Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm sowie die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Kronegger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision der Österreichischen Zahnärztekammer in Wien, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 5. Juni 2024, Zl. LVwG 2021/37/2720 63, betreffend Feststellung des Bedarfs gemäß § 4b Abs. 9 Tiroler Krankenanstaltengesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung; mitbeteiligte Partei: Z GmbH in K, vertreten durch Dr. Walter Hausberger, Dr. Katharina Moritz, Dr. Alfred Schmidt und Mag. Stefan M. Rass, Rechtsanwälte in 6300 Wörgl, Poststraße 3), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Zur Vorgeschichte wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 18. September 2023, Ra 2022/11/0085, verwiesen, mit dem das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol betreffend Feststellung des Bedarfs gemäß § 4b Abs. 9 Tiroler Krankenanstaltengesetz (Tir. KAG) hinsichtlich des gegenständlichen selbständigen Ambulatoriums für Zahnmedizin im Bezirk Kufstein wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, nämlich schon deshalb, weil es unter Außerachtlassung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf unzureichenden Feststellungen zu den Wartezeiten beruhte, aufgehoben wurde.
2 Im fortgesetzten Verfahren führte das Landesverwaltungsgericht Tirol weitere Ermittlungsschritte sowie eine neuerliche mündliche Verhandlung durch.
3 Mit dem angefochtenen (Ersatz )Erkenntnis wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen den behördlichen Bescheid vom 8. September 2021 mit einer im Revisionsfall nicht maßgeblichen Spruchmodifikation erneut als unbegründet abgewiesen. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
4 Das Verwaltungsgericht traf Feststellungen zu dem Leistungsangebot des betreffenden selbständigen Ambulatoriums und hielt fest, dass das verfahrensgegenständliche (laut Auskunft der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau überwiegend sowie für in der Sozialversicherung der Selbständigen versicherte Personen jedenfalls teilweise) sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungsspektrum in den für verbindlich erklärten Teilen des Regionalen Strukturplans Gesundheit Tirol 2025 (RSG Tirol 2025) nicht vorgesehen sei. Ca. 90 Prozent der geplanten Leistungen seien „standardmäßig durchzuführende“ Zahnbehandlungen. Lediglich 10 Prozent der voraussichtlich durchzuführenden Zahnbehandlungen beträfen selten in Anspruch genommene zahnmedizinische Leistungen. Die mitbeteiligte Partei beabsichtige, das geplante Ambulatorium als Wahlzahnarzteinrichtung zu führen. Allerdings sei sie daran interessiert, dass von den angestellten Zahnärzten einer oder mehrere als Kassenzahnarzt tätig sein werde.
5 Ferner wurden im angefochtenen Erkenntnis (u.a.) Feststellungen zu den geplanten Öffnungszeiten, zu dem geplanten Personal, zu dem dreißigminütigen Einzugsgebiet, zu den Verkehrsanbindungen der geplanten Einrichtung, zu bestehenden Anbietern, insbesondere im dreißigminütigen Einzugsgebiet, sowie zu deren Auslastung im Herbst 2023 getroffen.
6 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht zu dem in § 4b Abs. 3 lit. d Tir. KAG genannten Kriterium (durchschnittliche Belastung bestehender Leistungsanbieter, die sozialversicherungsrechtlich erstattungsfähige Leistungen erbringen) aus, im dreißigminütigen Einzugsgebiet, das aufgrund der voraussichtlich weitaus überwiegend (d.h. zu 90 Prozent) häufig in Anspruch genommenen Leistungen festzulegen sei, sei für Schmerzpatienten nur bei wenigen (d.h. 20) der in diesem Gebiet niedergelassenen insgesamt 97 Zahnärzte, die alle befragt worden seien, eine Terminvereinbarung am selben Tag möglich. Eine Terminvereinbarung für einen Kontroll- und/oder Beratungstermin sei bei der überwiegenden Anzahl der niedergelassenen Zahnärzte innerhalb von zwei Wochen nicht möglich. Bei einer nicht unerheblichen Anzahl niedergelassener Zahnärzte sei eine Terminvereinbarung weder für Akutfälle noch für Beratungen oder Kontrollen möglich. Auch bei Annahme von größeren Einzugsgebieten seien die Wartezeitenergebnisse ähnlich.
