JudikaturVwGH

Ra 2022/17/0155 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
20. Februar 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der Q A M, vertreten durch Mag. Carolin Seifriedsberger, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Walfischgasse 3/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 2022, W233 2254477 1/8E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1.1. Die im April 1996 geborene Revisionswerberin, eine philippinische Staatsangehörige, reiste am 23. Dezember 2017 mit einem Visum C (gültig von 22. Dezember 2017 bis 5. Februar 2018) in Österreich ein, wo bereits ihr Vater (seit spätestens Juli 2016) sowie ihre Mutter und ihre im März 2005 geborene Schwester (seit spätestens Juni 2017), ebenso philippinische Staatsangehörige, rechtmäßig (jeweils aufgrund eines Aufenthaltstitels „Rot Weiß Rot Karte plus“) aufhältig sind.

1.2. Die Revisionswerberin blieb über das Gültigkeitsende ihres Visums C hinaus illegal im Bundesgebiet und stellte am 6. Februar 2018 im Inland einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gemäß § 47 NAG, den sie zuletzt in einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Schüler“ gemäß § 63 NAG abänderte.

Diesen Antrag wies der Landeshauptmann von Wien zunächst zurück bzw. in der Folge ab, das Verwaltungsgericht Wien hob die betreffenden Bescheide jeweils auf bzw. sprach zuletzt ebenso eine Zurückweisung dieses Antrags aus. Diese Entscheidung wurde schließlich vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 20. Mai 2022, Ra 2019/22/0074, behoben und eine Erledigung in der Sache aufgetragen (auf den Inhalt dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen).

1.3. Wie eine vom Verwaltungsgerichtshof im nunmehrigen Revisionsverfahren durchgeführte Abfrage des Informationssystems Zentrales Fremdenregister ergab, zog die Revisionswerberin mittlerweile (im Oktober 2022) den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Schüler“ zurück.

2.1. Der Landeshauptmann von Wien teilte im Mai 2018 dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Behörde) den illegalen Aufenthalt der Revisionswerberin mit. Die Behörde führte daraufhin Ermittlungen durch.

2.2. Mit Bescheid vom 1. April 2022 sprach die Behörde schließlich aus, dass der Revisionswerberin ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde, gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen werde, die Zulässigkeit ihrer Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 46 FPG festgestellt werde, einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde sowie gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt werde.

2.3. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der Revisionswerberin gab das Bundesverwaltungsgericht zunächst mit Teilerkenntnis vom 2. Mai 2022 insofern Folge, als es gemäß § 18 Abs. 5 BFA VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannte.

3.1. Mit dem angefochtenen (weiteren) Erkenntnis vom 12. Juli 2022 wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid vom 1. April 2022, soweit ihr ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit ihrer Abschiebung festgestellt wurde, als unbegründet ab. Hingegen gab es der Beschwerde insofern Folge, als es gemäß § 55 Abs. 2 FPG eine 14 tägige Frist für ihre freiwillige Ausreise einräumte. Ferner sprach es aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

3.2. Das Bundesverwaltungsgericht stellte (über oben Pkt. 1.1. und 1.2. sowie 2.1. bis 2.3. hinaus) fest, die Revisionswerberin sei auf den Philippinen geboren worden. Ihre Muttersprache sei Ilongo, weiters beherrsche sie Tagalog und Englisch. In Österreich habe sie die Deutschprüfung auf A2 Niveau abgelegt und auch die mündliche Prüfung auf B1 Niveau bestanden. Sie sei gesund und strafgerichtlich unbescholten. Bis zur Einreise im Bundesgebiet habe sie in ihrem Herkunftsstaat gelebt, wo sie sozialisiert worden sei, die Schulausbildung absolviert habe und einen Universitätsabschluss (Bachelor) im Fach „Tourismus“ erlangt habe.

Die Revisionswerberin habe bereits vor ihrer Einreise beabsichtigt, auf Dauer in Österreich zu bleiben. Sie habe daher von Anfang an die Regeln über den Familiennachzug umgehen wollen.

