E3231/2021 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Syriens und in Griechenland seit 3. April 2020 asyl- sowie bis 13. April 2023 aufenthaltsberechtigt. Am 2. Februar 2021 stellte er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und gab an, Griechenland verlassen zu haben, "weil es dort Probleme mit Afghanen und anderen Flüchtlingen gegeben habe". Er sei in einer Unterkunft in Samos untergebracht worden, wo es "schmutzig und sehr schlimm" gewesen sei.
2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag mit Bescheid vom 23. Juni 2021 nach §4a AsylG 2005 als unzulässig zurück, sprach aus, dass sich der Beschwerdeführer nach Griechenland zurückzubegeben habe, erteilte keinen Aufenthaltstitel nach §57 leg cit, ordnete die Außerlandesbringung nach §61 Abs1 Z1 FPG an und stellte fest, dass die Abschiebung nach Griechenland gemäß §61 Abs2 leg cit zulässig sei.
3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, in der auf die schwierigen Lebensbedingungen für international Schutzberechtigte in Griechenland sowie auf die katastrophalen Umstände, unter denen der Einschreiter dort gelebt habe, hingewiesen wurde, wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 19. Juli 2021 ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab.
Das Bundesverwaltungsgericht ist der Ansicht, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr keine Verletzung seiner gemäß Art3 EMRK bzw Art4 GRC gewährleisteten Rechte drohe. Begründend wird wie folgt ausgeführt:
"Es wird dabei nicht verkannt, dass die Lage von Schutzberechtigten in Griechenland angespannt ist, doch hat der BF im Verfahren nicht angegeben, dass er seine Existenz nicht hätte[…] sichern können. Vor diesem Hintergrund, dass der BF selbst keinerlei Angaben darüber ins Treffen geführt hat, dass ihm in Griechenland seine elementarste Lebensgrundlage entzogen gewesen wäre, erscheinen die in der Beschwerde lediglich allgemein in den Raum gestellten Berichte über schlechte Verhältnisse in Griechenland nicht geeignet, um eine konkret drohende Gefährdung des BF im Falle seiner Rückkehr nach Griechenland darzutun, da [sich] die eigenen Erfahrungen des BF, die er in einem Zeitraum von etwa einem bis eineinhalb Jahren in Griechenland gemacht hat, offensichtlich nicht mit den allgemein gehaltenen Beschwerdeausführungen decken.
[…]
Im gegenständlichen Fall brachte der BF lediglich vor, dass er Griechenland verlassen habe, weil es dort zu Konflikten mit Afghanen und anderen Migranten gekommen sei und auch er einmal von Afghanen beraubt worden sei. Diesbezüglich ist […] auszuführen, dass der BF gehalten wäre, sich im Falle einer Bedrohung durch Private an die griechischen Sicherheitsbehörden um Schutz zu wenden.
Zu der wirtschaftlichen Situation des BF und der in der Beschwerde eingewendeten schwierigen wirtschaftlichen Situation von Schutzberechtigten in Griechenland ist auszuführen, dass sich die Situation [des] BF in Griechenland nicht von jener der griechischen Bevölkerung selbst unterscheidet, da allgemein bekannt in Griechenland der Arbeitsmarkt angespannt und die Arbeitslosigkeit hoch ist. Daraus kann jedoch noch nicht abgeleitet werden, dass den BF in Griechenland eine Art3 EMRK widersprechende Behandlung widerfahren ist, zumal der BF selbst nicht angegeben hat, dass er Probleme mit der Existenzsicherung gehabt habe.
Der mentale Stress bei einer Abschiebung selbst ist ebenfalls kein ausreichendes 'real risk', weshalb eine – nach dem Maßstab der Judikatur des EGMR – maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Rechte [des] BF gemäß Art3 EMRK nicht erkannt werden kann."
4. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2021, Ra 2021/01/0290, wurde die außerordentliche Revision des Beschwerdeführers als unzulässig zurückgewiesen.
5. Gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19. Juli 2021 richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden (Art3 EMRK) sowie im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK), behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.
6. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.
7. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat ebenfalls keine Äußerung erstattet.
II. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.
Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg cit gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).
3. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:
3.1. Gemäß §4a AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union zu Art33 Abs2 lita der Richtlinie 2013/32/EU zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes, ABl. 2013 L 180, 60, hat eine Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz, weil bereits von einem anderen Mitgliedstaat internationaler Schutz gewährt worden ist, allerdings dann zu unterbleiben, wenn die Lebensverhältnisse, die die antragstellende Partei in dem anderen Mitgliedstaat als anerkannter Flüchtling erwarten würden, sie der ernsthaften Gefahr aussetzten, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art4 GRC bzw des diesem entsprechenden Art3 EMRK zu erfahren (EuGH 13.11.2019, Rs C-540/17 ua, Hamed ua , Rz 43; ferner bereits EuGH 19.3.2019, Rs C-297/17 ua, Ibrahim ua , Rz 101).
Das mit der Rechtssache befasste Gericht – wie zuvor auch die befasste Behörde – trifft demnach die Verpflichtung, "auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen", die einer Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz entgegenstehen (EuGH, 19.3.2019, Rs C-163/17, Jawo , Rz 90; EuGH, Ibrahim ua , Rz 88).
Diese "Schwachstellen" sind nur dann im Hinblick auf Art4 GRC bzw Art3 EMRK relevant, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen (EuGH, Jawo , Rz 91, mit Verweis auf EGMR 21.1.2011 [GK], Fall M.S.S./Belgien und Griechenland , Appl 30.696/09), indem etwa "die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre" (EuGH, Jawo , Rz 92; EuGH, Ibrahim ua , Rz 90).
3.2. Das Bundesverwaltungsgericht verweist zur Begründung seiner Entscheidung zum überwiegenden Teil auf die im erstinstanzlichen Bescheid getätigten Erwägungen, wonach der Einschreiter den zugrunde gelegten Länderinformationen, aus denen hervorgehe, dass eine ausreichende Versorgung für Schutzberechtigte in Griechenland gewährleistet sei, nicht substantiiert entgegengetreten sei. Zudem stützt das Bundesverwaltungsgericht sein Erkenntnis weitgehend auf die Gleichstellung von griechischen Staatsangehörigen und anerkannten Flüchtlingen. Es sei allgemein bekannt, dass die Situation am Arbeitsmarkt in Griechenland angespannt sei, jedoch könne daraus nicht abgeleitet werden, dass dem Beschwerdeführer eine seine nach Art3 EMRK gewährleisteten Rechte gefährdende Lage erwarte.
Diese Begründung steht in einem deutlichen Spannungsfeld zu den allgemein die Situation für Schutzberechtigte in Griechenland beschreibenden, vom Bundesverwaltungsgericht auch wiedergegebenen Länderinformationen der Staatendokumentation (Version 2, letzte Änderung: 28.5.2021), in denen zusammengefasst deren Situation folgendermaßen beschrieben wird:
"Eine Residence Permit Card (RPC) ist Voraussetzung für den Erhalt finanzieller Unterstützung, einer Wohnung, einer legalen Beschäftigung, eines Führerscheins und einer Steuer- bzw Sozialversicherungsnummer, für die Teilnahme an Integrationskursen, für den Kauf von Fahrzeugen, für Auslandsreisen, für die Anmeldung einer gewerblichen oder geschäftlichen Tätigkeit und – abhängig vom jeweiligen Bankangestellten - oftmals auch für die Eröffnung eines Bankkontos (VB 19.3.2021).
Der Erhalt einer RPC dauert jedoch in der Praxis Monate und die Behördengänge sind für Personen ohne Sprachkenntnisse und Unterstützung äußerst schwierig zu bewerkstelligen. […]
[…] Die Ausstellung der RPC erfolgt durch die griechische Polizei (VB 1.3.2021). Die Gültigkeit der RPC beträgt für Asylberechtigte drei Jahre (um weitere drei Jahre verlängerbar) und für subsidiär Schutzberechtigte ein Jahr (um ein weiteres Jahr verlängerbar) und geht durch Ausreise und spätere Wiedereinreise nach Griechenland nicht verloren (VB 12.4.2021).
[…]
HELIOS Programm ('Hellenic Support for Beneficiaries of International Protection')
Nach Ausfolgung des Asylbescheides erhält der Asylberechtigte eine SMS-Mitteilung, dass er nun vom Cash Card Programm für Asylwerber abgemeldet wird und dass er die zur Verfügung gestellte Unterkunft sofort verlassen muss (das Gesetz sieht hier eine Frist von einem Monat vor). […] Der Verbleib mehrerer tausend Menschen in diversen Camps und Flüchtlingsunterkünften wird von der griechischen Regierung aufgrund fehlender Alternativen und der auch für Griechen schwierigen Situation einstweilen toleriert, allerdings ist nicht absehbar, für wie lange. Die Versorgung dieser in den Unterkünften noch geduldeten Flüchtlinge wird zum größten Teil von NGOs und Freiwilligen übernommen, wobei offensichtlich die jeweiligen Camp- oder Sitemanager eher willkürlich über Verfügbarkeit und Vergabe entscheiden (VB 19.3.2021).