7 Ausgehend von dem wesentlichen Kriterium der Wartezeit sei daher gemäß § 4b Abs. 3 lit. d Tir. KAG von einem entscheidungsrelevanten Bedarf auszugehen. Dieser Bedarf werde zudem durch die prekäre Situation bei Kassenvertragsärzten im relevanten Einzugsbereich unterstrichen. In diesem Zusammenhang sei auch der RSG Tirol 2025 relevant, demzufolge jedenfalls das Versorgungsangebot im Bezirk Kufstein zu verbessern sei.
8 Entgegen der Auffassung der Österreichischen Gebietskrankenkasse trügen Wahlzahnarzteinrichtungen, wenn auch nur im Wege der Kostenerstattung, zur Sicherstellung der Versorgung bei. Darüber hinaus werde durch den vor dem Verwaltungsgericht bekämpften Bescheid der belangten Behörde „vorgegeben“, dass bei einem österreichischen Krankenversicherungsträger versicherte Patienten, die sich für eine Zahnbehandlung in dem von der mitbeteiligten Partei geplanten selbständigen Ambulatorium entschieden, für die eine Kostenübernahme für Zahnärzte mit einem Kassenvertrag bestehe, nicht mit höheren Kosten belastet werden dürften als bei einer „Kassenpraxis“ ihres Versicherungsträgers.
9 Ausgehend davon werde in dem dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde gelegten dreißigminütigen Einzugsgebiet durch das geplante selbständige Ambulatorium eine wesentliche Verbesserung des Versorgungsangebots im Sinn des § 4b Abs. 2 lit. a und Abs. 3 Tir. KAG erzielt.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der Österreichischen Zahnärztekammer, die sich teils unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG, teils aufgrund der eingeschränkten Revisionslegitimation der Österreichischen Zahnärztekammer als unzulässig erweist:
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 Soweit sich die Revision gegen die im angefochtenen Erkenntnis vorgenommene Abgrenzung eines dreißigminütigen Einzugsgebiets wendet, gelingt es ihr nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei häufig in Anspruch genommenen Leistungen, zu denen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zahnmedizinische Leistungen grundsätzlich zu zählen sind, das Einzugsgebiet kleiner anzusetzen ist als bei selten in Anspruch genommenen Facharztleistungen (siehe etwa VwGH 24.2.2022, Ra 2020/11/0204).
15 Welche konkreten Leistungen das vom Verwaltungsgericht festgestellte Leistungsspektrum des von der mitbeteiligten Partei geplanten selbständigen Ambulatoriums für Zahnmedizin umfassen würde, die die Festlegung eines Einzugsgebiets von „mehr als 60 Minuten“ erfordern würden, stellt die Revision nicht nachvollziehbar dar. Es ist der Zulässigkeitsbegründung auch nicht konkret zu entnehmen, in Bezug auf welche selten in Anspruch genommenen Leistungen sich bei einer Wartezeitenerhebung in einem bestimmten abgegrenzten Gebiet kein Bedarf an dem in Rede stehenden Ambulatorium ergeben würde.
16 Soweit die Revision zur Relevanz der behaupteten Verfahrens- und Feststellungsmängel die kurzfristig mögliche Versorgung von Schmerzpatienten im „Zentralraum Tirol“ sowie in der Landeshauptstadt Innsbruck ins Treffen führt, genügt es festzuhalten, dass die Auffassung des Verwaltungsgerichts, hinsichtlich der zahnmedizinischen Versorgung von Schmerzpatienten sei ein dreißigminütiges Einzugsgebiet festzulegen, im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B VG aufwirft.
17 Das Verwaltungsgericht hat bei der fallbezogenen Abgrenzung des dreißigminütigen Einzugsgebiets auch die Erreichbarkeit des geplanten selbständigen Ambulatoriums mit öffentlichen Verkehrsmitteln in seine Erwägungen miteinbezogen. Im Übrigen zeigt die Revision nicht auf, in Anbetracht welcher öffentlicher Verkehrsanbindungen sich bei angemessener Berücksichtigung derselben ein konkretes, anderes Einzugsgebiet ergeben würde, innerhalb dessen auf Basis bestehender Wartezeiten kein Bedarf an dem betreffenden selbständigen Ambulatorium anzunehmen wäre. Auch hinsichtlich der in dem dreißigminütigen Einzugsgebiet bereits bestehenden Behandlungseinrichtungen gelingt es der Revision nicht, nachvollziehbar einen konkreten, fallbezogen für den Verfahrensausgang relevanten Feststellungsmangel darzulegen.
