JudikaturVwGH

Ra 2024/04/0311 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
07. Januar 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision 1. der S S und 2. des K S, beide in K, beide vertreten durch Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwalt in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 6. März 2024, Zl. LVwG 2023/40/2648 3, betreffend ein gewerbliches Betriebsanlagenverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel; mitbeteiligte Partei: R GmbH in K), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid vom 28. September 2023 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel (belangte Behörde) der mitbeteiligten Partei die gewerberechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Betriebsanlage in Form eines Lager und Abstellplatzes (zur vorübergehenden Zwischenlagerung) an einem näher bezeichneten Standort.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien (als Nachbarn der Betriebsanlage) gegen diesen Genehmigungsbescheid nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

3 Das Verwaltungsgericht stellte im Wesentlichen fest, die mitbeteiligte Partei habe bei der belangten Behörde um die gewerberechtliche Genehmigung für Abstellflächen (für näher bezeichnete Fahrzeuge und Gegenstände) auf einem Grundstück ersucht, welches sich unmittelbar an einer Landesstraße befinde. Auf näher bezeichneten (im Eigentum der revisionswerbenden Parteien befindlichen) Nachbargrundstücken befände sich ein Reitplatz samt Pferdekoppel, auf dem Pferde gefüttert, gepflegt und trainiert würden. Die revisionswerbenden Parteien (und Pferdehalter) wohnten zwar nicht auf diesen Grundstücken, seien allerdings regelmäßig vor Ort. Anschließend traf das Verwaltungsgericht nähere Feststellungen zum Ist Zustand aus schalltechnischer Sicht sowie im Hinblick auf die Staubbelastung und hielt fest, dass die beantragten Zu und Abfahrten zum Betriebsgelände (ca. 20 pro Tag) praktisch keine Auswirkungen aus schalltechnischer Sicht im Bereich der Nachbargrundstücke bewirkten und auch eine zusätzliche Staubemission nicht zu erwarten sei.

4Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, die revisionswerbenden Parteien seien Nachbarn im Sinn des § 75 Abs. 2 GewO 1994, auch wenn sie nicht an den unmittelbar an das Betriebsgrundstück angrenzenden Grundstücken wohnhaft seien. Es sei jedoch schlüssig dargelegt worden, dass die Betreuung der Pferde durch die revisionswerbenden Parteien täglich erfolge und sohin eine längere Anwesenheit gegeben sei. Die revisionswerbenden Parteien seien daher berechtigt, die Nichteinhaltung der in § 74 Abs. 2 Z 2 GewO 1994 genannten Interessen geltend zu machen.

Zu den von den revisionswerbenden Parteien im behördlichen Verfahren erhobenen Einwendungen in Bezug auf Lärm und Staub hielt das Verwaltungsgericht Folgendes fest: Der gewerbliche Amtssachverständige habe in seinem lärmtechnischen Gutachten schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass die Hauptlärmquelle die unmittelbar am Betriebsgrundstück und an den Grundstücken der revisionswerbenden Parteien vorbeiführende Landesstraße L sei. Die am Betriebsgrundstück zu erwartenden Lärmemissionen lägen weit unter jenen, die von der Landesstraße ausgingen. Zudem würden allfällige Lärmemissionen durch ein auf dem Betriebsgrundstück bestehendes Gebäude zu den revisionswerbenden Parteien hin abgeschirmt. Es sei daher mit keiner zusätzlichen Lärmbelastung zu rechnen. Selbiges gelte für die nur ansatzweise geltend gemachte unzumutbare Staubbelästigung. Auch diesbezüglich habe der Amtssachverständige in seinem Gutachten schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass „Hauptstaubquelle“ der Reitplatz, die Koppel und die Stallungen der revisionswerbenden Parteien selbst sowie die Landesstraße seien.

Zur beantragten Einräumung einer Frist, um den abgegebenen Sachverständigenäußerungen auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten, sei festzuhalten, dass es den revisionswerbenden Parteien freigestanden wäre, einen entsprechenden Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung beizuziehen. Zudem hätten die revisionswerbenden Parteien ausreichend Gelegenheit gehabt, den gewerbetechnischen Amtssachverständigen im Zuge der mündlichen Verhandlung zu befragen, und davon sei auch Gebrauch gemacht worden. Dem Antrag auf Einräumung einer Frist zur Einholung eines Privatgutachtens sei daher keine Folge zu geben gewesen. In welchen Punkten die Projektunterlagen wie von den revisionswerbenden Parteien behauptet mangelhaft gewesen seien, sei nicht näher erläutert worden. Vielmehr seien die Projektunterlagen für den Amtssachverständigen ausreichend gewesen, um eine Beurteilung in Bezug auf allfällige Beeinträchtigungen durch Lärm oder Staub auf die Nachbarliegenschaften abzugeben.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, nach der (näher bezeichneten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei der Partei eine Frist einzuräumen, um einem in der Verhandlung mündlich ausgeführten Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten zu können. Das Verwaltungsgericht sei von dieser Rechtsprechung abgewichen, weil es dem darauf gerichteten Antrag der revisionswerbenden Parteien in der mündlichen Verhandlung nicht stattgegeben habe. Dieser Verfahrensfehler sei relevant, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Verwaltungsgericht zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, wenn den revisionswerbenden Parteien die Möglichkeit eingeräumt worden wäre, dem Amtssachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten. Insbesondere die Ausführungen des Amtssachverständigen zur Schallpegelberechnung und zur Staubbelastung seien unvollständig und unschlüssig.

8Zwar verweisen die revisionswerbenden Parteien zu Recht darauf, dass ihnen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eine Frist einzuräumen ist, um dem in der Verhandlung mündlich ausgeführten Gutachten, das ihnen vor der mündlichen Verhandlung nicht übermittelt wurde, auf gleicher fachlicher Ebene entgegentreten zu können (vgl. etwa VwGH 20.10.2022, Ra 2021/05/0041, Rn. 9, mwN).

9 Ein solcher von den revisionswerbenden Parteien gerügter Verfahrensmangel kann allerdings nur dann erfolgreich geltend gemacht werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen für die Revisionswerber günstigerenSachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. zum Erfordernis der Relevanzdarstellung etwa VwGH 9.3.2021, Ra 2019/04/0143, Rn. 23, mwN; im Zusammenhang mit einem mündlich ausgeführten Gutachten vgl. etwa VwGH 27.3.2019, Ra 2017/06/0005, Rn. 6, mwN). Diesen Anforderungen wird die Zulässigkeitsbegründung der Revision mit ihrem pauschalen Vorbringen nicht gerecht, zumal nicht konkret aufgezeigt wird, inwieweit sich das Gutachten des Amtssachverständigen in Bezug auf die (im Verfahren fraglichen) Beeinträchtigungen durch Lärm und Staub als unschlüssig bzw. unvollständig erweist. Die Revision legt auch nicht konkret dar, welcher entscheidungsrelevante Sachverhalt bei Einräumung einer Frist zur Erstattung eines Gutachtens festzustellen gewesen wäre und inwieweit dies zu einem anderen Verfahrensergebnis geführt hätte (vgl. zu ersterem auch VwGH 25.1.2023, Ra 2022/11/0099, Rn. 27). Eine Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wird somit nicht dargetan.

10 In der Revision wird vor diesem Hintergrund keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

11Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 7. Jänner 2025