Die griechische Regierung verweist anerkannte Schutzberechtigte für Unterstützungsmaßnahmen bei der Integration meist auf das Programm HELIOS. Zusätzlich hat die griechische Regierung im September 2020 mit IOM ein ergänzendes Programm ins Leben gerufen, das anerkannten Schutzberechtigten eine zweimonatige Unterbringung in Hotels ermöglichen soll. Gedacht ist dieses Programm als eine Art Puffer für Schutzberechtigte von den Inseln, die auf das Festland verbracht wurden und sich noch nicht bei Helios einschreiben konnten. Geplant war dieses Programm für 1.500 bis 2.000 Personen. Laut IOM haben insgesamt 2.504 Personen von dieser Maßnahme profitiert. Das Programm lief regulär Ende 2020 aus, wurde einmal bis Ende Februar 2021 verlängert. Anfang März hat Griechenland bei der EU-Kommission einen Antrag auf Weiterfinanzierung gestellt (VB 12.4.2021).
Bei HELIOS handelt sich um ein Projekt von IOM zur Integration von Schutzberechtigten, die in einer offiziellen Unterbringungseinrichtung leben (AIDA 6.2020; vgl IOM o.D.).
Helios ist das einzige aktuell in Griechenland existierende offizielle Integrationsprogramm für internationale Schutzberechtigte. Die Finanzierung erfolgt aus Mitteln des europäischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF); Umgesetzt wird das Programm von IOM in Zusammenarbeit mit verschiedenen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Das Programm wurde im Juli 2019 gestartet und hat eine Laufzeit bis Juni 2021. Neben Integrationskursen sowie einzelnen Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration beinhaltet es Unterstützung bei der Anmietung von Wohnraum (ProAsyl 4.2021).
[…]
Keinen Zugang zu Fördermaßnahmen aus dem HELIOS-Programm haben […] international Schutzberechtigte, die entweder vor dem 1. Januar 2018 internationalen Schutz erhalten haben oder die zwar nach dem 1. Januar 2018 anerkannt wurden, jedoch zum Zeitpunkt ihrer Anerkennung nicht in einer offiziellen Unterkunft in Griechenland gelebt haben, oder die sich nicht innerhalb eines Jahres nach Anerkennung für HELIOS registriert haben. Somit besteht in aller Regel für Schutzberechtigte, die aus anderen Ländern nach Griechenland zurückkehren, keine Möglichkeit, von Helios zu profitieren (ProAsyl 4.2021).
[…]
Phase zwischen positivem Bescheid und dem tatsächlichen Erhalt der RPC-Card
Tatsächlich gibt es bis zum Erlangen der RPC oder bis zur Teilnahme am Helios Programm keinerlei finanzielle oder anderweitige Unterstützung. Ohne gültige Aufenthaltserlaubnis können international Schutzberechtigte keine Sozialversicherungsnummer (AMKA) erhalten und diese wiederum ist Voraussetzung für den Zugang zu Sozialleistungen, zum Arbeitsmarkt und zur Gesundheitsversorgung. Ärztliche Untersuchungen und Behandlungen sowie ggf. benötigte Medikamente müssen ohne Vorliegen einer Sozialversicherungsnummer privat bezahlt werden (VB 12.4.2021; vgl ProAsyl 4.2021).
