Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Dr. Schwarz und Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des M J D, in W, vertreten durch Mag. Dr. Vera M. Weld, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Weihburggasse 4/40, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2021, W182 2193853-2/2E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber ist philippinischer Staatsangehöriger. Er reiste 2014 mit einem Touristenvisum legal nach Österreich ein.
2 Ein im Jahr 2014 eingebrachter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ blieb ebenso wie ein im Jahr 2016 gestellter weiterer Antrag auf internationalen Schutz erfolglos. Der Revisionswerber verblieb trotz der gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidung im Bundesgebiet.
3 Mit Bescheid vom 27. April 2021 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 58 Abs. 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) zurück.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der „Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen [...] gemäß §§ 56 Abs. 1 und 60 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 [...] als unbegründet abgewiesen“ werde (Spruchpunkt A) und sprach unter einem aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B).
5 Das Verwaltungsgericht stellte im Wesentlichen fest, der Revisionswerber habe am 28. Juli 2014 standesamtlich eine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin philippinischer Herkunft zu dem Zweck geschlossen, sich einen Aufenthaltstitel zu verschaffen. Er sei bisher im Bundesgebiet keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen, habe aber für den Fall der Erteilung eines Aufenthaltstitels Einstellungszusagen vorlegen können. Im Herkunftsland würden sich „zumindest die Eltern“ des Revisionswerbers aufhalten. Im Bundesgebiet würden zwei Tanten sowie die Schwester des Revisionswerbers mit Kind leben. Im Herkunftsland lasse sich keine derartige Situation herleiten, wonach dem Revisionswerber allein aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage ohne Hinzutreten individueller Faktoren aktuell und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit seiner Person drohen würde.
6 In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Verwaltungsgericht unter anderem fest, die Berichtigung eines Bescheides gemäß § 62 Abs. 4 AVG könne auch durch das Verwaltungsgericht erfolgen. Bereits aus der Bescheidbegründung des bekämpften Bescheides des BFA gehe zweifelsfrei hervor, dass das BFA die Abweisung des verfahrensgegenständlichen Antrags beabsichtigt habe. Es werde auch nicht auf ein Vorverfahren gemäß § 56 AsylG 2005 verwiesen, wobei „ein solches auch nie stattgefunden“ habe. Es habe seine Absicht aufgrund eines offensichtlichen Versehens im Spruch unrichtig wiedergegeben. Sohin sei mit der gegenständlichen Maßgabe zu entscheiden gewesen.
7 Zum Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerber, der keine Beschwerdeverhandlung beantragt habe, in der Beschwerde den durch das BFA getätigten beweiswürdigenden Ausführungen nicht in konkreter und substantiierter Weise entgegengetreten sei. Auch sonst habe sich kein Hinweis ergeben, den maßgeblichen Sachverhalt im Rahmen einer Verhandlung zu erörtern. Somit sei der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen.
8 Dagegen erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Die Anwendung des § 62 Abs. 4 AVG setzt einen fehlerhaften Verwaltungsakt mit der Maßgabe voraus, dass eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sowie deren Offenkundigkeit gegeben ist. Die Berichtigung ist auf jene Fälle der Fehlerhaftigkeit eingeschränkt, in denen die Unrichtigkeit eine offenkundige ist, wobei es allerdings ausreichend ist, wenn die Personen, für die der Bescheid bestimmt ist, die Unrichtigkeit des Bescheides hätten erkennen können und die Unrichtigkeit ferner von der Behörde bei entsprechender Aufmerksamkeit bereits bei der Erlassung des Bescheides hätte vermieden werden können. Bei der Beurteilung einer Unrichtigkeit als offenkundig im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG kommt es letztlich auf den Inhalt der übrigen Bescheidteile (z.B. Begründung) bzw. auf den Akteninhalt an. Handelt es sich um offenbar auf Versehen beruhende Unrichtigkeiten, die nach § 62 Abs. 4 AVG jederzeit hätten berichtigt werden können, ist die Entscheidung auch vor einer Berichtigung bereits in der entsprechenden richtigen Fassung zu lesen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 3.12.2020, Ra 2020/19/0275, mwN).
13 Dass das Verwaltungsgericht diese Grundsätze in unvertretbarer Weise nicht beachte hätte, zeigt das insoweit bloß pauschal gehaltene Zulässigkeitsvorbringen nicht auf.
14 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit macht die Revision zudem im Wesentlichen eine Verletzung der Verhandlungspflicht geltend.
15 Aus § 21 Abs. 7 BFA-VG ergibt sich, dass die Unterlassung einer Verhandlung nur dann einen relevanten, zur Aufhebung führenden Verfahrensmangel begründet, wenn ein entscheidungswesentlicher Sachverhalt klärungsbedürftig ist; dieser ist in der Revision darzutun (vgl. VwGH 18.12.2023, Ra 2022/17/0169 bis 0172, mwN).
16 Der Revisionswerber, der in seiner Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid des BFA keine Durchführung einer Beschwerdeverhandlung beantragt hatte, legt in der Begründung zur Zulässigkeit der Revision mit dem bloß pauschal und ohne Fallbezug gehaltenen Vorbringen, u.a. die Frage der Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich könne nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden, nicht plausibel dar, inwiefern das Verwaltungsgericht von der Durchführung einer Verhandlung nicht hätte absehen dürfen.
17 Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG (vgl. z.B. VwGH 27.10.2023, Ra 2023/17/0109, mwN).
18 Dass das Verwaltungsgericht von diesen durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entwickelten Grundsätzen krass fehlerhaft abgewichen wäre hätte, ist bereits anhand der oben in Rn. 5 wiedergegebenen und im Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht bestrittenen Feststellungen zur Integration des Revisionswerbers im Bundesgebiet im angefochtenen Erkenntnis nicht ersichtlich.
19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 18. März 2024