Die Revisionswerberin lebe seit ihrer Einreise mit ihren Eltern und ihrer Schwester im gemeinsamen Haushalt zusammen. Sie habe ihren Lebensunterhalt bis zur Einreise und auch seitdem durch die finanzielle Unterstützung ihrer Eltern bestritten. Sie verfüge über eine vorläufige Einstellungszusage von „Kinder in Wien“, wonach ihr eine Arbeit als englischsprachige Kinderbetreuerin im Umfang von 40 Wochenstunden mit einem Bruttoverdienst von € 1.696, zugesagt worden sei, dies (jedoch) vorbehaltlich einer etwaigen Absage durch den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer. Die Revisionswerberin habe bis zum Ausbruch der Covid 19 Pandemie freiwillig beim Roten Kreuz mitgearbeitet, weiters sei sie Mitglied einer Wiener Kirchengemeinde.

Der Revisionswerberin sei die Rückkehr auf die Philippinen zumutbar, da sie dadurch in keine existenzgefährdende Notlage geraten bzw. nicht die notdürftigste Lebensgrundlage verlieren würde. Sie laufe nicht Gefahr, in ihrem Herkunftsstaat grundlegende und notwendige Bedürfnisse (wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft) nicht mehr befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose Situation zu geraten. Vielmehr sei sie aufgrund ihrer Sprachkenntnisse und ihrer Ausbildung in der Lage, ihre grundlegenden existenziellen Bedürfnisse befriedigen zu können. Sie sei auch nicht im Recht auf Leben gefährdet, es drohten ihr keine Folter sowie keine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung.

3.3.1. Rechtlich folgerte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen, ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 sei nicht zu erteilen, da die diesbezüglichen (näher erörterten) Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

3.3.2. Eine Rückkehrentscheidung sei zu erlassen, da sich die Revisionswerberin unrechtmäßig in Österreich aufhalte. Die Rückkehrentscheidung stelle auch keine Verletzung des Art. 8 EMRK dar, überwiege doch das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung die gegenläufigen privaten und familiären Interessen.

So sei die Revisionswerberin zwar im Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichts bereits seit rund viereinhalb Jahren in Österreich aufhältig, was jedoch dadurch relativiert werde, dass ihr Aufenthalt seit dem Gültigkeitsende ihres Visums C unrechtmäßig sei. Zudem komme nach der Rechtsprechung bei der Abwägung nach Art. 8 EMRK einem Aufenthalt von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung zu. Auch der längeren Dauer des gegenständlichen Verfahrens sei keine erhebliche Bedeutung beizumessen, da die Revisionswerberin nur kurz über ein Visum C und sonst über keinen Aufenthaltstitel verfügt habe. Ferner sei ihr als grobe Sorgfaltswidrigkeit anzulasten, dass sie ihren Wohnsitz nicht von Beginn an bei ihrer Familie gemeldet habe.

Was die Integration betreffe, so habe die Revisionswerberin zwar die Deutschprüfungen auf A2 Niveau und mündlich auf B1 Niveau absolviert; weiters habe sie sich bis zum Ausbruch der Covid 19 Pandemie beim Roten Kreuz engagiert, sei Mitglied einer Kirchengemeinde und könne auch eine Einstellungszusage vorweisen. Die betreffenden Schritte würden aber dadurch relativiert, dass sie zu einem Zeitpunkt gesetzt worden seien, in dem sie sich ihres unsicheren Aufenthaltsstatus habe bewusst sein müssen.

Was das Familienleben anlange, so wohne die schon längst volljährige Revisionswerberin zwar seit ihrer Einreise bei ihrer rechtmäßig aufhältigen Familie im gemeinsamen Haushalt; zudem werde sie von ihren Eltern finanziell unterstützt und sei von diesen bereits im Herkunftsstaat finanziell abhängig gewesen. Allerdings sei nach der Rechtsprechung auch die Aufhebung eines wie hier aufrechten Familienlebens dann gerechtfertigt, wenn dem öffentlichen Interesse an einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ein sehr großes Gewicht beizumessen sei, etwa weil ein Fremder von Anfang an die Umgehung der Regeln über den Familiennachzug beabsichtigt habe. Davon sei hier auszugehen, da die Revisionswerberin bereits vor ihrer Einreise beabsichtigt habe, auf Dauer (unrechtmäßig) im Bundesgebiet zu bleiben.

