Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des M A M in S, vertreten durch Dr. Klaus Michael Plätzer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 5, gegen die Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 15. Juni 2022, 1. 405 4/4592/1/11 2022 und 2. 405 4/4593/1/12 2022, betreffend Übertretung des Bundesstraßen Mautgesetzes 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Straferkenntnissen der belangten Behörde vom 31. Jänner 2022 wurde der Revisionswerber im Hinblick auf Vorfälle am 1. Juni 2021 und am 7. Juli 2021 jeweils wegen einer Übertretung des § 20 Abs. 2 in Verbindung mit §§ 6 und 7 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (BStMG) für schuldig erkannt. Hinsichtlich des Vorfalls vom 1. Juni 2021 wurde über den Revisionswerber eine Geldstrafe in der Höhe von € 150,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 17 Stunden) und hinsichtlich des Vorfalls vom 7. Juli 2021 eine Geldstrafe in der Höhe von € 300, (Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag und zehn Stunden) verhängt. Darüber hinaus wurde der Revisionswerber zur Leistung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.
2 Mit den angefochtenen Erkenntnissen des Landesverwaltungsgerichts Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurden die Beschwerden des Revisionswerbers gegen die Straferkenntnisse der belangten Behörde vom 31. Jänner 2022 als unbegründet abgewiesen. Die Abweisung betreffend den Vorfall vom 1. Juni 2021 erfolgte mit der Maßgabe, dass die Übertretungsnormen mit „i.V.m § 8 Abs. 1“ ergänzt und vor der Wortfolge „der Mautordnung“ „Teil B Pkt 5.2.1.2“ und am Ende „(Mautversion 62)“ eingefügt wurde. Gleichzeitig setzte das Verwaltungsgericht jeweils den von dem Revisionswerber zu leistenden Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens fest und sprach in beiden Erkenntnissen aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3 Zum Vorfall vom 1. Juni 2021 führte das Verwaltungsgericht begründend aus, der Revisionswerber habe an diesem Tag ein näher bezeichnetes mehrspuriges Kraftfahrzeug mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt. In dem Fahrzeug habe sich eine funktionstüchtige GO Box befunden, von der eine Abbuchung der Mautgebühr für die EURO Emissionsklasse sechs erfolgt sei. Diese GO Box sei vom Revisionswerber zuvor von einem Vorgängerfahrzeug nach Übernahme des verfahrensgegenständlichen Neuwagens in dem neuen Fahrzeug installiert worden. Die GO-Box habe der Revisionswerber vom Geschäftsführer der Zulassungsbesitzerin des Fahrzeuges erhalten. Auf der GO Box sei ein näher bezeichnetes Kennzeichen hinterlegt gewesen, welches nicht mit dem Kennzeichen des vom Revisionswerber gelenkten Kraftfahrzeuges und dessen EURO-Emissionsklasse übereingestimmt habe. Es habe nicht festgestellt werden können, ob der Revisionswerber bei einer GO Vertriebsstelle für die GO-Box eine Anmeldung für das verfahrensgegenständliche Fahrzeug durchgeführt habe. Der Revisionswerber habe daher gegen die Bestimmung der Mautordnung (Mautversion 62) Punkt 5.2.1.2. verstoßen, wobei ihm Fahrlässigkeit anzulasten sei.
4 Zum Vorfall vom 7. Juli 2021 führte das Verwaltungsgericht begründend aus, dass der Revisionswerber ein näher bezeichnetes mehrspuriges Kraftfahrzeug mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3,5 Tonnen auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt habe, ohne die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, weil die GO Box ab dem 6. Juli 2021 gesperrt gewesen sei. Dem Revisionswerber sei Fahrlässigkeit anzulasten. Er habe nicht glaubhaft machen können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber zum Vorfall vom 1. Juni 2021 vor, es sei zwar eine GO Box verwendet worden, auf welcher ein falsches Kennzeichen hinterlegt worden sei, es seien aber sämtliche Mautbeträge ordnungsgemäß entrichtet worden. Tatsächlich sei es daher zu keiner Mautverkürzung gekommen und kein Schaden entstanden. Es stelle sich die erhebliche Rechtsfrage, ob trotz vollständiger Bezahlung der Mautbeträge eine Übertretung der §§ 6, 7 BStMG festgestellt werden könne.
9 Zum Vorwurf vom 7. Juli 2021 sei die Revision zulässig, weil das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gekommen sei, dass dem Revisionswerber Fahrlässigkeit anzulasten sei. „Diese Feststellung“ sei jedoch unrichtig und in Anbetracht der Aussage des Revisionswerbers nicht nachvollziehbar. Dem Revisionswerber hätte die schuldhafte Begehung der (Maut-) Übertretung nicht nachgewiesen werden können. Im Verwaltungsstrafverfahren gebe es keine formelle Beweislast der Parteien. Der Revisionswerber sei daher nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht zu bestrafen.
