Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision des H S in G, vertreten durch Mag. Norbert Tanzer, Rechtsanwalt in 6410 Telfs, Obermarkt 2, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 30. März 2022, Zlen. LVwG 2021/15/0083 17 und LVwG 2021/15/0084 17, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer forstrechtlichen Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Innsbruck; mitbeteiligte Partei: Gemeinde G, vertreten durch Mag. Ferdinand Kalchschmid, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas Hofer Straße 2 4), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird, soweit damit die Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Erteilung einer forstrechtlichen Bewilligung angefochten wird, zurückgewiesen.
Im Übrigen (hinsichtlich des wasserrechtlichen Verfahrens) bleibt die Entscheidung dem zuständigen Senat 07 des Verwaltungsgerichtshofes vorbehalten.
1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 23. November 2020 wurde der mitbeteiligten Partei die wasser und forstrechtliche Bewilligung zur Beileitung einer näher genannten Quelle erteilt.
2 Mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 30. März 2022 wurde die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde als verspätet zurückgewiesen und ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
3 Begründend ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass der angefochtene Bescheid dem Revisionswerber durch Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist am 30. November 2020 zugestellt worden sei. Dagegen sei mit E Mail am 29. Dezember 2020 sohin einen Tag nach Ablauf der Rechtsmittelfrist - Beschwerde erhoben worden.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, aus der gesonderten Darstellung der Zulässigkeitsgründe ergeben. Der Verwaltungsgerichtshof überprüft die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B VG sohin (nur) im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (vgl. VwGH 24.2.2022, Ra 2020/10/0129; 4.5.2021, Ra 2020/10/0081; 30.3.2020, Ra 2019/10/0180 0182, 0187).
8 In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zunächst geltend gemacht, die Beurteilung des Zeitpunkts der Zustellung des behördlichen Bescheides durch das Verwaltungsgericht sei grob fehlerhaft erfolgt und habe zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt. Das Verwaltungsgericht gehe richtig davon aus, dass sich der Zeitpunkt der Zustellung „aus der Vorderseite der von der Post übermittelten Hinterlegungsanzeige“ ergebe, es habe jedoch diese Hinterlegungsanzeige völlig unrichtig ausgelegt. Dazu wird in der Revision mit weitwendigen Ausführungen der Standpunkt eingenommen, aus der vorliegenden Hinterlegungsanzeige ergebe sich, dass die Sendung „erstmals am 01.12.2020 ab 16:30 Uhr abholbereit“ gewesen sei.
9 Zu diesem Vorbringen ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach die Auslegung eines Schriftstückes (hier: der Hinterlegungsanzeige) oder einer Parteierklärung im Einzelfall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG aufwirft, soweit dem Verwaltungsgericht dabei keine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist (vgl. VwGH 23.9.2021, Ra 2021/16/0078; 22.1.2021, Ra 2020/03/0064; 18.8.2020, Ra 2020/16/0119). Dass im vorliegenden Fall eine solche krasse Fehlbeurteilung vorliegen würde, zeigt die Revision aber nicht auf:
10 Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers ergibt sich aus der vorliegenden Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Dokuments durch händisches Ankreuzen bzw. Ausfüllen der Anzeige durch den Zusteller in Verbindung mit dem maschinschriftlichen Vordruck unmissverständlich, dass das Zustellorgan den Beginn der Abholfrist in dieser Anzeige am Tag des Zustellversuchs (30. November 2020) mit „ab heute 16:30 Uhr“ festgelegt hat. Die gegenteiligen Ausführungen des Revisionswerbers lassen unberücksichtigt, dass bei der gebotenen objektiven Betrachtung weder Zweifel daran entstehen können, dass mit „heute“ der Tag des Zustellversuchs (30. November 2020) gemeint ist, noch dass sich dieser Tag lesbar aus dem handschriftlichen Vermerk des Zustellers ergibt. Es trifft auch nicht zu, dass sich der Hinterlegungsanzeige unterschiedliche Zeitpunkte dazu, ab wann das Dokument abholbereit ist, entnehmen ließen, ergibt sich doch gerade durch das handschriftliche Ankreuzen bzw. Nichtankreuzen die keineswegs widersprüchliche Aussage, dass das Schriftstück am Tag des Zustellversuchs (30. November 2020) „ab heute 16:30 Uhr“ oder Montag bis Freitag „ab 9:00 Uhr von 01.12.2020 ... bis 21.12.2020“ abholbereit sei. Es kann daher keine Rede davon sein, dass dem Verwaltungsgericht bei der Auslegung der Hinterlegungsanzeige eine krasse Fehlbeurteilung vorzuwerfen wäre.