Soweit die Revisionswerberin strafrechtlich unbescholten sei, ergebe sich auch daraus nach der Rechtsprechung keine erhöhte Schutzwürdigkeit ihrer persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich.

Bei einer Gesamtbetrachtung überwiege daher das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung die gegenläufigen privaten Interessen der Revisionswerberin und stelle die Erlassung einer Rückkehrentscheidung im Ergebnis keine Verletzung des Art. 8 EMRK dar. Mangels Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung auf Dauer komme auch die amtswegige Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG 2005 nicht in Betracht.

3.3.3. Die Zulässigkeit der Abschiebung auf die Philippinen sei auszusprechen, da keiner der (näher erörterten) Gründe des § 50 FPG, die eine Abschiebung unzulässig machten, erfüllt sei.

Für die freiwillige Ausreise sei eine 14 tägige Frist einzuräumen, da mit Teilerkenntnis vom 2. Mai 2022 der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei und damit § 55 Abs. 4 FPG keine Anwendung mehr finde.

4. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die gegenständliche Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende außerordentliche Revision, zu der im Vorverfahren keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde.

In der Zulässigkeitsbegründung wird ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in den nachstehend näher erörterten Punkten behauptet. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG wird jedoch nicht aufgezeigt.

5. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

An den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat jedoch die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

6.1. Die Revisionswerberin wendet sich in erster Linie gegen die im Rahmen der Rückkehrentscheidung vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK. Sie führt dazu aus, das Bundesverwaltungsgericht sei von den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen unvertretbar abgewichen, indem es die besondere Schutzwürdigkeit ihres Familienlebens sowie ihre ausgeprägte Integration außer Acht gelassen und dabei den Sachverhalt vor allem in Bezug auf die vorgelegte Einstellungszusage, ihre Deutschkenntnisse, ihre ehrenamtliche Mitarbeit beim Roten Kreuz und in der Kirchengemeinde sowie das vorgelegte Empfehlungsschreiben nicht schlüssig gewürdigt habe.

6.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist die unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde, nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG (vgl. etwa VwGH 4.9.2024, Ra 2024/17/0071 bis 0073, Pkt. 8.2., mwN).

Eine derartige Interessenabwägung ist vom Verwaltungsgerichtshof nur dann aufzugreifen, wenn das Verwaltungsgericht im konkreten Einzelfall die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien und Grundsätze nicht beachtet und damit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse und unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalls vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 27.8.2024, Ra 2021/17/0165, Pkt. 9.2., mwN).

6.3. Vorliegend stellte das Bundesverwaltungsgericht die fallbezogen maßgeblichen Umstände in verfahrensrechtlich einwandfreier Weise nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung fest und bezog sie in seine in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ein. Es nahm dabei auch auf die im obigen Vorbringen (Pkt. 6.1.) geltend gemachten Umstände hinreichend Bedacht.

Dass das Bundesverwaltungsgericht bei seinen Erwägungen die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien und Grundsätze in unvertretbarer Weise außer Acht gelassen bzw. eine krasse und unvertretbare als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG aufzugreifende Fehlbeurteilung vorgenommen hätte, wird in der Revision nicht begründet dargetan und ist auch in keiner Weise zu sehen.

6.4.1. Entgegen dem Revisionsvorbringen ließ das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auch die Schutzwürdigkeit des fallbezogen durch das Zusammenwohnen im gemeinsamen Haushalt und die finanzielle Abhängigkeit von den Eltern seit der Einreise begründeten (vgl. etwa VwGH 22.6.2020, Ra 2019/19/0539, Rn. 19, mwN) Familienlebens der volljährigen Revisionswerberin mit ihren aufenthaltsberechtigten Angehörigen (Eltern und Schwester) keineswegs außer Acht, sondern nahm darauf hinreichend Bedacht. Es bezog sich dabei jedoch (vor allem) auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach ein Familienleben dann relativiert ist, wenn dem öffentlichen Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, was (unter anderem) bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den Familiennachzug der Fall ist (vgl. etwa VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0282, Rn. 18, mwN).

