JudikaturVwGH

Ra 2023/02/0171 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Gewerberecht
20. Dezember 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des G in G, vertreten durch Dr. Michael Augustin, Mag. Peter Haslinger und Mag. Thomas Böchzelt, Rechtsanwälte in 8700 Leoben, Krottendorfer Gasse 4, gegen die Beschlüsse des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 11. Jänner 2023, 1. LVwG 41.28 5041/2022 8, 2. LVwG 41.28 5227/2022 7 und 3. LVwG 41.28 5300/2022 8, betreffend die Verhängung einer Mutwillensstrafe in einer Angelegenheit betreffend die Abweisung eines Antrages auf Freisetzung gelisteter invasiver Tierarten sowie zwei Angelegenheiten nach dem Steiermärkischen Auskunftspflichtgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Bescheid vom 15. Februar 2022 wies die Steiermärkische Landesregierung den (neuerlichen) Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung von Auskünften hinsichtlich der näher bezeichneten Agrargemeinschaft nach dem Steiermärkischen Auskunftspflichtgesetz wegen entschiedener Sache zurück und verhängte gleichzeitig eine Mutwillensstrafe in der Höhe von € 72, . Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) mit Erkenntnis vom 19. Juli 2022, LVwG 41.28 5041/2022 2, abgewiesen und eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig erklärt.

2 Mit Bescheid vom 24. Februar 2022 wies die Steiermärkische Landesregierung den Antrag des Revisionswerbers auf legales Aussetzen eines Pärchens Marderhunde auf seinen Grundstücken ab. Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 19. Juli 2022, LVwG 41.28 5227/2022 2, abgewiesen und gleichzeitig mit Beschluss über den Revisionswerber eine Ordnungsstrafe wegen beleidigender Schreibweise in der Höhe von € 300, verhängt. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

3 Mit Bescheid vom 14. März 2022 wies die Steiermärkische Landesregierung den neuerlichen Antrag auf Erteilung von Auskünften hinsichtlich näher bezeichneter Agrargemeinschaften nach dem Steiermärkischen Auskunftspflichtgesetz wegen entschiedener Sache zurück und verhängte unter einem gegen den Revisionswerber eine Mutwillensstrafe in der Höhe von € 100, . Die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 19. Juli 2022, LVwG 41.28 5300/2022 2, abgewiesen und eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig erklärt.

4 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 11. Jänner 2023 verhängte das Verwaltungsgericht gegen den Revisionswerber gemäß § 35 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG wegen näher beschriebener Eingaben zwischen 29. August und 15. Dezember 2022 an das Verwaltungsgericht zu den jeweils mit Erkenntnis vom 19. Juli 2022 erledigten Rechtssachen 1. LVwG 41.28 5227/2022, 2. LVwG 41.28 5041/2022 und 3. LVwG 41.28 5300/2022 eine Mutwillensstrafe in Höhe von € 300, . Dieser Strafbetrag sei vom Bestraften binnen zwei Wochen ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu leisten (Spruchpunkt I.). Eine ordentliche Revision gegen diesen Beschluss erklärte das Verwaltungsgericht nach Art. 133 Abs. 4 B VG für unzulässig (Spruchpunkt II.).

5 Der Revisionswerber forderte in den Eingaben (zusammengefasst) ua. die ersatzlose Beseitigung der Erkenntnisse (hinsichtlich des Verfahrens zur Zahl LVwG 41.28 5227/2022 erkennbar lediglich betreffend den die Ordnungsstrafe verhängenden Beschluss) aus dem Rechtsbestand und die Fortsetzung der „Berufungsverfahren“. Er gehe davon aus, dass das Verwaltungsgericht „Mittel und Wege legaler Art“ kenne, dies zu tun. Die Erkenntnisse seien inhaltlich falsch, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof teuer, ungewiss und daher dem Revisionswerber nicht zumutbar. Ferner legte der Revisionswerber dar, aus welchen Gründen er die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts für rechtswidrig erachte.

6 Die Verhängung der Mutwillensstrafe begründete das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes damit, dass dem Revisionswerber die Entscheidungen, in denen jeweils der Hinweis der Rechtsmittelbelehrung gemäß § 30 VwGVG aufgenommen worden sei, nachweislich zugestellt worden seien. Aufgrund der Belehrung sei der Revisionswerber über die Möglichkeiten der Anfechtung der ergangenen verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisse informiert worden. Sein Bewusstsein über die Grund und Aussichtslosigkeit, der Nutz und der Zwecklosigkeit seiner Anbringen gäbe er dadurch zu erkennen, als er ausführe, dass ihm eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof aus näher genannten Gründen „nicht zumutbar“ sei und das Gericht „Mittel und Wege legaler Art“ zur Aufhebung der rechtskräftigen Erkenntnisse suchen solle. Eingaben und Anträge, die in offensichtlicher Kenntnis der rechtlichen Unvertretbarkeit der Ansprüche, entgegen den dem Betreffenden zugegangenen Belehrungen aus Mangel innerer Bereitschaft, sich belehren zu lassen, gemacht worden seien, seien als Eingaben und Anträge anzusehen, welche die Tätigkeit des Gerichtes offenbar mutwillig in Anspruch nähmen (Verweis auf VwGH 9.3.1972, 2110/71).

