JudikaturVwGH

Ra 2024/09/0054 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
09. Oktober 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Rieder, über die außerordentliche Revision der A B in C, vertreten durch Dr. Andreas Hochwimmer, Dr. Rémy Horcicka, Dr. Christoph Rother, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Neutorstraße 21, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 3. Juli 2024, 405 6/313/1/8 2024, betreffend vorläufige Suspendierung nach dem Landeslehrer Dienstrechtsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bildungsdirektion für Salzburg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Die Revisionswerberin steht als Landeslehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Salzburg.

2 Mit Bescheid vom 4. Mai 2023 verfügte die gemäß § 10 Abs. 3 Z 3 Salzburger Landeslehrpersonen Diensthoheitsgesetz 2019 (LDHG 2019) dazu berufene Bildungsdirektion für Salzburg (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde) gemäß § 80 Abs. 1 Z 3 Landeslehrer Dienstrechtsgesetz (LDG 1984) die vorläufige Suspendierung der Revisionswerberin. Die dagegen erhobene Beschwerde wies die belangte Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom 10. Juli 2023 ab. Die Revisionswerberin brachte einen Vorlageantrag ein.

3 Mit dem am 5. Oktober 2023 beschlossenen und mit 16. Oktober 2023 datierten Bescheid leitete die gemäß § 10 Abs. 1 LDHG 2019 bei der Bildungsdirektion Salzburg eingerichtete Leistungsfeststellungs- und Disziplinarkommission (in der Folge kurz: Disziplinarkommission) aufgrund der inzwischen erstatteten Disziplinaranzeige vom 26. Juni 2023 gegen die Revisionswerberin gemäß § 92 Abs. 1 LDG 1984 das Disziplinarverfahren ein und sprach gemäß § 80 Abs. 3 LDG 1984 ihre Suspendierung aus.

4 Über die dagegen von der Revisionswerberin eingebrachte Beschwerde hob die Disziplinarkommission mit der am 1. Dezember 2023 beschlossenen und mit 18. Dezember 2023 datierten Beschwerdevorentscheidung den zuvor genannten Bescheid (Einleitungsbeschluss und Suspendierung) auf und stellte dieses Disziplinarverfahren gemäß § 87 Abs. 1 Z 3 LDG 1984 ein.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 3. Juli 2024 wies das in der Sache der vorläufigen Suspendierung angerufene Landesverwaltungsgericht Salzburg die Beschwerde ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

6 Die Befugnis zu einer Sachentscheidung begründete das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Wesentlichen damit, dass im Hinblick auf den untrennbaren Zusammenhang der Suspendierung mit der Bezugskürzung auch nach Aufhebung einer Suspendierung grundsätzlich ein Rechtsschutzinteresse an deren Überprüfung bestehe. In der Sache seien bei Verhängung der vorläufigen Suspendierung hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte und keine offenkundigen Einstellungsgründe vorgelegen, sodass diese zu Recht erfolgt sei.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, mit der eine Verletzung im Recht, nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 80 LDG 1984 suspendiert zu werden, geltend gemacht wird.

8 Die Revision ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts nach Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die Revisionswerberin sieht die zur Zulässigkeit ihrer Revision führenden Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung zusammengefasst darin gelegen, dass das Verwaltungsgericht trotz darauf gerichtetem Antrag von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen habe, die Suspendierung lediglich auf Grundlage reiner Mutmaßungen und vager Gerüchte erfolgt und das angefochtene Erkenntnis zudem zu einem Zeitpunkt ergangen sei, als das Disziplinarverfahren und die Suspendierung bereits weggefallen gewesen seien, obwohl das Verwaltungsgericht seine Entscheidung grundsätzlich an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten habe.

