JudikaturVwGH

Ra 2023/03/0101 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
13. Dezember 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 3. April 2023, Zl. LVwG S 3149/001 2022, betreffend Übertretungen des NÖ Jagdgesetzes 1974 (mitbeteiligte Partei: P S, vertreten durch Dr. Wulf Kern, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 22), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen (BH) vom 15. Oktober 2022 wurde der Mitbeteiligte zweier Übertretungen des NÖ Jagdgesetzes 1974 schuldig erkannt und über ihn jeweils eine Geldstrafe von EUR 500, (25 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Ihm wurde unter näherer Umschreibung von Tatort und Tatzeit zur Last gelegt, 1.) seiner Aufgabe als Jagdschutzorgan nicht nachgekommen zu sein und eine verbotene Rotwildkirrung nicht abgestellt zu haben (Verstoß gegen § 64 Abs. 1 und 2 iVm § 135 Abs. 1 Z 31 NÖ Jagdgesetz 1974) und 2.) als Jagdausübungsberechtigter eine behördlich gemeldete Schwarzwildkirrung entgegen näher umschriebenen Fütterungseinschränkungen in einem freistehenden Holztrog statt in der angeordneten Form der Bodenkirrung vorgenommen zu haben (Verstoß gegen § 1 der Verordnung der BH vom 31. Jänner 2022 iVm § 87a und § 135 Abs. 1 Z 18 NÖ Jagdgesetz 1974).

2 Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten änderte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) das Straferkenntnis der BH dahingehend ab, dass es von der Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens zu Spruchpunkt 1. gemäß § 45 Abs. 1 Z 4 VStG absah und dem Mitbeteiligten lediglich eine Ermahnung erteilte, bzw. die verhängte Strafe zu Spruchpunkt 2. auf EUR 300, (15 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) reduzierte. Gleichzeitig setzte es die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens neu fest und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

3 Dagegen wendet sich die Amtsrevision der BH, die das Erkenntnis in seinem gesamten Umfang anficht, zur Zulässigkeit aber lediglich geltend macht, das LVwG sei bei Erteilung der Ermahnung von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen, wonach eine Ermahnung nur dann in Betracht komme, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, die Intensität der Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering seien und all drei Voraussetzungen kumulativ vorlägen. Im gegenständlichen Fall habe sich das LVwG nicht „mit der Bedeutung der Geringfügigkeit des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes auseinandergesetzt“ und habe diese auch nicht näher begründet. Es sei zu beachten, dass die gegenständliche Strafnorm für „das strafrechtlich geschützte Rechtsgut ... eine Strafhöhe bis zu € 20.000, “ vorsehe, somit die Wertigkeit des geschützten Rechtsgutes nicht gering sei.

4 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG voraus, dass die in dieser Norm genannten Umstände, nämlich die geringe Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes, die geringe Intensität der Beeinträchtigung dieses Rechtsgutes durch die Tat sowie geringes Verschulden des Beschuldigten, kumulativ vorliegen. Fehlt es an einer der in § 45 Abs. 1 Z 4 VStG genannten Voraussetzungen für die Einstellung des Strafverfahrens, kommt auch keine Ermahnung nach § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG in Frage (vgl. etwa VwGH 13.2.2023, Ra 2022/02/0117, mwN).

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits erkannt, dass den jagdrechtlichen Fütterungsbestimmungen zur Vermeidung untragbarer Schäden am Wald bzw. der Abwehr von dem Wild während der Vegetationsruhe und des Vegetationsbeginns wegen fehlenden Äsungsangebots drohenden Gefahren nicht bloß geringe Bedeutung zukommt. Gleichzeitig wurde jedoch auch betont, dass der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalls eine Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG rechtfertigen, in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl. zum Ganzen VwGH 11.10.2021, Ra 2021/03/0085, mwN).

8 Im gegenständlichen Fall stellte das LVwG bei seiner Entscheidung tragend darauf ab, dass am Tatort im Tatzeitraum nach den gutachterlichen Ausführungen kein Rotwildbestand existierte und die rechtswidrig von einer dritten Person vorgenommene Kirrung trotz unterlassener Beseitigung durch den Mitbeteiligten keine Bedeutung erlangen konnte. Die Geringfügigkeit des Verschuldens begründete das LVwG damit, dass der Mitbeteiligte seine Funktion als Jagdschutzorgan 30 Jahre lang im Wesentlichen tadellos erfüllt habe und er glaubhaft dargelegt habe, das Revier regelmäßig kontrolliert zu haben und seinen Pflichten als Jagdschutzorgan nachgekommen zu sein. Die unterbliebene Beseitigung der gegenständlichen Kirrung habe insoweit eine Ausnahme dargestellt, die auch darauf zurückzuführen gewesen sei, dass die Kirrung nur vier Tage vor Zurücklegung seiner Funktion als Jagdschutzorgan stattgefunden habe und es dem Mitbeteiligten aufgrund der Größe des Reviers auch nicht zuzumuten gewesen sei, dieses täglich zur Gänze einer Kontrolle zu unterziehen.

9 Diesen besonderen Umständen des Einzelfalls tritt die Amtsrevision in ihrer Zulassungsbegründung nicht entgegen. Sie beschränkt sich auf den Hinweis, das strafrechtlich geschützte Rechtsgut könne fallbezogen nicht gering sein, weil die Strafnorm des § 135 Abs. 2 NÖ Jagdgesetz 1974 eine Geldstrafe von bis zu EUR 20.000, festlege, übersieht dabei allerdings, dass allein dieser weite Strafrahmen, der für alle unterschiedlich zu gewichtenden - Verwaltungsübertretungen des § 135 Abs. 1 Z 1 bis 31 (ausgenommen Z 24a) NÖ Jagdgesetz 1974 vorgesehen ist, die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG nicht in jedem Fall und unter Außerachtlassung der besonderen Umstände des Einzelfalls ausschließt.

10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2023

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