7 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit den verba legalia des Art. 133 Abs. 4 B VG.

8 Gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 11. Jänner 2023 richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9 Zu deren Zulässigkeit wird darin vorgebracht, die Voraussetzungen für die Verhängung einer Mutwillensstrafe nach § 35 AVG seien nicht gegeben. Durch sein Ersuchen vom 29. August 2022 um ersatzlose Beseitigung der Entscheidungen aus dem Rechtsbestand könne gerade kein Bewusstsein der Grund und Aussichtslosigkeit, der Nutz und Zwecklosigkeit der Eingaben begründet werden und ein offenbarer Mutwille eine Freude an der Behelligung der Behörden sei nicht gegeben. Mit seiner weiteren Eingabe vom 10. Oktober 2022 habe er um Reaktion auf seine erste Eingabe ersucht, zumal eine solche seitens des Verwaltungsgerichts ausgeblieben sei. Mit seiner dritten Eingabe vom 19. November 2022 habe er erneut um Auskunft ersucht, unter welcher „Nummer“ die Angelegenheit behandelt werde, wer für die Entscheidung „berufen“ sei und wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei. Die vierte Eingabe vom 15. Dezember 2022 wiederhole die erste Eingabe. Auch in diesen Fällen seien in Abweichung von der näher zitierten Judikatur zum strafbaren Mutwillen die Voraussetzungen für eine Mutwillensstrafe nach § 35 AVG nicht gegeben. Eine solche komme nämlich nur im Ausnahmefall in Betracht, wenn für das Verhalten einer Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bleibe. Durch das mehrmalige Ersuchen um Auskunft in einer Rechtssache werde dagegen vielmehr die Ernsthaftigkeit aufgezeigt, mit der der Revisionswerber die Angelegenheit verfolge.

10 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erstattete die belangte Behörde keine Revisionsbeantwortung .

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

12 Die Revision ist aus dem von ihr genannten Grund zulässig und auch begründet.

13 Vorauszuschicken ist, dass die Revision nicht im Grunde des § 25a Abs. 4 VwGG absolut unzulässig ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Verhängung einer Mutwillensstrafe nämlich um keine Angelegenheit des Verwaltungsstrafrechts (vgl. VwGH 21.5.2019, Ra 2018/19/0466, mwN).

14 Gemäß § 35 AVG kann die Behörde gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, eine Mutwillensstrafe bis € 726, verhängen. Gemäß § 17 VwGVG ist diese Bestimmung auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht anwendbar. Die Verhängung einer Mutwillensstrafe durch ein Verwaltungsgericht erfolgt durch Beschluss.

15 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt mutwillig in diesem Sinn, wer sich im Bewusstsein der Grund und Aussichtslosigkeit, der Nutz und der Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseres Wissen erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist. Mit der in § 35 AVG vorgesehenen Mutwillensstrafe kann geahndet werden, wer „in welcher Weise immer“ die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nimmt (vgl. zu alldem erneut VwGH 21.5.2019, Ra 2018/19/0466, mwN).

16 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Beschluss vom 29. Juni 1998, 98/10/0183, zu § 35 AVG ausgesprochen, dass mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen mit äußerster Vorsicht umzugehen und ein derartiger Vorwurf nur dann am Platz ist, wenn für das Verhalten einer Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bleibt; die Verhängung einer Mutwillensstrafe komme demnach lediglich im „Ausnahmefall“ in Betracht (vgl. dazu aus der jüngeren Rechtsprechung VwGH 3.2.2021, Ra 2020/20/0042).

17 Ein solcher, die Verhängung einer Mutwillensstrafe rechtfertigender Ausnahmefall ist für den Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall noch nicht erkennbar. Der Revisionswerber war offenbar bestrebt, die gegen ihn ergangenen genannten Erkenntnisse anzufechten, weil er sie für rechtswidrig erachtete, und begehrte ohne dies rechtlich zu qualifizieren eine Abänderung dieser Entscheidungen durch das Verwaltungsgericht, wobei er eine außerordentliche Revision für erfolglos und finanziell belastend erachtete und daher von einer solchen Abstand nahm. Diese allfällige Fehlbewertung der rechtlichen Möglichkeiten der Abänderung einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts und Unzulässigkeit des gestellten Antrags kann aber nicht als mutwillige Inanspruchnahme des Verwaltungsgerichts angesehen werden, sondern führt gegebenenfalls zur Zurückweisung des Antrags als unzulässig. Ebenso wenig kann durch die in der Folge eingebrachten Nachfragen an das Verwaltungsgericht ein Mutwille im Sinne des § 35 AVG erkannt werden. Auf andere ausschlaggebende Umstände, die einen Mutwillen im Sinne des § 35 AVG darlegen würden, hat sich das Verwaltungsgericht in der Begründung seiner Entscheidung nicht gestützt.

18 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

19 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 20. Dezember 2023

Rückverweise