11 Mit dem Zulässigkeitsvorbringen zeigt die Revisionswerberin die Zulässigkeit ihrer Revision nicht auf:

12 § 80 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz (LDG 1984), BGBl. Nr. 302/1984, in der Fassung BGBl. I Nr. 153/2020, lautet (auszugsweise):

„Suspendierung

§ 80. (1) Die landesgesetzlich zuständige Behörde hat die vorläufige Suspendierung einer Landeslehrperson zu verfügen,

1. ...

2. ...

3. wenn durch ihre Belassung im Dienst wegen der Art der ihr zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet würden.

...

(2) Die Beschwerde gegen eine (vorläufige) Suspendierung hat keine aufschiebende Wirkung.

(3) Jede vorläufige Suspendierung ist unverzüglich der zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufenen Behörde mitzuteilen, die über die Suspendierung zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit rechtskräftiger Entscheidung der zur Durchführung des Disziplinarverfahrens landesgesetzlich hierfür zuständigen Behörden über die Suspendierung. Ist jedoch ein Disziplinarverfahren bereits anhängig, so hat die zur Durchführung dieses Verfahrens berufene Behörde bei Vorliegen der im Abs. 1 genannten Voraussetzungen die Suspendierung zu verfügen.

(3a) ...

(4) Jede Suspendierung, auch eine vorläufige, hat die Kürzung des Monatsbezuges der Landeslehrperson auf zwei Drittel für die Dauer der Suspendierung zur Folge. Für die Dauer der vorläufigen Suspendierung erfolgt eine Auszahlung ohne Kürzung. Nach Verfügung der Suspendierung durch die zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufene Behörde nach Abs. 3 oder durch das Landesverwaltungsgericht nach Abs. 3a ist der über die gekürzten Bezüge hinausgehend ausbezahlte Betrag unter sinngemäßer Anwendung des § 13a Abs. 2 bis 4 GehG hereinzubringen. ...

(5) Die Suspendierung endet spätestens mit dem rechtskräftigen Abschluß des Disziplinarverfahrens. ...

(7) ...“

13 Der gemäß § 106 Abs. 1 Z 1 LDG 1984 auch für Landeslehrer maßgebliche § 13 Gehaltsgesetz 1956 (GehG), BGBl. Nr. 54/1956, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2002, lautet:

„Bezüge bei Suspendierung

§ 13. Ist der Beamte suspendiert und sein Monatsbezug aus diesem Anlaß gekürzt worden, so wird die Kürzung endgültig, wenn

1. der Beamte strafgerichtlich verurteilt wird,

2. über ihn im Disziplinarverfahren eine Geldstrafe oder die Entlassung verhängt wird oder

3. er während des strafgerichtlichen oder des Disziplinarverfahrens aus dem Dienstverhältnis austritt.

Treffen diese Voraussetzungen nicht zu, so sind die infolge der Kürzung einbehaltenen Beträge dem Beamten nachzuzahlen.“

14 Prozessvoraussetzung für die Erhebung einer Revision ist u.a. das objektive Rechtsschutzinteresse des Revisionswerbers an der Kontrolle der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof (Beschwer). Eine solche Beschwer liegt vor, wenn das angefochtene verwaltungsgerichtliche Handeln vom Antrag des Revisionswerbers zu dessen Nachteil abweicht (formelle Beschwer) oder mangels Antrags das Verwaltungsgericht den Revisionswerber durch seine Entscheidung belastet. Die Beschwer ist ungeachtet des Vorliegens dieser genannten Voraussetzungen aber nicht mehr gegeben, wenn es für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrensziels für den Revisionswerber keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (vgl. VwGH 28.11.2022, Ro 2022/09/0003, Rn. 31, mwN).

15 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können diese Überlegungen über das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses als Voraussetzung für eine zulässige Beschwerdeerhebung auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten übertragen werden. Liegen diese Voraussetzungen schon bei Einbringung des Rechtsmittels nicht vor, ist dieses unzulässig; fallen die Voraussetzung erst nach Einbringung des zunächst zulässigen Rechtsmittels weg, führt dies zur Einstellung des Verfahrens (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 1.2.2023, Ra 2022/09/0139, mwN).