6.4.2. Vorliegend ging das Bundesverwaltungsgericht auf Basis der von ihm getroffenen Feststellungen (zur konstatierten Umgehungsabsicht siehe auch noch Pkt. 7.1. bis 7.4.) davon aus, dass die Revisionswerberin von Anfang an die Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den Familiennachzug beabsichtigte, reiste sie doch mit einem Touristenvisum ein und verblieb über dessen Gültigkeitsende hinaus unrechtmäßig im Bundesgebiet, ohne über einen Aufenthaltstitel zu verfügen (soweit sie zunächst die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung „Schüler“ beantragte, war auch damit kein Aufenthaltsrecht verbunden; zudem zog sie den Antrag letztlich ersatzlos zurück). Die eurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass sie von Beginn an danach getrachtet habe, durch ihr missbräuchliches Vorgehen ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu erzwingen und insoweit vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. dazu etwa VwGH 20.12.2012, 2011/23/0512, mwN), ist somit begründet.

Da einem derartigen verpönten Verhalten aufgrund des sehr hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses entschieden und effektiv zu begegnen ist, kam das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls vertretbar zum Ergebnis, dass fallbezogen in der Rückkehrentscheidung ein unverhältnismäßiger Eingriff in das nach Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben nicht gesehen werden (vgl. auch VwGH 24.1.2018, Ra 2016/01/0127, 0128, Rn. 18).

6.4.3. Dem steht auch die bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts rund viereinhalbjährige Aufenthaltsdauer (vgl. zu einer solchen Dauer etwa VwGH 18.12.2024, Ra 2024/21/0081, Rn. 14, mwN), nicht entgegen, kommt dieser doch mangels Vorliegens außergewöhnlicher Umstände (etwa einer ganz besonders ausgeprägten Intensität des Familienlebens bzw. der Integration) (noch) keine erhebliche Bedeutung zu.

6.5.1. Entgegen dem Revisionsvorbringen ließ das Bundesverwaltungsgericht auch die Integration der Revisionswerberin keineswegs außer Acht, sondern würdigte den Sachverhalt (insbesondere auch in Bezug auf die vorgelegte Einstellungszusage, ihre Deutschkenntnisse, ihre ehrenamtliche Mitarbeit beim Roten Kreuz und in der Kirchengemeinde sowie das vorgelegte Empfehlungsschreiben) in jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstandender Weise.

6.5.2. In dem Zusammenhang ist zunächst die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Revisionswerberin von Beginn an die Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den Familiennachzug beabsichtigte und sich daher ihres unsicheren Aufenthalts bewusst war, nicht zu beanstanden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist maßgeblich relativierend, wenn wie vorliegend integrationsbegründende Schritte in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. etwa VwGH 22.7.2021, Ra 2020/22/0220, Rn. 11, mwN).

6.5.3. Ergänzend ist zu den einzelnen in Rede stehenden integrationsbegründenden Schritten Folgendes auszuführen:

Was die Beschäftigungszusage betrifft, so stellte das Bundesverwaltungsgericht zwar fest, dass die Revisionswerberin über eine derartige Zusage verfüge; unter einem hielt es jedoch einschränkend bzw. relativierend fest, dass die Zusage bloß vorläufig sei und unter dem Vorbehalt einer etwaigen Absage durch den Arbeitgeber oder den Arbeitnehmer stehe. Schon im Hinblick darauf begegnet es aber keinen Bedenken, wenn das Bundesverwaltungsgericht der Zusage im Ergebnis keine entscheidende Bedeutung beimaß. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof auch bereits ausgesprochen, dass aus vorgelegten Arbeitsvorverträgen, einer Bestätigung über die Reservierung eines Arbeitsplatzes und der Absolvierung einer Berufsausbildung eine erhebliche berufliche Integration (noch) nicht abzuleiten sei, sondern derartige Umstände die bloße Vorbereitung einer künftigen Berufstätigkeit darstellten, der im Rahmen der Abwägung nach Art. 8 EMRK kein entscheidendes Gewicht beizumessen sei (vgl. VwGH 23.11.2017, Ra 2015/22/0162, 0163, Pkt. 5.2., mwN).

