Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der Datenschutzbehörde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juni 2023, Zl. W252 2248630 1/7E, betreffend eine datenschutzrechtliche Angelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. C G, vertreten durch LTRA Rechtsanwälte in Wien, und 2. B GmbH, vertreten durch die Knyrim Trieb Rechtsanwälte OG in Wien; weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 1. Die erstmitbeteiligte Partei erhob bei der Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 8. Juli 2020 Datenschutzbeschwerde.
2 2. Mit Bescheid vom 8. Oktober 2021 gab die Revisionswerberin dieser Datenschutzbeschwerde teilweise statt und stellte fest, die Zweitmitbeteiligte habe den Erstmitbeteiligten in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt, „weil [die erstmitbeteiligte Partei] bei der Registrierung zum [...] Online Konto am 27. März 2020 verpflichtend [ihre] Einwilligung zu einer Datenverarbeitung in Werbe- und Marketingzwecke erteilen musste, ohne dass dies für die Vertragsabwicklung erforderlich war“ (Spruchpunkt 1.).
3 Unter einem wies die Revisionswerberin die Datenschutzbeschwerde betreffend eine Verletzung des Rechts auf Löschung der personenbezogenen Daten für eine Verarbeitung zu Marketing- und Werbezwecken ab (Spruchpunkt 2.).
4 3. Der von der Zweitmitbeteiligten gegen Spruchpunkt 1. des genannten Bescheides erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) statt und änderte den angefochtenen Ausspruch dahingehend ab, dass die Datenschutzbeschwerde (auch) hinsichtlich der behaupteten Verletzung im Recht auf Geheimhaltung als unbegründet abgewiesen werde. Die Revision erklärte es für zulässig.
5 Das BVwG stellte folgenden Sachverhalt fest:
6 Die zweitmitbeteiligte Partei betreibe einen Onlineshop, in welchem die Kunden die Wahl hätten, entweder via Kundenkonto oder als Gast zu bestellen. Bei Bestellungen über das Kundenkonto würden die Daten der Kunden zu Werbe- und Marketingzwecken sowie zur Kundenbetreuung verarbeitet. Bei einer Bestellung als Gast erfolge hingegen keine Verarbeitung zu Werbe-, Marketing- oder Kundenbetreuungszwecken. Das Speichern von Rechnungs- und Lieferadresse sowie Versand- und Zahlungsinformationen sei nur in Verbindung mit einem Kundenkonto möglich. Bei einer Bestellung als Gast müssten diese Daten bei jeder Bestellung neu eingegeben werden.
7 Die erstmitbeteiligte Partei habe am 27. März 2020 ein Kundenkonto im Onlineshop der zweitmitbeteiligten Partei angelegt und Waren bestellt. Im Rahmen der Registrierung für das Kundenkonto habe die erstmitbeteiligte Partei - zur Einwilligung in die Verarbeitung ihrer Kundendaten zu Werbe-, Marketing- und Kundenbetreuungszwecken - verpflichtend ein nicht vorausgefülltes Kontrollkästchen anklicken müssen. Unterhalb dieses Kontrollkästchens habe sich der zusätzliche Hinweis, dass eine Bestellung auch als Gast getätigt werden könne, befunden.
8 Diesen Sachverhalt würdigte das BVwG rechtlich im Wesentlichen wie folgt:
9 Der Erstmitbeteiligte habe vorgebracht, dass die Einwilligung zur Datenverarbeitung nicht freiwillig erfolgt sei, weil die Erbringung der Dienstleistung „Nutzung des Online Shop“ von der Einwilligung zur Verarbeitung der Daten zu Werbe- und Marketingzwecken abhängig gemacht werde. Eine Einwilligung gemäß Art. 4 Z 11 DSGVO gelte dann nicht als freiwillig, wenn die Erfüllung eines Vertrags von der Einwilligung abhängig gemacht werde, obwohl diese Einwilligung für die Vertragserfüllung nicht erforderlich sei („Kopplungsverbot“), so wenn die betroffene Person faktisch keine andere Wahl habe, als ihre Zustimmung zur Datenverarbeitung zu erteilen, um in den Genuss der anderen vertraglichen Leistung zu kommen. Ausgangspukt sei die Ermittlung des Vertragsgegenstandes. Für die vertragscharakteristische Hauptleistung, die im vorliegenden Fall in der Lieferung der im Onlineshop am 27. März 2020 bestellten Artikel gegen Zahlung des Kaufpreises bestehe, sei die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der erstmitbeteiligten Partei zu Werbe- und Marketingzwecken sowie zur Kundenbetreuung nicht erforderlich. Dies ergebe sich bereits daraus, dass Bestellungen auch ohne derartige Verarbeitungen, nämlich im Fall der Bestellung als Gast, möglich seien.