11 Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang auf den vom Zusteller auf dem Kuvert des Schriftstücks angebrachten Vermerk („Beginn der Abholfrist 01122020“) bzw. auf die Aussagen des Zustellers dazu in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht verweist, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach der erste Tag der Abholfrist nach dem letzten Satz des § 17 Abs. 2 ZustG vom Zusteller in der Verständigung anzugeben ist. Wenn der Zusteller den Beginn der Abholfrist auf der Verständigung über die Hinterlegung angegeben hat, dann ist für den Beginn der Abholfrist allein diese Festlegung maßgeblich, weil mit dem Rückschein bloß der Beweis darüber erbracht wird, dass die Zustellung dem Gesetz entsprach. Die abweichende Angabe des Beginns der Abholfrist auf dem Rückschein ist ohne Belang, weil der Beginn der Abholfrist nicht auf dem Rückschein festgesetzt wird (vgl. VwGH 17.10.2013, 2013/11/0188, mit Verweis auf VwGH 20.9.2005, 2005/05/0016, VwSlg. 16716 A; siehe auch VwGH 12.8.2020, Ra 2020/05/0139). Weder die auf dem Rückschein (bzw. hier dem Briefkuvert) aufscheinende abweichende Angabe des Beginns der Abholfrist noch der Umstand, dass der Zusteller nachdem die Hinterlegungsanzeige am 30. November 2020 mit dem oben dargestellten Inhalt hinterlassen wurde nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes irrtümlich davon ausgegangen ist, dass aufgrund des Vordrucks auf der Hinterlegungsanzeige der Beginn der Abholfrist der 1. Dezember 2020 gewesen wäre, vermögen demnach an der maßgeblichen Festlegung des Beginns der Abholfrist auf der Verständigung über die Hinterlegung etwas zu ändern. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers liegt insofern auch kein Zustellmangel vor. Auf Fragen der durch eine solche Vorgangsweise des Zustellers verursachten Rechtsnachteile infolge der Versäumung von Fristen ist hier die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist wurde vom Revisionswerber nicht beantragt und ist nicht Gegenstand des angefochtenen Beschlusses nicht einzugehen.
12 Soweit der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung auch geltend macht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, welche Rechtsfolgen unterschiedliche Angaben in der Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Dokuments und am Briefkuvert hätten, genügt es auf die bereits oben genannte hg. Judikatur seit dem Erkenntnis VwSlg. 16716 A hinzuweisen. Soweit in diesem Zusammenhang vom Revisionswerber unter Verweis auf eine weitere Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Tirol die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung verschiedener Spruchkörper eines Verwaltungsgerichtes als grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG geltend gemacht wird, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach eine uneinheitliche Rechtsprechung eines oder mehrerer Verwaltungsgerichte für sich genommen nicht den Tatbestand des Art. 133 Abs. 4 B VG erfüllt, wenn es zu der betreffenden Frage eine (einheitliche) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gibt (vgl. VwGH 7.4.2021, Ra 2021/02/0077; 10.7.2020, Ra 2020/01/0203; 10.12.2019, Ra 2016/15/0054).
13 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird schließlich ein Abweichen des Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „hinsichtlich der angemessenen Verfahrensdauer“ (Verweis auf VwGH 24.6.2009, 2008/09/0094, VwSlg. 17713 A) bzw. ein Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „zu den Rechtsfolgen einer überlangen Verfahrensdauer außerhalb eines Verwaltungsstrafverfahrens“ behauptet.
14 Dem ist zum einen zu erwidern, dass das vom Revisionswerber genannte hg. Erkenntnis wie von ihm selbst ausgeführt zu einem Verwaltungsstrafverfahren ergangen ist, in dem eine Überschreitung der nach Art. 6 Abs.1 EMRK angemessenen Verfahrensdauer in Anwendung des § 19 VStG in Verbindung mit § 34 Abs. 2 StGB als strafmildernd zu bewerten ist. Für das vorliegende, kein Verwaltungsstrafverfahren darstellende Verfahren ist diese Rechtsprechung daher nicht einschlägig. Zum anderen ist auf die ständige, auch weiterhin maßgebliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits Novelle 2014 hinzuweisen, wonach mit der gemäß Art. 131 Abs. 1 Z 1 B VG erhobenen Beschwerde (nunmehr: gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B VG erhobenen Revision) Rechtsverletzungen geltend gemacht werden können, die in der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung begründet sind. Eine nach Auffassung des Beschwerdeführers (nunmehr: Revisionswerbers) unangemessen lange Verfahrensdauer stellt jedoch keine solche Rechtsverletzung dar (vgl. VwGH 5.11.2014, 2012/10/0151; 13.12.2010, 2009/10/0020; 26.2.2007, 2005/10/0077, VwSlg. 17134 A). Zur Gewährleistung einer angemessenen Verfahrensdauer stehen die Rechtsbehelfe der Säumnisbeschwerde und des Fristsetzungsantrages zur Verfügung (vgl. VwGH 22.4.2015, Ro 2014/10/0122, VwSlg. 19101 A).
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in dem im Spruch dargestellten Umfang zurückzuweisen.
Wien, am 14. Juni 2022