gegeben habe, wertete das Verwaltungsgericht als „reine Schutzbehauptung“. Diesen Erwägungen setzt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nichts entgegen. Insofern ist auch der in diesem Zusammenhang geltend gemachte Begründungsmangel nicht ersichtlich.

21 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 3. Oktober 2024

Rückverweise