16 Zwar trifft es zu, dass das Verwaltungsgericht wenn es in der Sache selbst entscheidet seine Entscheidung grundsätzlich an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten hat. Dies gilt jedoch nicht in jenen Fällen, in denen die Rechtsvorschriften auf die Rechts- und Sachlage während eines bestimmten in der Vergangenheit liegenden Stichtags oder Zeitraums abstellen (VwGH 28.2.2022, Ra 2021/09/0251, Rn. 79, mwN).

17 So hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses an einer Entscheidung über eine Beschwerde gegen die verfügte Suspendierung ungeachtet ihrer bereits erfolgten Beendigung wegen des Zusammenhangs der Suspendierung mit der Bezugskürzung bejaht, sofern zum Zeitpunkt der Entscheidung noch offen war, ob die durch die Suspendierung ausgelöste Kürzung der Bezüge aufrecht bleiben oder es zu deren Nachzahlung kommen werde (siehe ausführlich VwGH 14.11.2017, Ra 2017/09/0022; vgl. ferner etwa VwGH 27.2.2003, 2001/09/0226; 6.4.2005, 2004/09/0009). Ein solches Rechtsschutzinteresse wurde in der jüngeren Rechtsprechung auch im Fall der von einer Suspendierung abgelösten vorläufigen Suspendierung bei noch anhängigem Disziplinarverfahren angenommen (siehe abermals VwGH 28.2.2002, Ra 2021/09/0251, Rn. 81 f).

18 Im hier zu beurteilenden Sachverhalt endete die vorläufige Suspendierung der Revisionswerberin angesichts der Beschwerdevorentscheidung der Disziplinarkommission jedoch nicht mit der rechtskräftigen Verhängung der Suspendierung, sondern mit der auch nach dem Revisionsvorbringen rechtskräftigen Einstellung des Disziplinarverfahrens (§ 80 Abs. 5 LDG 1984). Der Einbehalt von einem Drittel der für die Dauer der vorläufigen Suspendierung ungekürzt auszuzahlenden Bezüge war daher nicht vorzunehmen (§ 80 Abs. 4 LDG 1984); allenfalls dennoch vorgenommene Bezugskürzungen sind schon nach § 13 GehG nachzuzahlen.

19 Da somit ab der Rechtskraft der Beschwerdevorentscheidung der Disziplinarkommission unabhängig von einer Entscheidung über die Berechtigung der bereits beendeten vorläufigen Suspendierung die Unzulässigkeit einer Bezugskürzung für deren Zeitraum feststand, hätte schon das Landesverwaltungsgericht zum Zeitpunkt seiner Entscheidung das Beschwerdeverfahren wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses einzustellen gehabt. Dadurch, dass das Verwaltungsgericht die Beschwerde trotz fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses nach inhaltlicher Behandlung abwies, verletzt es die Revisionswerberin jedoch nicht in ihren subjektiven Rechten (vgl. etwa VwGH 26.4.2016, Ra 2016/03/0043, VwSlg. 19358 A, mwN).

20 Weil zudem ein subjektives Recht des Beamten auf tatsächliche Erbringung der ihm an seinem Arbeitsplatz zugewiesenen Aufgaben nicht besteht (VwGH 9.9.2016, 2013/12/0196), wurde die Revisionswerberin auch durch die Nichtzulassung zum Dienst nicht in subjektiven Rechten verletzt (siehe etwa VwGH 2.11.2023, Ra 2022/12/0024).

21 Aus diesen Gründen wird auch mit dem in diesem Zusammenhang geltend gemachten Unterbleiben einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht trotz dahingehenden Antrags eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt.

22 Die Revision war somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren, und damit im Sinn des § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG ohne mündliche Verhandlung, zurückzuweisen.

Wien, am 9. Oktober 2024

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