10 Gemäß Art. 7 Abs. 4 DSGVO dürfe die Vertragserfüllung ferner nicht von einer nicht erforderlichen Datenverarbeitung abhängig gemacht werden. Die Bestellung als Gast stelle jedoch eine zumutbare, gleichwertige Alternative zur Bestellung via Kundenkonto dar. Die Hauptleistungspflichten (Ware gegen Geld) seien in beiden Fällen ident. Insofern der Erstmitbeteiligte behaupte, die (wiederholte) Bestellung als Gast verursache einen Mehraufwand, weil Liefer- und Zahlungsinformationen bei jeder Bestellung erneut einzugeben seien, sei keine Unzumutbarkeit zu erkennen. Die für jede neue Bestellung als Gast erforderliche Eingabe von Rechnungs-, Liefer- und Zahlungsinformationen verunmögliche weder faktisch einen Einkauf im Onlineshop noch erschwere sie einen solchen wesentlich. Es sei dem Erstmitbeteiligten zwar zuzugestehen, dass eine Bestellung als Gast im Vergleich zu einer Bestellung via Kundenkonto, in welchem die erforderlichen Daten bereits hinterlegt seien im Normalfall etwas mehr Zeit in Anspruch nehme. Um das Kundenkonto in Anspruch nehmen zu können, sei es jedoch ebenfalls erforderlich, den Benutzernamen und dazugehöriges Passwort einzugeben sowie die hinterlegten Liefer- und Zahlungsdaten zu bestätigen. Die Möglichkeit, Bestellinformationen im Kundenkonto zu speichern, stelle lediglich einen „zulässigen Anreiz“ dar. Im Ergebnis habe die Zweitmitbeteiligte die Möglichkeit, in ihrem Onlineshop zu bestellen, somit nicht von einer Einwilligung in eine Verarbeitung personenbezogener Daten zu Werbe-, Marketing- und Kundenbetreuungszwecken abhängig gemacht. Da die erstmitbeteiligte Partei freiwillig in gegenständliche Verarbeitung ihrer Daten eingewilligt habe, liege die von der Revisionswerberin festgestellte Verletzung im Recht auf Geheimhaltung nicht vor.
11 Die Zulassung der Revision begründete das BVwG damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu fehle, „anhand welcher Kriterien die Zumutbarkeit und Gleichwertigkeit einer Alternative im Zusammenhang mit der Freiwilligkeit einer nicht erforderlichen datenschutzrechtlichen Einwilligung zu messen sind“.
12 4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.
13 Die zweitmitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- in eventu Abweisung der Revision beantragte.
14 5.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
16Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
17 5.2. Die Revisionswerberin verweist in der Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision im Wesentlichen auf die hier in Rn. 11 wiedergegebene Begründung des BVwG.
18 5.3. Beruht die Verarbeitung auf einer Einwilligung, muss der Verantwortliche nachweisen können, dass die betroffene Person in die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten eingewilligt hat (Art. 7 Abs. 1 DSGVO). Gemäß Art. 7 Abs. 4 DSGVO muss bei der Beurteilung, ob eine Einwilligung iSd Art. 4 Z 11 DSGVO freiwillig erteilt wurde, dem Umstand in größtmöglichem Umfang Rechnung getragen werden, ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich ist.
19 Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, inwiefern es fallbezogen einer weiteren Klärung der Rechtslage durch den Verwaltungsgerichtshof bedürfte. Ob dieser klaren rechtlichen Anordnung im Einzelfall entsprochen wird, ist anhand der konkret maßgeblichen Umstände zu prüfen, wobei der Beurteilung derselben in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.
20Eine im Einzelfall vorgenommene rechtliche Beurteilung kann nur dann die Zulässigkeit einer Revision begründen, wenn dies wegen einer krassen Fehlbeurteilung der einzelfallbezogenen Umstände durch das Verwaltungsgericht aus Gründen der Rechtssicherheit geboten ist (vgl. dazu betreffend Art. 7 Abs. 3 DSGVO VwGH 16.1.2025, Ra 2024/04/0424, mwN).
21 Eine die Zulässigkeit der Revision begründende Unvertretbarkeit der rechtlichen Beurteilung zeigt die Revision indes nicht auf. Insbesondere bringt die Revision nichts vor, was Zweifel an der Richtigkeit der Schlussfolgerung aufkommen ließe, es handle sich bei der relevanten Hauptleistung um die unter Nutzung eines online zur Verfügung gestellten Bestellmodus angebotene Möglichkeit des Erhalts einer bestimmten Ware gegen Zahlung eines Entgelts. Das BVwG begründete im Gegenteil in nachvollziehbarer Weise, dass die (alternative) Bestellung im Onlineshop als Gast (die mit keiner Verarbeitung der Kundendaten zu Werbe-, Marketing- oder Kundenbetreuungszwecken verbunden sei) der Vertragserfüllung weder im Wege stehe noch diese maßgeblich erschwere.
22 5.4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
23Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 1. August 2025