JudikaturVwGH

Ra 2021/11/0018 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
25. April 2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie Hofrätin Mag. Hainz Sator und Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des A T in Z (Slowenien), vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, Dr. Maria Skof, MMag. Maja Ranc und Mag. Sara Julia Grilc, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 22. Juni 2020, Zl. LVwG 33.15 72/2020 20, betreffend Übertretungen des Lohn und Sozialdumping Bekämpfungsgesetzes (LSD BG) (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 16. Dezember 2019 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe es als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Firma T S.p. mit Sitz in Slowenien zu verantworten, dass diese Firma als Arbeitgeberin näher genannte, von ihr nach Österreich entsandte Arbeitnehmer an einem näher bezeichneten Arbeits(Einsatz)Ort, zu einem näher spezifizierten Zeitpunkt eingesetzt bzw. beschäftigt habe, wobei sie

1.) zum Zeitpunkt der Erhebung durch die Abgabenbehörde für drei Arbeitnehmer näher angeführte Lohnunterlagen nicht am Arbeits(Einsatz)ort im Inland bereitgehalten oder zugänglich gemacht habe,

2.) trotz nachweislicher Aufforderung die angeforderten Lohnunterlagen der genannten drei Arbeitnehmer nicht fristgerecht übermittelt habe sowie

3.) einem der drei Arbeitnehmer nicht das gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien geleistet habe.

2 Wegen dieser Übertretungen des LSD BG wurde über den Revisionswerber zu 1.) gemäß § 28 Z 1 iVm. § 22 Abs. 1 LSD-BG eine Geldstrafe in Höhe von € 1.500,00, zu 2.) gemäß § 27 Abs. 1 iVm. § 12 Abs. 1 Z 3 LSD BG eine Geldstrafe in Höhe von € 750,00 und zu 3.) gemäß § 29 Abs. 1 erster Satz LSD BG eine Geldstrafe in Höhe von € 1.500,00 sowie jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

3 2.1. Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde des Revisionswerbers dahingehend statt, dass es die in den Spruchpunkten 1.) und 2.) verhängten Ersatzfreiheitsstrafen jeweils behob. Im Übrigen wies es die Beschwerde gegen Spruchpunkt 3.) zur Gänze ab und erlegte dem Revisionswerber einen Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren in Höhe von € 300,00 auf. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

4 2.2. Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, hinsichtlich der Spruchpunkte 1.) und 2.) des Straferkenntnisses sei der Schuldspruch jeweils in Rechtskraft erwachsen, da sich die Beschwerde laut Klarstellung des Revisionswerbers hinsichtlich dieser jeweils lediglich gegen die Höhe der verhängten Strafe richte.

5 Das Beschwerdevorbringen hinsichtlich Spruchpunkt 3.), in dem der Revisionswerber geltend gemacht habe, der betroffene Arbeitnehmer sei nicht als Facharbeiter, sondern als Hilfsarbeiter einzustufen, weshalb auch keine Unterentlohnung vorläge, sei hingegen als volle Beschwerde zu werten. Dazu führte das Verwaltungsgericht aus, im Zeitpunkt der Erhebung durch die Kontrollbehörde sei der betreffende Arbeitnehmer beim gegenständlichen Bauvorhaben auf einem Gerüst stehend beim Mauern der Giebelmauer angetroffen worden. Aufgrund des Heranziehens des Arbeitnehmers zu Maurerarbeiten sowie dessen Angaben in dem auch in slowenischer Sprache abgefassten Baustellenerhebungsprotokoll sei davon auszugehen, dass dieser als Facharbeiter einzustufen sei. Das von der belangten Behörde als aushaftend erhobene Entgelt in Höhe von € 590,96 (22,75 %) sei dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nachträglich ausbezahlt worden.

6 Die von der belangten Behörde in den Spruchpunkten 1.) und 2.) vorgenommene Strafbemessung entspreche insofern den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (sowie des Verfassungsgerichtshofes) auf der Grundlage des Urteils des EuGH in der Rechtssache Maksimovic entwickelten Judikaturgrundsätzen, als jeweils für die drei betroffenen Arbeitnehmer nur eine Geldstrafe verhängt und die dafür vorgesehene Mindeststrafe unangewendet gelassen worden sei. Lediglich die jeweils zu Unrecht erfolgte Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe sei zu beheben gewesen. Betreffend die Strafbemessung zu Spruchpunkt 3.) sei vorauszuschicken, dass sich die Judikatur des EuGH zur Verhältnismäßigkeit von Strafen ausschließlich auf die formalen Verpflichtungen bei grenzüberschreitendem Arbeitseinsatz beziehe. Zum Vorbringen der Beschwerde, die belangte Behörde habe die vollständige Entgeltnachzahlung nicht gebührend berücksichtigt, sei auszuführen, dass ein Fall des § 29 Abs. 2 LSD BG nicht vorliege, da die Entgeltnachzahlung nachweislich erst nach Einleitung des gegenständlichen Strafverfahrens erfolgt sei. Da das Ausmaß der Unterentlohnung mit 22,75 % weit über der vom Verwaltungsgerichtshof herangezogenen Prozentgrenze liege und auch in betragsmäßiger Hinsicht nicht als „gering“ im Sinne von § 29 Abs. 3 Z 1 LSD BG angesehen werden könne, seien die Voraussetzungen für ein gänzliches Absehen von der Strafe nicht gegeben. Jedoch sei die Entgeltnachzahlung im Sinne von § 29 Abs. 3 letzter Satz LSD BG bei der Strafbemessung zu berücksichtigen.