Wohnungsmöglichkeiten
[…]
In Griechenland existiert keine staatliche Unterstützung für international Schutzberechtigte beim Zugang zu Wohnraum, es wird auch kein Wohnraum von staatlicher Seite bereitgestellt (ProAsyl 4.2021). Auch gibt es keine Sozialwohnungen (VB 12.4.2021) und auch keine Unterbringung dezidiert für Schutzberechtigte. Laut einer Webseite der Stadt Athen gibt es vier Unterbringungseinrichtungen mit insgesamt 600 Plätzen, die jedoch bei weitem nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. Viele Betroffene sind daher obdachlos, leben in besetzten Gebäuden oder überfüllten Wohnungen (AIDA 6.2020; vgl VB 12.4.2021). Legale Unterkunft ohne RPC zu finden, ist fast nicht möglich. Da zB bei Arbeitssuche, Bankkontoeröffnung, Beantragung der AMKA usw oftmals ein Wohnungsnachweis erforderlich ist, werden oft Mietverträge für Flüchtlinge gegen Bezahlung (300-600 Euro) temporär verliehen: d.h., der Mieter wird angemeldet, ein Mietvertrag ausgestellt und nach kurzer Zeit wieder aufgelöst. Wohnbeihilfe bekommt man erst, wenn man per Steuererklärung seinen Wohnsitz über mehr als 5 Jahre in Griechenland nachweisen kann (VB 1.3.2021). NGOs wie etwa Caritas Hellas bieten gemischte Wohnprojekte an. Die Zahl der Unterkünfte in Athen – auch der Obdachlosenunterkünfte - ist jedoch insgesamt nicht ausreichend (VB 1.3.2021). Dass trotz dieses Umstandes Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen in Athen kein augenscheinliches Massenphänomen darstellt, ist auf die Bildung von eigenen Strukturen und Vernetzung innerhalb der jeweiligen Nationalitäten zurückzuführen, über die auf informelle Möglichkeiten zurückgegriffen werden kann. Wo staatliche Unterstützung fehlt, ist die gezielte Unterstützung der NGOs von überragender Bedeutung für Flüchtlinge und Migranten, wenngleich auch diese Organisationen nicht in der Lage sind, die erforderlichen Unterstützungen flächen- und bedarfsdeckend abzudecken (VB 12.4.2021; vgl ProAsyl 4.2021).
Lebenserhaltung
Auch die tägliche Lebens[er]haltung stellt viele Schutzberechtigte vor große Probleme. Da sie griechischen Staatsbürgern gleichgestellt sind, gibt es von offizieller Seite kaum Unterstützung für diesen Personenkreis. Einige NGOs in Athen (wie etwa KHORA, Network for Refugees, Hope Cafe,…) stellen kostenlos – aber bei weitem nicht in ausreichendem Maße, um alle Bedürftigen zu versorgen - Essen zur Verfügung. Die Bereitstellung von zB Hygiene- und Toilettenartikel gestaltet sich sehr schwierig; hierfür gibt es nur sehr wenige Anlaufstellen. Einige Gemeinden in Griechenland bieten anerkannten Schutzberechtigten auf freiwilliger Basis bzw mittels Abkommen mit der griechischen Regierung monatliche Unterstützung für Essenszuteilungen an (nur Essen, kein Geld). Voraussetzungen hierfür sind das Vorliegen von RPC, AMKA-Nummer, Steuernummer, Bankkonto, Mietvertrag und Telefonvertrag für eine gültige SIM-Karte. Jede einzelne dieser Voraussetzungen ist schwierig zu erfüllen und mit […] großem Zeitaufwand verbunden. Somit kommen nur sehr wenige Berechtigte in den Genuss derartiger Unterstützungsleistungen (VB 12.4.2021).
[…]
Arbeitsmarkt
Anerkannte Schutzberechtigte und deren Familienangehörige mit gültiger Aufenthaltserlaubnis haben unter den gleichen Bedingungen wie griechische Staatsangehörige Zugang zu einer Beschäftigung im Angestelltenverhältnis, zur Erbringung von Dienstleistungen oder Arbeit sowie das Recht, eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben. Wichtig für eine legale Beschäftigung ist der Nachweis einer gültigen Aufenthaltserlaubnis. Allenfalls ist darauf zu achten, dass diese rechtzeitig verlängert wird (UNHCR o.D.).
[…]
Tatsächlich aber behindern die hohe Arbeitslosigkeit, fehlende Sprachkenntnisse und bürokratische Hindernisse diesen Zugang, außer im informellen Sektor. Die meisten Schutzberechtigten sind daher auf Unterstützung angewiesen. Zugang zu Sozialhilfe ist gegeben, bürokratische Hürden stellen aber ein Problem dar (AIDA 6.2020)."
3.3. Vor dem Hintergrund dieser Berichtslage ergibt sich ohne nähere Auseinandersetzung mit der konkreten Situation des Beschwerdeführers unter Bezugnahme auf die Feststellungen in den Länderberichten nicht nachvollziehbar, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr keine reale Gefahr einer Art3 EMRK verletzenden Behandlung drohen werde (vgl VfGH 25.6.2021, E599/2021, Rz 21; 15.12.2021, E3242/2021, Rz 17; siehe auch VwGH 25.1.2022, Ra 2021/18/0085).
3.4. Indem das Bundesverwaltungsgericht sohin in entscheidenden Punkten die notwendige Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, hat es sein Erkenntnis mit Willkür belastet.
III. Ergebnis
1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.