Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofräte Dr. Himberger und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des N A, vertreten durch Mag. Hannes Fischbacher, LLB.oec., LLM.oec., Rechtsanwalt in Schladming, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 2025, Zl. W179 2258017 1/43E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Luftfahrtgesetz (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Austro Control Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt mit beschränkter Haftung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Ein Aufwandersatz findet nicht statt.
1 Zum bisherigen Verfahrensverlauf wird zunächst auf das im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 3.9.2024, Ro 2024/03/0003, verwiesen, mit dem das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 21. April 2023 in Stattgebung einer Amtsrevision wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde.
2 Der im Mai 1960 geborene Revisionswerber hatte am 2. April 2020 einen Antrag „auf Erteilung einer Ausnahme zur Durchführung von gewerblichen Flügen im Einpilotenbetrieb ab dem 60. Lebensjahr gemäß VO (EU) 2018/1139 Art. 71 Abs. 1 iVm VO (EU) Nr. 1178/2011 Anhang I FCl. 065 lit. a“ gestellt.
3 Die Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem dieser Antrag abgewiesen wurde, wies das BVwG nach der vorhin erwähnten Aufhebung seines Erkenntnisses vom 21. April 2023 im fortgesetzten Verfahren mit Erkenntnis vom 12. Februar 2025 (erneut) als unbegründet ab, wobei es die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für zulässig erklärte.
4 Gegen das Erkenntnis des BVwG vom 12. Februar 2025 richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 Die im verfahrenseinleitenden Antrag als Rechtsgrundlage genannte Bestimmung, nämlich FCL.065 lit. a des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 (idF der Durchführungsverordnung [EU] 2024/2076), sieht für die Altersgruppe 60 64 Jahre in Bezug auf Flugzeuge und Hubschrauber vor, dass der Inhaber einer Pilotenlizenz, der das Alter von 60 Jahren erreicht hat, außer als Mitglied einer Besatzung mit mehreren Piloten nicht als Pilot eines Luftfahrzeugs im gewerblichen Luftverkehr tätig sein darf; abweichend davon sind Inhaber dieser Lizenz (unter näher genannten Voraussetzungen) berechtigt, als Piloten eines Luftfahrzeugs im medizinischen Hubschraubernoteinsatz mit einem Piloten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 965/2012 eingesetzt zu werden.
6 Gemäß FCL.065 lit. b darf ein Inhaber einer Pilotenlizenz, der das Alter von 65 Jahren erreicht hat, (abgesehen im Falle von Pilotenlizenzen für Ballone oder Segelflugzeuge) nicht als Pilot eines Luftfahrzeugs im gewerblichen Luftverkehr tätig sein.
7 Da der Revisionswerber wenige Tage nach Einlangen der von ihm erhobenen gegenständlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof das 65. Lebensjahr vollendet hat, wurde ihm mit verfahrensleitender Verfügung vom 19. August 2025 Gelegenheit gegeben, binnen einer Frist von zwei Wochen zur Frage Stellung zu nehmen, inwieweit es im vorliegenden Fall für die Rechtsstellung des Revisionswerbers einen Unterschied machen würde, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird, und ob sein Rechtsschutzinteresse nach Vollendung seines 65. Lebensjahres weggefallen sei.
8 Dazu bringt der Revisionswerber in seiner Äußerung vom 2. September 2025 vor, der Umstand, dass in Bezug auf einen im März 2020 korrekt gestellten Antrag im September 2025 noch keine höchstgerichtliche Entscheidung über die Abweisungen vorliege, widerspreche dem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK. Dem Revisionswerber sei bewusst, dass er nach Vollendung des 65. Lebensjahres außer mit einer Ausnahmegenehmigung nach Art. 71 der Verordnung (EU) Nr. 2018/1139 grundsätzlich nicht mehr als Pilot im gewerblichen Luftverkehr tätig sein dürfe. Ein vom Revisionswerber bereits im September 2024 gestellter Antrag auf Erteilung einer derartigen Ausnahmegenehmigung sei mit Erkenntnis des BVwG vom 7. Juli 2025, W603 2303621 1/25E, abgewiesen worden, wogegen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben worden sei (verbunden mit einem Antrag auf Abtretung der Beschwerde im Fall ihrer Abweisung oder Ablehnung der Beschwerdebehandlung). Dennoch sei die Aufhebung der im vorliegenden Verfahren angefochtenen Entscheidung von essenzieller Bedeutung, weil dies zum Ausdruck bringe, dass eine Ausnahmegenehmigung in einem derart gelagerten Fall möglich sei. Ein solches aufhebendes Erkenntnis sei auch für eine weiterführende Entscheidung, nämlich das gewerbliche Fliegen eines Piloten nach Vollendung des 65. Lebensjahres, wegweisend.
