Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Dr. Schwarz und Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des G S in W, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2022, W280 2151379 2/3E, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 sowie Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines Einreiseverbotes. (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 23. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der verbunden mit einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im Beschwerdeweg abgewiesen wurde.
2 Mit Bescheid vom 9. August 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 2. Oktober 2020 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurück. Unter einem wurde eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem auf drei Jahre befristeten Einreiseverbot gegen den Revisionswerber erlassen, die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Indien festgestellt und eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Zudem wies das BFA den Antrag auf Heilung des Mangels eines näher bezeichneten Dokumentes gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 iVm § 8 AsylG DV 2005 ab.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom BVwG mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis „mit der Maßgabe“ als unbegründet abgewiesen, „als die Dauer des Einreiseverbotes auf 18 Monate herabgesetzt“ werde. Das BVwG sprach weiters aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Das BVwG traf Feststellungen zum Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich, seinen (nach wie vor fehlenden) Deutschkenntnissen und seinem Privat und Familienleben sowie der Situation in seinem Heimatstaat, und führte im Wesentlichen aus, dass sich der Sachverhalt seit Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung nicht derart wesentlich geändert habe, sodass eine ergänzende oder neue Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich gewesen wäre. Eine mündliche Verhandlung habe unterbleiben können, weil der Sachverhalt aus der Beschwerde in Verbindung mit dem Verwaltungsakt der belangten Behörde hinreichend geklärt sei.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 31.8.2002, Ra 2022/17/0116, mwN).
10 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist fallbezogen in konkreter Weise darzulegen. Dies setzt voraus, dass auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 14.3.2022, Ra 2021/17/0176 bis 0179, mwN).
11 Mit dem lediglich pauschalen Vorbringen, dass „die im angefochtenen Erkenntnis vertretene Ansicht“ des BVwG „nunmehr aufgrund der geänderten Rechtslage durch den EuGH sowie den Auswirkungen auf die allgemeinen Länderfeststellungen und der darauf beruhenden Beweiswürdigung“ unrichtig sei, gelingt der Revision diese erforderliche Relevanzdarstellung nicht.
12 Dem Revisionsvorbringen, wonach sich der Revisionswerber mittlerweile seit acht Jahren in Österreich aufhalte, ist entgegenzuhalten, dass dies vom BVwG ohnehin berücksichtigt wurde und damit (allein) kein geänderter Sachverhalt iSd § 58 Abs. 10 AsylG 2005 dargelegt wird (vgl. dazu VwGH 3.1.2023, Ra 2022/17/0198, wonach zwar das persönliche Interesse des Fremden an einem Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt; die bloße Aufenthaltsdauer jedoch freilich nicht allein maßgeblich ist, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren).
13 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit weiters vor, das BVwG habe zu Unrecht die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen.
14 Im Zusammenhang mit einer Zurückweisung gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 ist die Frage nach dem zulässigen Unterbleiben einer Verhandlung auf Basis des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG zu beurteilen. Demnach kann eine Verhandlung (unter anderem) dann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag zurückzuweisen ist. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt, dass es in den Fällen des § 24 Abs. 2 VwGVG im Ermessen des Verwaltungsgerichts liegt, auch trotz Antrag eine mündliche Verhandlung nicht durchzuführen (vgl. VwGH 29.3.2021, Ra 2017/22/0196, mwN).
15 Vorliegend war das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung durch § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG gedeckt, zumal der das Verwaltungsverfahren einleitende Antrag zurückzuweisen war. Es ist nicht ersichtlich, dass eine mündliche Verhandlung in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens des Verwaltungsgerichts dennoch geboten gewesen wäre (vgl. VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0341).
16 Zu den behaupteten Ermittlungsmängeln im Bereich der Länderfeststellungen zeigt die Revision weder auf, welche konkreten Ermittlungen sie für notwendig erachtet hätte, noch legt sie die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dar (vgl. zur Relevanzdarlegung von Verfahrensmängel im Zusammenhang mit „Länderdokumentationen“ etwa VwGH 15.4.2019, Ra 2019/01/0109, mwN).
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 19. April 2023