18 Dass das Verwaltungsgericht in der vorliegenden Konstellation, in der im fortgesetzten Verfahren seit geraumer Zeit auf der Hand lag, dass dem Ersatzerkenntnis eine neuerliche Wartezeitenermittlung zugrunde zu legen sein wird (siehe auch die an die revisionswerbende Partei ergangene Aufforderung zur Stellungnahme vom 20. Dezember 2023), nicht die Ergebnisse der nach den Ausführungen der Revision von der Österreichischen Zahnärztekammer erst „im Vorfeld“ der mündlichen Verhandlung initiierten und methodisch nicht näher beschriebenen Wartezeitenerhebung abwartete, wirft ebenfalls keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. dazu auch VwGH 3.10.2022, Ra 2019/06/0274 bis 0275).
19 Ferner ist im Lichte der Zulässigkeitsbegründung, die dazu keine näheren fallbezogenen Ausführungen enthält, nicht ersichtlich, dass es sich bei der dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde gelegten Wartezeitenermittlung bei konkurrierenden Leistungsanbietern ohne Bezugnahme auf ein anhängiges Bedarfsprüfungsverfahren (vgl. das angefochtene Erkenntnis, Seite 17, sowie das Verhandlungsprotokoll vom 29. April 2024, Seiten 7, 10 ff) um eine unzulässige Ermittlungsmethode handeln würde, durch die im Revisionsfall eine objektive und unparteiliche Entscheidungsgrundlage nicht sichergestellt wäre (siehe dazu VwGH 24.2.2022, Ra 2019/11/0117, Rn. 32, unter Hinweis auf EuGH C 169/07, Hartlauer , Rn. 69).
20 Dass in die verwaltungsgerichtliche Ermittlung der Wartezeiten sozialversicherungsrechtlich nicht erstattungsfähige Leistungen miteingeflossen wären oder dass hinsichtlich einzelner Leistungen des geplanten Leistungsspektrums kein Bedarf bestünde, wird von der Revision nicht konkret aufgezeigt.
21 Soweit die Revision unter Berufung auf § 4a Abs. 3 Tir. KAG eine planungsfachliche Stellungnahme der Gesundheit Österreich GmbH vermisst, ist ihr zu entgegnen, dass eine solche Stellungnahme eingeholt wurde (vgl. Seiten 501 ff des verwaltungsbehördlichen Aktes, die schriftliche Ergänzung vom 12. April 2024 sowie die Erörterung [auch der Wartezeitenermittlung] mit dem Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2024, Verhandlungsniederschrift, Seiten 17 ff). Bereits vor diesem Hintergrund liegt auch die in der Zulässigkeitsbegründung behauptete Abweichung von den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. April 2009, 2009/06/0015, sowie vom 13. Juni 2012, 2012/06/0046, nicht vor.
22 Eine Abweichung von den im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. November 2017, Ra 2016/11/0145, Rn. 65 ff, in Bezug auf § 13 Abs. 7 K KAO (vgl. § 4b Abs. 5 Tir. KAG) getroffenen Aussagen (Verpflichtung zur Festlegung von bedarfsgerechten Öffnungszeiten) zeigt die Revision bereits deshalb nicht auf, weil fallbezogen keine Errichtungsbewilligung erteilt wurde.
23 Im Übrigen ist auf das Vorbringen der Revision betreffend die Frage der Zulässigkeit der Erlassung eines Feststellungsbescheides, die nähere Spruchgestaltung, die Vorschreibung von Nebenbestimmungen sowie die Erledigung von Eventualanträgen schon wegen der (ungeachtet der mit BGBl. I Nr. 191/2023 erfolgten grundsatzgesetzlichen Neuregelung der durch landesgesetzliche Ausführungsbestimmungen vorzusehenden Revisionsbefugnisse; vgl. § 3a Abs. 8 iVm. § 65b Abs. 15 KAKuG) jedenfalls auch bisher bloß eingeschränkten Revisionslegitimation der Österreichischen Zahnärztekammer (siehe § 4a Abs. 5 lit. c Tir. KAG) nicht einzugehen (siehe dazu auch VwGH 18.9.2023, Ra 2022/11/0085, Rn. 23, wobei das dort zu den Grenzen der Revisionslegitimation der Österreichischen Zahnärztekammer in Bezug auf den Einwand der Unzulässigkeit der Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 4b Abs. 9 Tir. KAG Ausgeführte sinngemäß auch für das Vorbringen der vorliegenden Revision zur Spruchgestaltung, zur Vorschreibung von Nebenbestimmungen sowie zum Abspruch über Eventualanträge der mitbeteiligten Partei gilt).
24 Da sich die Revision somit als unzulässig erweist, war sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 21. August 2024