Das Bundesverwaltungsgericht nahm weiters auch auf die Deutschkenntnisse hinreichend Bedacht, die sich jedoch darauf beschränkten, dass die Revisionswerberin (im November 2018) die Deutschprüfung auf A2 Niveau und (im Februar 2019) die mündliche Prüfung auf B1 Niveau absolvierte. Weitere Prüfungen legte sie nach der Aktenlage nicht ab, vielmehr stellte sie in der mündlichen Verhandlung bloß in Aussicht, ab August 2022 wieder mit einem B1 Kurs zu beginnen. Ferner gestand sie in der mündlichen Verhandlung selbst ausdrücklich zu, dass sie nur „ein bisschen Deutsch“ spreche, was sich auch im Verhandlungsprotokoll wiederspiegelt, dem zufolge sie nur wenige Angaben auf Deutsch machte und im Übrigen ihre Aussage in Tagalog unter Mitwirkung eines Dolmetschers ablegte. In Anbetracht dessen ist aber nicht zu beanstanden, dass das Bundesverwaltungsgericht auch den nicht besonders ausgeprägten Deutschkenntnissen im Ergebnis keine erhebliche Bedeutung beimaß.

Was die ehrenamtliche Mitarbeit beim Roten Kreuz anbelangt, so stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die Revisionswerberin diese Tätigkeit bereits mit Ausbruch der Covid 19 Pandemie beendete. Zudem wurden auch zur Art und Intensität der Betätigung keine näheren Angaben gemacht, sodass das Bundesverwaltungsgericht darin im Ergebnis keinen entscheidenden Umstand erblicken musste. In Bezug auf die Mitwirkung in einer Wiener Kirchengemeinde behauptete die Revisionswerberin zwar, dass sie bis zuletzt bei Essensausgaben geholfen habe, obwohl sie bei ihrer Vernehmung nicht einmal angeben konnte, wo sich die Gemeinde genau befinde. Da aber auch insofern Angaben zur Dauer bzw. Intensität der angeblichen Mitarbeit unterblieben, musste das Bundesverwaltungsgericht auch darin kein entscheidendes Kriterium sehen.

An dieser Beurteilung vermag auch ein von der Revisionswerberin ins Treffen geführtes Empfehlungsschreiben einer angeblichen Unterkunftgeberin nichts zu ändern, hat doch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass die Revisionswerberin bei dieser nur zum Schein gemeldet gewesen sei, was im Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht bestritten wurde.

7.1. Die Revisionswerberin releviert ferner, das Bundesverwaltungsgericht habe ihr auf Basis ihrer eigenen Aussage und jener ihres Vaters eine Umgehungsabsicht in Bezug auf die Regelungen über den Familiennachzug vorgeworfen. Bei richtiger Würdigung der Aussagen wäre jedoch eine solche Absicht nicht festzustellen gewesen, da sie zwar eine dauerhafte Niederlassung beabsichtigt habe, dabei jedoch aufgrund einer falschen Rechtsberatung durch ihren vormaligen Rechtsanwalt (unzutreffend) angenommen habe, dass sie den Ausgang des Verfahrens zur Erlangung eines Aufenthaltstitels in Österreich abwarten dürfe.

7.2. Mit diesem Vorbringen wendet sich die Revisionswerberin gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts. Diese ist freilich einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nur insofern zugänglich, als es um die ordnungsgemäße Ermittlung der Beweisergebnisse und die Kontrolle der Schlüssigkeit der angestellten Erwägungen geht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wäre nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht die diesbezügliche Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 6.8.2019, Ra 2017/22/0020, Pkt. 4.3., mwN).

7.3. Vorliegend hält die Beweiswürdigung einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nach den aufgezeigten Kriterien stand. Das Bundesverwaltungsgericht traf die Feststellungen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf Basis der dort getätigten Aussagen und nahm dabei eine schlüssige Beweiswürdigung vor. Dass diese Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre, ist nicht zu sehen.

