JudikaturVwGH

Ra 2023/02/0240 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Umweltrecht
15. März 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter und die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober sowie Dr. Koprivnikar als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision der Tierschutzombudsperson Wien gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 18. Oktober 2023, VGW 101/053/2181/2023 3, betreffend Bewilligung nach dem TSchG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Partei: E GmbH in W, vertreten durch die Arlamovsky Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wollzeile 6 8/47), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit (dem den Antrag vom 7. September 2022 ergänzenden) Schreiben vom 14. November 2022 begehrte die mitbeteiligte Partei eine tierschutzrechtliche Bewilligung für die Durchführung einer „Verkaufsausstellung von Zwerggarnelen und anderen Crustaceae im Rahmen der Haustiermesse Wien“ am 4. und 5. März 2023 an einem der Adresse nach umschriebenen Ort.

2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. Dezember 2022 wurde der mitbeteiligten Partei die tierschutzrechtliche Bewilligung zur Mitwirkung von Zwerggarnelen und Crustaceae im Rahmen der Haustiermesse Wien für den Zeitraum vom 4. bis 5. März 2023 gemäß §§ 23 und 28 Tierschutzgesetz iVm der Tierschutz Veranstaltungsverordnung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

3 Die Tierschutzombudsperson Wien erhob mit Schreiben vom 17. Jänner 2023 Beschwerde und beantragte die Abänderung dieses Bescheides dahingehend, dass der Verkauf näher genannter Garnelen- und Crustaceaarten nicht bewilligt werde.

4 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Stellungnahme zur Beschwerde.

5 Das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) stellte, ohne davor Verfahrensschritte gesetzt zu haben, das Beschwerdeverfahren mit dem angefochtenen Beschluss vom 18. Oktober 2023 gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG mangels Beschwer ein und erklärte eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG für unzulässig.

6 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, in der Beschwerde sei die Qualifikation von Zehnfußkrebsen (Garnelen und Krebse) als Heim- bzw. Haustiere bekämpft worden. Da die zugrundeliegende Veranstaltung bereits im März 2023 abgehalten worden sei, habe die aufgeworfene Rechtsfrage im Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichtes nur mehr theoretische Bedeutung. Ein Rechtsschutzinteresse der Wiener Tierschutzombudsfrau liege somit nicht mehr vor. Da das Rechtsschutzbedürfnis nach Einbringung der Beschwerde weggefallen sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

7 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der Tierschutzombudsperson Wien.

8 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, die Revision als unbegründet abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei verzichtete auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung.

9 Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit unter Verweis auf hg. Judikatur geltend, dass im Hinblick auf den im Regelfall gegebenen zeitlichen Ablauf derartiger Verfahren vielfach keine rechtskräftige Entscheidung vor Beginn der Veranstaltung erlangt werden könne und es sich zudem um eine wiederkehrende Veranstaltung der mitbeteiligten Partei handle. Die Beschwer sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes, welches per se davon ausgehe, dass diese bereits aufgrund der abgehaltenen Veranstaltung nicht mehr bestehe, auch weiterhin gegeben.

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lässt sich § 33 Abs. 1 VwGG entnehmen, dass der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis (Rechtsschutzinteresse) als Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof versteht. Liegt diese Voraussetzung schon bei Einbringung einer Revision nicht vor, ist diese unzulässig. Fällt diese Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens. Das Rechtsschutzinteresse ist auch im Hinblick auf Amtsrevisionen immer dann zu verneinen, wenn es (auf Grund der geänderten Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben (vgl. VwGH 2.5.2019, Ra 2018/05/0231, mwN).

11 Ein solcher Fall liegt hier vor: Der Zeitraum, für den die strittige Bewilligung erteilt wurde, war vor Einbringung der vorliegenden Revision bereits abgelaufen. Auch eine allfällige Aufhebung des angefochtenen Beschlusses würde nicht dazu führen, dass die Veranstaltung nicht bewilligt und somit der Rechtsposition der Revisionswerberin zum Durchbruch verholfen werden könnte (vgl. VwGH 19.12.2014, Ro 2014/02/0115; VwGH 9.7.2015, Ra 2015/02/0121).

12 Eine Kompetenz zur bloßen Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung kommt dem Verwaltungsgerichtshof hingegen nicht zu, mögen auch die zugrundeliegenden Rechtsfragen für künftige Verwaltungsverfahren von Interesse sein (vgl. hierzu VwGH 15.12.2008, 2007/10/0231 bis 0239; VwGH 29.1.2009, 2007/10/0240 bis 0248; VwGH 2.7.2008, 2007/10/0010; VwGH 13.11.2012, 2009/10/0206; aus der jüngeren Judikatur VwGH 7.12.2023, Ro 2022/10/0016, mwN).

13 Ausgehend davon war das Rechtsschutzinteresse bereits bei Einbringung der Revision nicht mehr gegeben. An diesem Ergebnis vermag auch der Verweis der Revision auf einzelne höchstgerichtliche Judikate, die ein Rechtsschutzbedürfnis wegen der Bedeutung der Entscheidung für gleich- oder ähnlich gelagerte Sachverhalte weiterhin für gegeben erachteten (VwGH 26.5.2003, 2000/12/0047; VwGH 4.2.2009, 2008/12/0102, jeweils in Bezug auf einen nicht bewilligten Antrag auf Sonderurlaub; VfGH 11.6.2021, E3737/2020, in Bezug auf eine nicht erteilte Bewilligung für ein Extremsportereignis; VfGH 24.9.2019, E1588/2019, in Bezug auf die untersagte Überlassung von Arbeitnehmern; VfGH 26.9.2017, E1511/2017 ua, in Bezug auf die behördliche Vorschreibung von Abschüssen für ein Jagdjahr) nichts zu ändern, weil die dort entschiedenen Fälle, mit denen jeweils Bewilligungen versagt oder behördliche Anordnungen zulasten des Rechtsmittelwerbers getroffen wurden, mit dem gegenständlichen Fall nicht vergleichbar sind.

14 Die Revision war sohin gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

Wien, am 15. März 2024

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