10 Darüber hinaus stelle sich die erhebliche Rechtsfrage, ob mehrere Übertretungen nach § 20 Abs. 2 BStMG ein fortgesetztes Delikt darstellen würden.
11 Der in § 20 Abs. 2 BStMG normierte Verwaltungsstraftatbestand wird verwirklicht, wenn Kraftfahrzeuglenker Mautstrecken „ohne ordnungsgemäße Entrichtung“ der nach § 6 BStMG geschuldeten fahrleistungsabhängigen Maut benützen.
12 Nach § 8 Abs. 1 BStMG haben Lenker, soweit sie nicht von anderen in der Mautordnung vorgesehenen Formen der Mautentrichtung Gebrauch machen, vor der Benützung von Mautstrecken ihr Fahrzeug mit Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut auszustatten. Die Fahrzeuglenker haben sich nach Abs. 2 leg. cit. bei Verwendung von Geräten zur elektronischen Entrichtung der Maut vor, während und nach jeder Fahrt auf Mautstrecken der Funktionsfähigkeit dieser Geräte zu vergewissern und Nachweise mitzuführen, die eine Zuordnung des Fahrzeuges zu einer Tarifgruppe gemäß § 9 Abs. 5 und 6 BStMG ermöglichen. Gemäß § 8 Abs. 3 BStMG sind die näheren Bestimmungen über die Pflichten der Fahrzeuglenker in der Mautordnung zu treffen.
13 Nach Teil B, Punkt 5.2.1.2., der Mautordnung ist der Zulassungsbesitzer berechtigt, einen Dritten (insbesondere den Kraftfahrzeuglenker) anzuweisen, die Hinterlegung einer bestimmten EURO-Emissionsklasse vor Ort an einer GO-Vertriebsstelle zu verlangen. In diesem Fall fungiert der Dritte als Vertreter des Zulassungsbesitzers und übernimmt für diesen die Deklaration der EURO Emissionsklasse. Nach Hinterlegung der EURO Emissionsklasse an einer GO Vertriebsstelle wird auch in diesem Fall die Fahrzeugdeklaration ausgegeben. Der Dritte hat die Fahrzeugdeklaration zu prüfen, um sicherzustellen, dass das auf der GO Box hinterlegte behördliche Kraftfahrzeugkennzeichen im Sinne der Mautordnung mit dem tatsächlich am Kraftfahrzeug angebrachten Kraftfahrzeugkennzeichen sowie die GO Box Identifikationsnummer der mitgeführten GO Box mit der auf der Fahrzeugdeklaration angeführten GO Box Identifikationsnummer übereinstimmt und die EURO Emissionsklasse der Anweisung des Zulassungsbesitzers an den Dritten entsprechend hinterlegt wurde. Im Falle einer Nichtübereinstimmung hat der Dritte eine sofortige Änderung an der GO Vertriebsstelle zu veranlassen, weil ansonsten der Tatbestand der Mautprellerei gemäß Punkt 10 der Mautordnung erfüllt werden kann. Danach ist die Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes mit mautpflichtigen Kraftfahrzeugen im Sinne dieser Mautordnung Teil B, ohne die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß zu entrichten, verboten. Kraftfahrzeuglenker, die gegen dieses Verbot verstoßen, begehen gemäß § 20 Abs. 2 BStMG eine Verwaltungsübertretung.
14 Eine „ordnungsgemäß entrichtete“ Maut gemäß § 20 Abs. 2 BStMG setzt daher auch die Übereinstimmung des auf der GO Box hinterlegten behördlichen Kraftfahrzeugkennzeichens mit dem tatsächlich am Kraftfahrzeug angebrachten Kraftfahrzeugkennzeichen voraus.
15 Der angewiesene Dritte ist verpflichtet, u.a. dafür Sorge zu tragen bzw. zu überprüfen, dass bei der Benützung von Mautstrecken die bei der GO Vertriebsstelle ausgegebene Fahrzeugdeklaration mit der mitgeführten GO Box entsprechend der genannten Bestimmung des Teil B, Punkt 5.2.1.2, der Mautordnung übereinstimmt.
