JudikaturVwGH

Ra 2022/04/0134 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
08. November 2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision 1. des Mag. T G und 2. der Mag. E G, beide in S, beide vertreten durch Dr. Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in 3180 Lilienfeld, Babenbergerstraße 33/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 1. September 2022, Zl. LVwG AV 845/001 2022, betreffend ein Bewilligungsverfahren zum Bau und Betrieb einer Leitungsanlage nach dem NÖ Starkstromwegegesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: N GmbH in M, vertreten durch die Lindner Stimmler Rechtsanwälte GmbH Co KG in 1090 Wien, Währinger Straße 2 4/1/29), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Ein Aufwandersatz findet nicht statt.

1 1. Aus dem angefochtenem Erkenntnis ergibt sich folgender unstrittiger Sachverhalt:

2 Mit Antrag vom 5. August 2021 begehrte die Mitbeteiligte die Erteilung einer starkstromrechtlichen Bau und Betriebsbewilligung unter anderem für eine 110 kv Einfachleitung in einem bestimmt bezeichneten Gebiet. Die Revisionswerber sind jeweils zur Hälfte Eigentümer eines Grundstücks, das sich in mehr als 90 m Entfernung von der der projektierten Leitungsanlage entfernt befindet. Eine Inanspruchnahme dieses Grundstücks durch das Projekt findet nicht statt.

3 Mit Edikt vom 14. Dezember 2021 wurde das Projekt in drei österreichischen Tageszeitungen geschalten. Das Edikt enthielt neben einer Umschreibung des Gegenstandes des Antrages der Mitbeteiligten und einer Beschreibung des Vorhabens auch einen Hinweis auf die sechswöchige Einwendungsfrist und die Präklusionsfolgen des § 44b AVG.

4 Mit Schreiben vom 21. Jänner 2022 wandten die Revisionswerber ein, das Projekt würde sie sowohl in optischer Hinsicht als auch betreffend Immissionen und Lebensqualität schwer beeinträchtigen. Die Anregung, ein Erdkabel zu errichten, sei nicht berücksichtigt worden. Eine Information über das Projekt habe im Vorfeld nicht stattgefunden.

5 Mit Bescheid vom 21. Juni 2022 erteilte die belangte Behörde die beantragte Bewilligung und wies die Einwendungen der Revisionswerber mangels Parteistellung als unzulässig zurück.

6 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im folgenden Verwaltungsgericht) der gemeinsam ausgeführten Beschwerde der Revisionswerber keine Folge. Unter einem erklärte es die ordentliche Revision für nicht zulässig.

7 In rechtlicher Hinsicht begründete das Verwaltungsgericht seine Entscheidung zusammengefasst dahingehend, die belangte Behörde sei hinsichtlich der Revisionswerber von einer fehlenden Parteistellung ausgegangen. Parteistellung komme im starkstromrechtlichen Bewilligungsverfahren nach den §§ 6 f NÖ Starkstromwegegesetz neben dem Antragsteller auch den betroffenen Grundstückseigentümern zu, also jenen Personen, deren Grundstücke durch die elektrische Leitungsanlage in Anspruch genommen würden. Angesprochen sei laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs damit jene Personengruppe, der erforderlichenfalls in einem Folgeverfahren Duldungspflichten im Zusammenhang mit Leitungsrechten auferlegt werden könnten. Eine Parteistellung von „Nachbarn“, also Personen, die sich zwar in einem örtlichen Naheverhältnis zur Anlage befänden, von dieser aber im oben umschriebenen Sinn nicht (unmittelbar) betroffen seien, sei im Gesetz nicht verankert. Eine Ausnahme bestehe nur insoweit, als nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung Nachbarn im Sinne des § 19 Abs. 1 Z 1 UVP Gesetz als Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit die UVP Pflicht eines Vorhabens in einem nach einem Materiengesetz abzuführenden Verfahren geltend machen können und ihnen insoweit bei Denkmöglichkeit einer UVP Pflicht beschränkte Parteistellung zukomme. Dies treffe auf das vorliegende Projekt aufgrund der Gesamtlänge von 11 km vor dem Hintergrund der Z 16 der Anlage 1 zum UVP Gesetz nicht zu. Da die Revisionswerber dem Personenkreis, dem von Gesetzes wegen Parteistellung zukomme, unstrittig nicht angehören würden und eine UVP Pflicht des Vorhabens ausgeschlossen sei, seien ihre Einwendungen schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.