7.4. Wie das Bundesverwaltungsgericht begründend ausführte, ist sowohl aus der Aussage der Revisionswerberin als auch aus der Aussage ihres Vaters abzuleiten, dass sie von Anfang an beabsichtigte, nach ihrer Einreise bei ihrer in Österreich lebenden Familie zu bleiben. Dabei war ihr von Anfang an bekannt, dass ihr Aufenthalt nur im Gültigkeitszeitraum ihres Visums C rechtmäßig war und sie darüber hinaus eine Aufenthaltsberechtigung benötigte, räumte sie doch selbst ein, dass sie ein Touristenvisum und keine Aufenthaltsberechtigung beantragte, „damit es schneller geht“ und sie Weihnachten bereits mit ihrer Familie feiern könne. Sie wollte somit raschestmöglich in Österreich einreisen und hier zugegebenermaßen über das Gültigkeitsende ihres Visums C hinaus bleiben, selbst wenn sie über eine dafür benötigte Aufenthaltsberechtigung nicht verfügte.

Soweit die Revisionswerberin demgegenüber glauben machen wollte, sie habe wie ihre Eltern keine Ahnung gehabt, dass sie für ihren Verbleib im Bundesgebiet eine entsprechende Aufenthaltsberechtigung benötige, kann dem auch mit Blick auf ihre akademische Bildung keinesfalls gefolgt werden. Ihren Eltern musste das Erfordernis einer Aufenthaltsberechtigung ebenso bekannt sein, verfügten sie doch selbst über einen Aufenthaltstitel „Rot Weiß Rot Karte plus“ (und nicht etwa bloß über ein Visum C). Auch der weiteren Darstellung der Revisionswerberin, sie sei von ihrem damaligen Rechtsanwalt falsch beraten worden und insofern erst durch ihre nunmehrige Rechtsvertreterin aufgeklärt worden, kann nicht gefolgt werden. Dem steht allein schon entgegen, dass gegen die Revisionswerberin nach der Aktenlage im Lauf der Jahre immer wieder polizeiliche Ermittlungen wegen des Verdachts des illegalen Aufenthalts geführt wurden (wobei auch ihr Reisepass abverlangt wurde, dessen Herausgabe sie freilich verweigerte), sodass ihr die Unrechtmäßigkeit ihres Aufenthalts jedenfalls bekannt war.

8.1. Die Revisionswerberin macht schließlich als Verfahrensmangel geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe die Feststellungen zur Lage in ihrem Herkunftsstaat auf Basis veralteter Länderberichte getroffen. Bei Heranziehung aktueller Berichte wäre es zum Ergebnis gelangt, dass es ihr im Fall der Rückkehr auf die Philippinen nicht möglich sei, dort ihre grundlegenden und notwendigen Lebensbedürfnisse zu befriedigen, und dass sie in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten würde.

8.2. Insofern genügt es, darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht der rechtskundig vertretenen Revisionswerberin in der mündlichen Verhandlung die Länderberichte für die Philippinen vor allem auch in Bezug auf die Inhalte zur allgemeinen Lage erläuterte und ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme einräumte, sie auf eine solche jedoch verzichtete. Soweit die Revisionswerberin erstmals in der Revision ein konkretes Vorbringen erstattete, wonach die Berichte veraltet seien und mittlerweile die Lage derart beschaffen sei, dass es ihr im Fall der Rückkehr nicht möglich sei, ihre grundlegenden und notwendigen Lebensbedürfnisse zu befriedigen, und dass sie in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten würde, liegt ein Verstoß gegen das Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) vor.

Im Hinblick darauf liegt auch der behauptete Verfahrensmangel nicht vor (vgl. etwa VwGH 4.4.2019, Ra 2016/08/0032, Pkt. 3.6., mwN).

9. Insgesamt wird daher in der maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung (vgl. etwa VwGH 20.4.2022, Ra 2021/17/0126, Pkt. 7., mwN) keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 20. Februar 2025

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