7 3. Mit Beschluss vom 26. November 2020, E 2471/2020 5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde ab und trat diese mit Beschluss vom 5. Jänner 2021, E 2471/2020 7, an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

8 4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattete.

9 5.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 5.2. Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vor, es liege eine Divergenz der Rechtsprechung zwischen (einerseits) der „Judikaturlinie des VfGH“, welcher nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Maksimovic „u.a. festgestellt“ habe, dass durch die Verhängung von Geldstrafen in vergleichbaren Fällen gemäß §§ 26 und 28 LSD BG das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden sei, und (andererseits) der mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Oktober 2019, Ra 2019/11/0033 bis 0034 beginnenden „Judikaturlinie des VwGH“, nach der weiterhin eine Anwendbarkeit der genannten Normen gegeben sei, jedoch mit der Maßgabe der bloß eingeschränkten Anwendbarkeit bestimmter Strafnormen, vor. Zur Frage, „ab welcher Höhe einer Geldstrafe im Sinne der Judikatur des VfGH eine Verletzung des Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums vorliegt“ und „ob die Bestimmungen der §§ 26 und 28 LSD BG derzeit überhaupt angewendet werden können“, liege aber keine klare Judikatur vor.

13 Mit diesem zur Zulässigkeit erstatteten Vorbringen hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 9. November 2020, Ra 2020/11/0188 (vgl. auch VwGH 21.3.2022, Ro 2021/11/0147, mwN), auseinandergesetzt.

14 5.3. Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit geltend macht, nach der Rechtsprechung des EuGH sei „nicht geklärt, ob weiterhin Mindeststrafen verhängt werden dürfen“, ist ihr zu entgegnen, dass das Verwaltungsgericht diese Rechtsprechung wie es in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses auch selbst ausführte dahingehend verstand, die Strafbemessung ohne Bindung an die jeweilige Mindeststrafe vorzunehmen, weshalb sich die in der Revision umschriebene Rechtsfrage fallgegenständlich nicht stellt.

15 5.4. Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit ferner vor, dem Revisionswerber sei zu Unrecht ein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt worden, obwohl die Beschwerde insofern erfolgreich gewesen sei, als die Ersatzfreiheitsstrafen behoben worden seien. Wenn eine Beschwerde wenn auch nur teilweise erfolgreich sei, stehe fest, dass das angefochtene Erkenntnis zumindest teilweise rechtswidrig gewesen sei. Es sei dann nach Auffassung des Revisionswerbers jedenfalls unzulässig, einen solchen Beitrag aufzuerlegen, weil dadurch für die Herstellung des rechtmäßigen Zustandes ungebührliche Hindernisse aufgestellt werden würden. In diesem Sinne habe auch der EuGH im Urteil Maksimovic geurteilt, dass die Auferlegung eines Kostenersatzes im Beschwerdeverfahren gemeinsam mit den anderen Restriktionen in Summe zur Verletzung der Dienstleistungsfreiheit beitrage.

16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist. Allerdings führt der Erfolg einer Beschwerde hinsichtlich einer von mehreren in einem Straferkenntnis geahndeten Verwaltungsübertretungen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zur Anwendung des § 52 Abs. 8 VwGVG auch hinsichtlich der übrigen Verwaltungsübertretungen (siehe etwa VwGH 17.12.2019, Ra 2019/04/0121, mwN). Da die Beschwerde im vorliegenden Fall lediglich gegen die Spruchpunkte 1.) und 2.) des zugrundeliegenden Straferkenntnisses erfolgreich war, sie hinsichtlich Spruchpunkt 3.) abgewiesen wurde und das Verwaltungsgericht nur hinsichtlich Spruchpunkt 3.) Kosten im Beschwerdeverfahren auferlegte, zeigt die Revision mit ihrem Vorbringen zum Kostenausspruch des Verwaltungsgerichts eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf.

17 Soweit der Revisionswerber darüber hinaus die Unzulässigkeit der Auferlegung von Kosten im Verfahren über die Beschwerde gegen Spruchpunkt 3.) unter Verweis auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache Maksimovic geltend macht, verabsäumt er, konkret darzulegen, inwieweit die Erwägungen des EuGH zur Unverhältnismäßigkeit einer Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs durch die Strafregelungen der „Formaldelikte“ der §§ 26 bis 28 LSD BG auf den Fall der Unterentlohnung nach § 29 LSD BG übertragbar wären. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht ein pauschales oder nur ganz allgemein gehaltenes Vorbringen ohne Herstellung eines Fallbezugs nicht aus, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (etwa VwGH 28.2.2022, Ro 2021/10/0018).

18 5.5. Wenn die Revision zur Zulässigkeit weiters vorbringt, das Verwaltungsgericht habe es gegenständlich entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (Hinweis auf VwGH 31.1.1990, 89/03/0027) unterlassen, § 20 VStG (Unterschreitung der Mindeststrafe) anzuwenden, so genügt der erneute Hinweis, dass dem angefochtenen Erkenntnis ohnehin nicht die Auffassung zugrunde liegt, dass Mindeststrafen zu verhängen wären. Sofern die Revision schließlich geltend macht, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Revisionswerber die ihm vorgeworfene Unterentlohnung vollständig nachgezahlt habe, ist sie darauf hinzuweisen, dass sich das Verwaltungsgericht mit diesem vom Revisionswerber bereits in seiner Beschwerde erstatteten Vorbringen sehr wohl auch in Hinblick auf die Strafbemessung auseinandersetzte (vgl. dazu die Wiedergabe der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses in Rz 6).

19 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. April 2022

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