JudikaturVwGH

Ra 2022/02/0126 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
13. Juli 2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Schörner, über die Revision des K in S, vertreten durch Mag. Maximilian Kocher, Rechtsanwalt in 2345 Brunn/Gebirge, Bahnstraße 43, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 9. Mai 2022, LVwG S 523/001-2022, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mödling), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 1.1. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (Verwaltungsgericht) wurde über den Revisionswerber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wegen der Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO gemäß § 99 Abs. 1a StVO eine Geld- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe und ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens verhängt. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

2 1.2. Das Verwaltungsgericht stellte fest, der Revisionswerber habe sein näher bezeichnetes Fahrzeug am Tattag gelenkt und um 18:30 Uhr an einer bestimmten Adresse abgestellt. Dabei habe er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden, weil eine spätere Alkomatmessung um 19:32 Uhr einen Messwert von 0,79 mg/l ergeben habe. Der Revisionswerber habe am Tattag 1,5 Liter Bier und 0,25 Liter Wein im Zeitraum zwischen 17:30 Uhr und 18:15 Uhr konsumiert. Zum Tatzeitpunkt habe sich der Revisionswerber in der Anflutungsphase eines Sturztrunkes befunden. Es sei von einem mindestens nachweisbaren Alkoholisierungsgrad zum Tatzeitpunkt in der Höhe von 0,79 mg/l, also von 1,58 Promille Blutalkohol auszugehen.

3 1.3. Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, die Angaben des Revisionswerbers sowohl zum Zeitpunkt des Nachhausekommens als auch zur Menge des getrunkenen Alkohols seien im gesamten Verfahren widersprüchlich gewesen. Es sei davon auszugehen, dass die Ehefrau bei ihrer ersten Befragung richtige Angaben gemacht habe; es sei nicht davon auszugehen, dass die Polizisten in der Anzeige wahrheitswidrige Fakten angegeben hätten. Eine Trinkdauer von 17:30 Uhr bis 18:15 Uhr sei mit den Angaben des medizinischen Sachverständigen kompatibel.

4 1.4. Das Verwaltungsgericht erläuterte in der Folge seine rechtlichen Erwägungen sowie die Strafbemessung.

5 2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 3.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 3.2.1. Der Revisionswerber bringt zu Zulässigkeit der Revision zunächst vor, dass vom Verwaltungsgerichtshof nicht beantwortet sei, ob dem Urteil des EGMR 13.2.2018, 5865/07, Butkevich , zu folgen sei.

10 Dazu ist auszuführen, dass bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Auswirkungen des Fernbleibens der vor das Verwaltungsgericht geladenen belangten Behörde existiert (vgl. VwGH 24.9.2019, Ro 2017/06/0006, mwN; vgl. auch VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049), in der der Verwaltungsgerichtshof der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes folgend (vgl. VfGH 14.3.2017, E 3282/2016, Slg. 20149, unter Bezug auf EGMR 20.9.2016, 926/08, Karelin gegen Russland) keinen Widerspruch des für die Verwaltungsgerichte anzuwendenden Amtswegigkeitsprinzips zu der in Art. 6 EMRK normierten Unparteilichkeit des erkennenden Gerichtes auch bei Abwesenheit der belangten Behörde erblickt.

11 3.2.2. Weiters bringt der Revisionswerber vor, die Behörde müsse dem Beschuldigten die Tat nachweisen, die Überwälzung der Beweislast auf den Beschuldigten sei unzulässig. Das Verwaltungsgericht habe die Beweise in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise gewürdigt; die Beweiswürdigung sei weder schlüssig noch vollständig: Es gebe keinen Beweis, dass er das Fahrzeug alkoholisiert gelenkt habe, er habe erst nach der Autofahrt zu trinken begonnen, er müsse seine Unschuld nicht beweisen. Es seien ein Ermittlungsverfahren sowie Feststellungen dazu unterblieben, dass die Motorhaube längst kalt gewesen sei. Aus dem Akteninhalt ergebe sich, dass die Ehefrau des Revisionswerbers ohne Anlass die Polizei gerufen habe, weil der Revisionswerber alkoholisiert nach Hause gekommen sei, ohne zu wissen, wann dieser das Auto abgestellt habe und wo er dann gewesen sei. Seine Rechtfertigung sei stets dieselbe gewesen. Die Trinkmenge nach dem amtsärztlichen Gutachten sei auch kompatibel.

12 Soweit somit die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes gerügt wird, ist der Revisionswerber darauf hinzuweisen, dass Fragen der Beweiswürdigung regelmäßig als nicht über den Einzelfall hinausreichend keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG zukommen. Die Beweiswürdigung ist nur dahingehend der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes unterworfen, ob der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind, das heißt nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen; die Richtigkeit der Beweiswürdigung ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu überprüfen (vgl. etwa VwGH 18.1.2022, Ra 2021/02/0223, mwN).

13 Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen der Revision hält die vom Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall vorgenommene Beweiswürdigung den dargestellten Prüfkriterien der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes stand. Die Feststellung, wann der Revisionswerber nach Hause gekommen ist, stützt sich auf die erste Aussage seiner Ehefrau vor der Polizei; seine Rechtfertigung wurde vom Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit näherer Begründung als nicht glaubhaft beurteilt. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zum Gutachten des Amtssachverständigen beziehen sich erkennbar darauf, dass der Revisionswerber zuletzt angegeben hat, bereits um 17:00 Uhr mit dem Alkoholkonsum begonnen zu haben.

14 3.2.3. Sofern der Revisionswerber das Fehlen einer Beweisaufnahme moniert, ist auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, dass die Beurteilung, ob eine Beweisaufnahme im Einzelfall notwendig ist, dem Verwaltungsgericht obliegt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG läge diesbezüglich nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 2.10.2020, Ra 2020/02/0208, mwN). Solches ist angesichts der Tatsache, dass der Revisionswerber keine Relevanz der unterlassenen Beweisaufnahme aufzeigt, nicht ersichtlich.

15 4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 13. Juli 2022

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