16 Dieser Verpflichtung hat der Revisionswerber hinsichtlich des Vorwurfs vom 1. Juni 2021 nach den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht entsprochen, weil das auf der GO Box hinterlegte Kennzeichen nicht mit dem vom Revisionswerber auf der mautpflichtigen Strecke gelenkten Kraftfahrzeug übereinstimmte. Der Revisionswerber hat somit die Mautstrecke „ohne ordnungsgemäße Entrichtung“ der nach § 6 BStMG geschuldeten fahrleistungsabhängigen Maut benützt. Damit ist der Tatbestand der Mautprellerei gemäß § 20 Abs. 2 BStMG verwirklicht. Insofern ist die Rechtslage klar (vgl. etwa VwGH 14.4.2021, Ra 2019/06/0167 und 0168, wonach bei klarem Gesetzeswortlaut eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung selbst dann nicht vorliegt, wenn zu der relevanten Norm noch keine hg. Rechtsprechung vorliegt).
17 Wenn die Revision zum Vorwurf vom 7. Juli 2021 in ihrer Zulässigkeitsbegründung vorbringt, das Verwaltungsgericht sei aufgrund der Aussage des Revisionswerbers nicht nachvollziehbar zum Ergebnis gekommen, dass dem Revisionswerber Fahrlässigkeit anzulasten sei, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig ist und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist (VwGH 13.1.2023, Ra 2022/06/0318, mwN). Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung läge eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 20.4.2022, Ra 2020/06/0157, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 26.9.2022, Ra 2022/05/0130, mwN).
18 Das Verwaltungsgericht traf nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung nähere Feststellungen zum Sachverhalt und kam zu dem Ergebnis, dass es jedenfalls zu keinem einmaligen Piepston als Bestätigung einer ordnungsgemäßen Mautabbuchung gekommen sei und sich die diesbezügliche Angabe des Revisionswerbers als unglaubwürdig erweise. Die Revision zeigt mit ihrem Vorbringen nicht auf, dass diese Beweiswürdigung fallbezogen unvertretbar wäre.
19 Die Frage, ob das Verwaltungsgericht zu Recht das Vorliegen von Fahrlässigkeit bejaht hat, ist eine Rechtsfrage, der keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG zukommt (vgl. etwa VwGH 1.2.2023, Ra 2022/06/0341, mwN).
20 Im Falle eines Ungehorsamsdeliktes gemäß § 5 Abs. 1 VStG wie im vorliegenden Fall ist Fahrlässigkeit anzunehmen, es sei denn, der Beschuldigte macht glaubhaft, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (vgl. VwGH 12.8.2020, Ra 2019/05/0099, mwN).
21 Die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, der Revisionswerber habe die Pflichtverletzung zumindest fahrlässig iSd § 5 Abs. 1 VStG begangen, weil er nicht glaubhaft gemacht habe, dass ihm kein Verschulden an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift treffe, ist jedenfalls vertretbar im Sinne der hg. Judikatur (vgl. etwa auch VwGH 23.3.2017, Ra 2016/06/0137). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt sich daher nicht.
22 Da nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens und deren Würdigung auch keine Zweifel an der Richtigkeit des Tatvorwurfes verblieben, hatte anders als der Revisionswerber meint auch der Grundsatz „in dubio pro reo“ nicht zur Anwendung zu kommen (vgl. VwGH 21.2.2023, Ra 2023/02/0005, mwN).
23 Zum weiteren Zulässigkeitsvorbringen kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz und Abs. 9 VwGG auf die Begründung des hg. Erkenntnisses vom 25. Jänner 2018, Ra 2016/06/0025, verwiesen werden, aus welchem sich ergibt, dass bei nach mehreren Fahrtantritten entstandenen Mautverkürzungen vom Vorliegen mehrerer Verwaltungsübertretungen und nicht von einem fortgesetzten Delikt oder einem Dauerdelikt auszugehen ist (vgl. auch VwGH 28.2.2018, Ra 2018/06/0001 und 0002, VwGH 27.3.2018, Ra 2018/06/0039, und VwGH 1.8.2018, Ra 2018/06/0093, jeweils zu einer nicht funktionsfähigen GO-Box). Es liegt somit bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur aufgeworfenen Rechtsfrage vor, anhand derer sich auch der Revisionsfall lösen lässt, und von der das angefochtene Erkenntnis nicht abweicht.
24 Mit Blick auf die vom Revisionswerber nach Ablauf der Revisionsfrist eingebrachte Revisionsergänzung genügt es auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes hinzuweisen, wonach ein in einem erst nach Ablauf der Revisionsfrist eingebrachten Schriftsatz erstattetes (ergänzendes) Vorbringen bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht zu berücksichtigen ist (vgl. etwa VwGH 16.11.2020, Ra 2018/06/0056).
25 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 12. Mai 2023