8 Im Übrigen hätten die Revisionswerber in ihren Einwendungen kein subjektives Recht geltend gemacht, welches dem Präklusionseintritt entgegenstehe. Die Wahrung des Orts bzw. Landschaftsbildes bzw. die Berücksichtigung benachbarter Widmungskategorien aber auch die Einhaltung einer nicht näher spezifizierten Lebensqualität würden jeweils kein subjektives Recht darstellen. Die Einwendung, die Revisionswerber seien vor Kauf des Grundstücks nicht über das Projekt informiert worden, sowie allfällige Verstöße gegen Vorvertragspflichten könnten nur am Zivilrechtsweg gegen den Verkäufer geltend gemacht werden. Das Vorbringen unzulässiger Immissionen sei von den Revisionswerbern nicht konkretisiert worden. Eine mögliche Gesundheitsbeeinträchtigung sei erst am 5. Februar 2022 und damit nach Ablauf der Einwendungsfrist vorgebracht worden. Die Einwendungen der Revisionswerber seien daher insgesamt zu Recht zurückgewiesen worden.

9 3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die (in einem gemeinsamen Schriftsatz ausgeführte) Revision der Beschwerdeführer.

10 Die Mitbeteiligte erstattete unaufgefordert eine Revisionsbeantwortung.

11 4.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14 4.1 Die Revision bringt zur Begründung der Zulässigkeit vor, die Frage, ob und wer als Anrainer bzw. Nachbar oder Betroffener Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren genieße, sei eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung. Soweit überblickbar habe im RIS keine Leitentscheidung des Höchstgerichts gefunden werden können, „die nicht veröffentlichte Literatur stehe dem Beschwerdeführern leider nicht zur Verfügung“. Weiter bringt die Revision wörtlich vor: „Jedenfalls hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich im Verfahren LVwG AV 49/001 2021 (in den mündlichen Berufungsverhandlung bzw. Beschwerdeverhandlung zitiert), die Rechtsansicht geäußert, insbesondere bezüglich einer Alternativprüfung sich die Behörde bzw. das Gericht Parteistellung von Anrainern bejaht hat, im Hinblick auf die weitreichenden Folgen, offensichtlich.“ Unter Hinweis auf die seitens der Revisionswerber vorgebrachten Einwendungen wäre seitens des Verwaltungsgerichts eine nähere inhaltliche Prüfung vorzunehmen gewesen, dies auch insbesondere im Lichte des Alternativvorhabens einer Erdkabelvariante. „Bei richtiger rechtlicher Beurteilung bzw. einem mängelfreien Verfahren wäre daher jedenfalls die ordentliche Revision zuzulassen gewesen, im Hinblick auf die Erheblichkeit der Rechtsfrage“ (wörtlich).

15 4.2. Mit diesem Vorbringen wird Zulässigkeit der Revision schon deshalb nicht dargetan, weil jegliche Bezugnahme auf den konkreten Sachverhalt bzw. zum angefochtenen Erkenntnis fehlt. Inwiefern im Hinblick auf die schon vom Verwaltungsgericht angeführte Judikatur jegliche höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Parteistellung fehle, ist nicht nachvollziehbar. Der bloße Hinweis auf angebliche, in keiner Hinsicht konkretisierte Verfahrensmängel vermag die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen.

16 4.3. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

17 Über die Revision wurde ein Vorverfahren nicht eingeleitet, sodass eine Aufforderung des VwGH zur Einbringung einer Revisionsbeantwortung an die Parteien nicht ergangen ist (vgl. dazu § 36 Abs. 1 VwGG). Der in der von der mitbeteiligten Partei unaufgefordert eingebrachten Revisionsbeantwortung begehrte Aufwandersatz war daher nicht zuzuerkennen (vgl. etwa VwGH 13.12.2016, Ra 2016/05/0076, mwN).

Wien, am 8. November 2022

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