9 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, dass weiterhin ein rechtliches Interesse an der Entscheidung über die Revision gegeben sei:
10 Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde, die Revision in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist Prozessvoraussetzung für ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses an der inhaltlichen Erledigung. Ein solches ist immer dann zu verneinen, wenn es (etwa auf Grund geänderter Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben, wenn also durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Revisionswerbers an der Entscheidung wegfällt. Liegt das Rechtsschutzbedürfnis schon bei Einbringung der Revision nicht vor, ist diese unzulässig (§ 34 Abs. 1 VwGG), fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens als gegenstandslos nach § 33 Abs. 1 VwGG (vgl. zu allem VwGH 21.8.2023, Ro 2023/03/0014, mwN).
12 Was zunächst die Ausführungen des Revisionswerbers zur Verfahrensdauer und den behaupteten Verstoß gegen Art. 6 EMRK anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung der Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nicht berufen ist, weil dies in die Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofes gehört (vgl. etwa VwGH 10.4.2025, Ra 2024/03/0122, mwN).
13 Mit seinem Vorbringen zu einem weiterhin bestehenden rechtlichen Interesse an der inhaltlichen Entscheidung tritt der Revisionswerber dem Umstand, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs im vorliegenden Fall keine praktische Bedeutung mehr hätte, nicht entgegen. Dies konzediert der Revisionswerber vielmehr mit seinem Hinweis auf seinen hier nicht verfahrensgegenständlichen Antrag vom September 2024, der darauf gerichtet war, auch nach Vollendung seines 65. Lebensjahres weiterhin als Pilot, auch im Einpilotenbetrieb, tätig sein zu dürfen. Dieser Antrag wurde im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des BVwG vom 7. Juli 2025 abgewiesen, und der Revisionswerber hat dieses Erkenntnis mit einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bekämpft. Es ist nicht ersichtlich (und wurde auch nicht dargetan), dass sich eine Aufhebung der im vorliegenden Fall angefochtenen Entscheidung auf das Verfahren über diesen weiteren Antrag in rechtlich relevanter Weise auswirken könnte.
14 Soweit das diesbezügliche Vorbringen des Revisionswerbers darauf abzielt, dass der Verwaltungsgerichtshof eine Leitentscheidung (ausschließlich) für künftige allenfalls vergleichbare Fälle treffen möge, indem er eine nur mehr abstrakte Rechtsfrage löse, genügt der Hinweis, dass dafür keine gesetzliche Grundlage besteht (vgl. erneut VwGH 21.8.2023, Ro 2023/03/0014).
15 Das Verfahren war daher wegen Wegfalls des rechtlichen Interesses gemäß § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.
16 In Ermangelung einer formellen Klaglosstellung liegen die Voraussetzungen für einen Kostenzuspruch gemäß § 55 VwGG nicht vor. Vielmehr kommt § 58 Abs. 2 VwGG zur Anwendung, wonach der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu berücksichtigen ist; würde hierbei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden.
17 Im vorliegenden Fall kann ohne unverhältnismäßigen Prüfungsaufwand nicht beurteilt werden, welchen Ausgang das verwaltungsgerichtliche Verfahren genommen hätte, wäre die Revision nicht gegenstandslos geworden. Der Verwaltungsgerichtshof erkennt daher nach freier Überzeugung, dass ein Zuspruch von Aufwandersatz nicht stattfindet.
18 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 23. September 2025