Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Landeshauptfrau von Niederösterreich gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 29. Dezember 2022, Zl. LVwG AV 1416/001 2022, betreffend eine Angelegenheit nach dem EisbG (mitbeteiligte Parteien: 1. Ö AG in W, 2. Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, 3. Stadtgemeinde A in A), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid der belangten Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und nunmehrigen Amtsrevisionswerberin (iF auch: LH) vom 7. Februar 2022 war ausgesprochen worden, dass die Eisenbahnkreuzung in km 25,433 der von der Erstmitbeteiligten (iF auch: Ö) als Eisenbahninfrastrukturunternehmerin betriebenen Eisenbahnstrecke Schwarzenau Martinsberg/Gutenbrunn mit einer Gemeindestraße der Drittmitbeteiligten in den Quadranten I, II und III gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 EisbKrV 2012 durch Gewährleisten des erforderlichen Sichtraums und im Quadranten IV gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 EisbKrV 2012 durch Abgabe akustischer Signale vom Schienenfahrzeug aus binnen drei Monaten ab Rechtskraft des Bescheids zu sichern ist.
2 Über Antrag der Ö wurde mit Bescheid der LH vom 21. Oktober 2022 die im Spruch des Bescheids vom 7. Februar 2022 festgesetzte dreimonatige Ausführungsfrist (unter Anführung des § 68 Abs. 2 AVG als Rechtsgrundlage) bis 31. Jänner 2023 verlängert.
3 Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis vom 29. Dezember 2022 entschied das Verwaltungsgericht über die gegen den Bescheid vom 21. Oktober 2022 gerichtete Beschwerde der zweitmitbeteiligten Partei dahin, dass der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben werde; die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt.
Dem legte es im Wesentlichen zu Grunde, dass entgegen der Auffassung der LH § 68 Abs. 2 AVG keine Grundlage für die Verlängerung der Ausführungsfrist biete (was näher dargelegt wurde).
4 Dagegen richtet sich die vorliegende, beim Verwaltungsgericht am 7. Februar 2023 eingebrachte Revision der LH.
5 Vor dem Hintergrund, dass der Endtermin der von der ÖBB beantragten, von der LH verfügten und mit der in Revision gezogenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts ersatzlos behobenen Verlängerung der Ausführungsfrist für die Sicherung der Eisenbahnkreuzung (31. Jänner 2022) bei Einbringung der Revision bereits verstrichen war, ist der Revisionswerberin mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofs vom 20. April 2023 Gelegenheit gegeben worden, dazu Stellung zu nehmen, ob dessen ungeachtet weiterhin ein rechtliches Interesse an der inhaltlichen Entscheidung über die vorliegende Revision besteht, was gegebenenfalls zu konkretisieren wäre.
6 Diese nahm dazu dahin Stellung, dass ein solches Interesse weiterhin bestehe, weil aufgrund der Vorgaben der EisbKrV 2012 die Sicherung einer Vielzahl von Eisenbahnkreuzungen zu überprüfen sei und entsprechende Bescheide unter Festsetzung einer angemessenen Ausführungsfrist zu erlassen seien. Da es den Eisenbahnunternehmen aus Ressourcengründen oft nicht möglich sei, innerhalb der vorgegebenen Ausführungsfrist die bescheidmäßig festgelegte Art der Sicherung umzusetzen, komme der (von der LH bejahten und vom Verwaltungsgericht verneinten) Frage, ob § 68 Abs. 2 AVG eine Grundlage für die Verlängerung der Leistungsfrist eines Bescheids nach § 49 Abs. 2 EisbG biete, weiterhin erhebliche Bedeutung zu.
7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist Prozessvoraussetzung für ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses an der inhaltlichen Erledigung. Ein solches ist immer dann zu verneinen, wenn es (etwa auf Grund geänderter Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben, wenn also durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Revisionswerbers an der Entscheidung wegfällt. Liegt das Rechtsschutzbedürfnis schon bei Einbringung der Revision nicht vor, ist diese unzulässig (§ 34 Abs. 1 VwGG), fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens als gegenstandslos nach § 33 Abs. 1 VwGG (vgl. etwa VwGH 4.11.2022, Ra 2021/03/0132, 18.6.2023, Ra 2023/03/0086, je mwN). Diese Rechtsprechung hat auch für eine Amtsrevision Gültigkeit (vgl. VwGH 27.7.2022, Ra 2021/03/0333, sowie erneut VwGH Ra 2023/03/0086, je mwN).
8 Mit ihrem Vorbringen, warum ein rechtliches Interesse an der inhaltlichen Entscheidung weiterhin bestehe, tritt die Revisionswerberin dem Umstand, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs im konkreten Fall keine praktische Bedeutung mehr hätte, nicht entgegen. Das Vorbringen zielt vielmehr darauf ab, dass der Verwaltungsgerichtshof eine Leitentscheidung (ausschließlich) für künftige wenngleich vergleichbare Fälle treffen möge, indem er eine nur mehr abstrakte Rechtsfrage löse, wofür aber keine gesetzliche Grundlage besteht.
9 Da im Zeitpunkt der Erhebung der vorliegenden Amtsrevision die zu erstreckende Ausführungsfrist für die bescheidgemäße Sicherung der Eisenbahnkreuzung bereits abgelaufen war, ist nicht zu erkennen, dass es für die Rechtsstellung der Revisionswerberin noch einen Unterschied macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder nicht. Es fehlte ihr vielmehr schon bei Einbringung der Revision am Rechtsschutzbedürfnis.
10 Die vorliegende Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 21. August 2023