JudikaturVwGH

Ra 2021/18/0290 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
10. September 2021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des M M, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juni 2021, L506 2204407 1/27E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte am 8. Mai 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid vom 23. Juli 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

4 Zur - für das Revisionsverfahren allein relevanten - Rückkehrentscheidung hielt das BVwG begründend fest, dass sich der Revisionswerber seit Mai 2016 im Bundesgebiet aufhalte, dieser rund fünf Jahre dauernde Aufenthalt jedoch bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig gewesen sei. Der Revisionswerber bestreite seinen Unterhalt aus der staatlichen Grundversorgung und sei nicht selbsterhaltungsfähig, wenngleich er über zwei Einstellungszusagen verfüge. Zu Gunsten des Revisionswerbers zu berücksichtigen seien das ehrenamtliche Engagement, die Sprachkenntnisse sowie die persönlichen Beziehungen des Revisionswerbers. Diesen durch das Bewusstsein über den unsicheren Aufenthaltsstatus maßgeblich relativierten privaten Interessen stehe das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber, welches im vorliegenden Fall überwiege.

5 Die Revision wendet sich ausschließlich gegen die Rückkehrentscheidung und bringt dazu zusammengefasst vor, das BVwG habe nur einen selektiven Teil der hg. Rechtsprechung berücksichtigt, weshalb es den vorgelegten Einstellungszusagen zu wenig und dem Umstand, dass sich der Revisionswerber seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sei, zu viel Gewicht beigemessen habe.

6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG ist (vgl. VwGH 29.3.2021, Ra 2021/18/0071, mwN).

11 Das BVwG verschaffte sich im Zuge der Durchführung einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber und kam anhand der festgestellten Umstände zum Ergebnis, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben des Revisionswerbers darstelle. Es nahm eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der fallbezogen relevanten Umstände vor und bezog dabei auch zu Recht in seine Erwägungen ein, dass es im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA VG maßgeblich relativierend sei, wenn wie hier integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 11.11.2020, Ra 2020/18/0432, mwN).

12 Sofern sich die Revision gegen die Beurteilung der vorgelegten Einstellungszusagen wendet, ist darauf hinzuweisen, dass die dazu in der Revision zitierte Rechtsprechung die allgemeinen Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) betraf und daher im gegenständlichen Fall nicht einschlägig ist.

13 Entgegen dem Revisionsvorbringen hat das BVwG den Einstellungszusagen nicht generell jegliche Bedeutung abgesprochen, sondern diesen fallbezogen lediglich keine wesentliche Bedeutung beigemessen. Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa VwGH 28.11.2019, Ra 2019/18/0457 und 0458, mwN) ist bloß aufgrund vorliegender Einstellungszusagen keineswegs zwingend vom Überwiegen der privaten Interessen des Revisionswerbers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich auszugehen.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 10. September 2021

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