Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die außerordentliche Revision des Dr. A B in C, vertreten durch die Beneder Rechtsanwalts GmbH in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 27/DG/9, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 14. Oktober 2022, LVwG AV 1063/001 2022, betreffend Einstellung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in einer Disziplinarangelegenheit nach dem Ärztegesetz 1998 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Niederösterreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Niederösterreich (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde), untersagte mit Bescheid vom 17. März 2021 dem Revisionswerber gemäß § 138 Ärztegesetz 1998 (ÄrzteG 1998) als einstweilige Maßnahme die Ausübung des ärztlichen Berufs bis zum rechtskräftigen Abschluss des gegen ihn geführten Disziplinarverfahrens.
2 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.
3 Mit weiterem Bescheid der belangten Behörde vom 9. Juni 2021 wurde die einstweilige Maßnahme gemäß § 138 Abs. 3 ÄrzteG 1998 aufgehoben. Gegen diesen Bescheid wurde keine Beschwerde erhoben.
4 Mit Beschluss vom 14. Oktober 2022 stellte das Landesverwaltungsgericht das verwaltungsgerichtliche Beschwerdeverfahren ein. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
5 Rechtlich begründete das Verwaltungsgericht die Einstellung des Verfahrens im Wesentlichen dahingehend, dass das Rechtsschutzinteresse bei einer Bescheidbeschwerde im objektiven Interesse des Beschwerdeführers an einer Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Verwaltungsakts bestehe. Die Feststellung einer (allfälligen) Rechtswidrigkeit eines Bescheids sei im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nicht vorgesehen. Mit dem Interesse an einer solchen Entscheidung könne ein (noch aufrechtes) Rechtsschutzbedürfnis nicht begründet werden. Zu einer bloß abstrakten objektiven Rechtskontrolle sei das Verwaltungsgericht nicht berufen (Hinweise auf VwGH 24.3.2015, Ra 2014/03/0021; 23.4.2015, Ro 2015/07/0001; 27.7.2017, Ra 2017/07/0014; 31.1.2018, Ra 2018/10/0022; 22.7.2019, Ra 2019/02/0061; 16.10.2019, Ra 2019/03/0116).
6 Gegen den Beschluss eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 und Abs. 9 B VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil dieser von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Der Revisionswerber sieht die Zulässigkeit seiner Revision zusammengefasst zunächst in einer Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen des Ärztegesetzes 1998 über die Zusammensetzung des Disziplinarrats der Österreichischen Ärztekammer gelegen. Zudem habe die einstweilige Maßnahme der Untersagung der Berufsausübung von 17. März bis 9. Juni 2021 gegolten. Im Fall der Rechtswidrigkeit der Maßnahme könne er Schadenersatzforderungen gegen die Ärztekammer oder die Republik Österreich erheben. Es gehe daher nicht um eine abstrakte objektive Rechtskontrolle, sondern um konkrete wirtschaftliche Nachteile, was er bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung in seiner Einvernahme hätte darlegen können.
9 Mit diesem Vorbringen wird weder aufgezeigt, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung von der von ihm zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, noch werden damit Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukämen.
10 Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, aus § 33 Abs. 1 VwGG lasse sich entnehmen, dass der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis als Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof verstehe. Liege diese Voraussetzung schon bei Einbringung einer Revision nicht vor, sei diese unzulässig, falle die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führe dies zu einer Einstellung des Verfahrens. Der Verwaltungsgerichtshof hat ebenfalls zum Ausdruck gebracht, dass diese Überlegungen über das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses als Voraussetzung für eine zulässige Beschwerdeerhebung auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht übertragen werden können. Das Rechtsschutzinteresse besteht demnach bei einer Bescheidbeschwerde im objektiven Interesse des Beschwerdeführers an einer Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Verwaltungsakts. Dieses Interesse wird daher immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied mehr macht, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer keinen objektiven Nutzen hat, die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen soweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 5.4.2018, Ra 2017/19/0607, mwN).
11 Daraus folgt, dass ein Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht keinen Anspruch auf die bloße Feststellung der Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Bescheids hat; das Verwaltungsgericht ist ebenfalls nicht berufen, eine Entscheidung lediglich über abstrakt-theoretische Rechtsfragen zu treffen, denen keine praktische Relevanz mehr zukommt (VwGH 31.1.2018, Ra 2018/10/0022).
12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vermag ein aus wirtschaftlichen Gründen bestehendes Interesse an der grundsätzlichen Klärung einer Rechtssache, etwa um Schadenersatz im Wege der Amtshaftung geltend zu machen, am Fehlen der Möglichkeit, durch einen aufgehobenen Bescheid fortdauernd in Rechten verletzt zu sein, nichts zu ändern (siehe hiezu etwa VwGH 17.12.2019, Ro 2018/04/0008, mwN; vgl. auch VwGH 22.10.2013, 2011/10/0068).
13 An diesem Ergebnis ändert auch die vom Revisionswerber behauptete Unzuständigkeit der belangten Behörde nichts. Schon im Hinblick auf diese ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird auch die Relevanz des im Unterlassen der Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch das Verwaltungsgericht erblickten Verfahrensmangels durch das hiezu erstattete Vorbringen nicht aufgezeigt.
14 Die Revision war somit mangels Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen, wobei von einer Verhandlung nach § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abzusehen war.
Wien, am 1. Februar 2023