Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Schörner, über die außerordentliche Revision der A Ges.m.b.H. in B, vertreten durch Mag. Wolfgang Moser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wächtergasse 1/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. September 2021, W151 2244118 1/5E, betreffend Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf gemäß § 12a Ausländerbeschäftigungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz; mitbeteiligte Partei: C D E F, vertreten durch Mag. Wolfgang Moser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wächtergasse 1/11), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit dem am 13. Dezember 2020 beim Magistrat der Stadt Wien Magistratsabteilung 35 eingebrachten Schreiben stellte der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Sri Lanka, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot Weiß Rot Karte“ gemäß § 41 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs und Aufenthaltsgesetz (Fachkraft im Mangelberuf) für die Beschäftigung als Koch im Gastronomieunternehmen der revisionswerbenden Partei.
2 Mit Bescheid vom 10. Mai 2021 versagte die mit dem Antrag gemäß § 20d Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde die Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf gemäß § 12a AuslBG. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass dem Mitbeteiligten entsprechend der Anlage B zum AuslBG 20 Punkte für seine Qualifikation, vier Punkte für seine ausbildungsadäquate Berufserfahrung, keine Punkte für seine Sprachkenntnisse sowie 15 Punkte für sein Alter, sohin insgesamt 39 Punkte, anzurechnen seien. Damit habe er die erforderliche Mindestpunktezahl von 55 nicht erreicht. Es seien keine Sprachzertifikate vorgelegt worden. Für die Berufserfahrung könnten Punkte erst nach vollständig abgeschlossener Berufsausbildung in der beabsichtigten Beschäftigung angerechnet werden. Dabei ging die belangte Behörde von einem Abschluss der Berufsausbildung im Mai 2019 aus.
3 In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachte die revisionswerbende Partei unter anderem zusammengefasst vor, der Mitbeteiligte habe seine berufliche Ausbildung bereits im Jahr 2012 abgeschlossen und sei in Sri Lanka als Koch zertifiziert worden. Danach habe er in näher angeführten Zeiträumen in Hotelküchen als Koch gearbeitet, weshalb er 109 Monate Berufserfahrung erworben habe. Die weitere Ausbildung vom 20. April 2019 („Diploma in Kitchen Management“) stelle lediglich eine Zusatzausbildung dar.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte es für nicht zulässig.
5 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Ausbildung zum diplomierten sri lankischen Koch an der „Vocational Training Authority of Sri Lanka“ bestehe aus zwei theoretischen Modulen („Koch“ und „Diplom im Küchenmanagement“) und einem praktischen Modul. Die Ausbildung zum sri lankischen Koch werde erst mit Absolvierung der beiden theoretischen Module und des praktischen Moduls abgeschlossen. Der Mitbeteiligte habe mit Zertifikat vom 17. Oktober 2012 nach Absolvierung eines sechsmonatigen Ausbildungskurses zum Koch den Leistungsnachweis „Koch“ und mit 20. Mai 2019 das Modul „Diplom im Küchenmanagement“ abgeschlossen. Somit sei die Ausbildung zum sri lankischen Koch erst am 20. Mai 2019 abgeschlossen gewesen. Ausgehend davon seien zwei Jahre Berufserfahrung anzurechnen, für die weiteren davor absolvierten Beschäftigungen könnten keine Punkte vergeben werden, weil diese vor Abschluss der Berufsausbildung ausgeübt worden seien.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende außerordentliche Revision. Die belangte Behörde erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 Die Revision erweist sich bereits mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen zur Frage, ob beim Mitbeteiligten bereits vor Absolvierung des Moduls „Küchenmanagement“ eine Ausbildung vorlag, die dem Erreichen eines österreichischen Lehrabschluss im Mangelberuf Koch entspricht, als zulässig. Sie ist auch begründet.
9 Die relevanten Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), § 12a in der Fassung BGBl. I Nr. 25/2011 und die Anlage B in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2018, lauten auszugsweise:
„Fachkräfte in Mangelberufen
§ 12a. Ausländer werden in einem in der Fachkräfteverordnung (§ 13) festgelegten Mangelberuf zu einer Beschäftigung als Fachkraft zugelassen, wenn sie
1. eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen können,
2. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage B angeführten Kriterien erreichen,
3. für die beabsichtigte Beschäftigung das ihnen nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Mindestentgelt zuzüglich einer betriebsüblichen Überzahlung erhalten und
sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall entfällt.
...
Anlage B
Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a
10 Entscheidend für den gegenständlichen Revisionsfall sowohl in Bezug auf das Zulassungskriterium „Qualifikation: abgeschlossene Berufsausbildung im Mangelberuf“ als auch für das Zulassungskriterium „ausbildungsadäquate Berufserfahrung“ ist der Zeitpunkt des Abschlusses der Berufsausbildung:
11 Eine „ausbildungsadäquate Berufserfahrung“ setzt ihrem Wortsinn nach nämlich voraus, dass die für die jeweilige Berufstätigkeit erforderliche Ausbildung zuvor abgeschlossen sein muss. Es sind daher hinsichtlich dieses Zulassungskriteriums nur Zeiten an Berufserfahrung heranzuziehen, die nach Abschluss der für den Mangelberuf (hier: Koch) erforderlichen Berufsausbildung liegen (vgl. in diesem Sinn bereits VwGH 22.9.2021, Ro 2021/09/0016 bis 0017).
12 Der Gesetzgeber sieht einen österreichischen Lehrabschluss oder eine vergleichbare Ausbildung als Mindestanforderung für eine abgeschlossene Berufsausbildung vor (vgl. VwGH 25.1.2013, 2012/09/0068, VwSlg. 18558 A). Die abgeschlossene Berufsausbildung in einem Mangelberuf muss einem Lehrabschluss aber nur vergleichbar sein (vgl. insoweit VwGH 15.3.2022, Ra 2020/09/0027, mit Hinweis auf VwGH 26.2.2021, Ra 2020/09/0046; siehe auch ErläutRV 1077 BlgNR 24 GP, 12).
13 Das Bundesverwaltungsgericht geht im angefochtenen Erkenntnis im Wesentlichen davon aus, dass eine abgeschlossene Berufsausbildung des Mitbeteiligten im Sinn der Anlage B des AuslBG nur dann vorliegen kann, wenn die Berufsausbildung zum diplomierten sri lankischen Koch an der Vocational Training Authority of Sri Lanka bestehend aus zwei theoretischen und einem praktischen Modul zur Gänze erfüllt ist.
14 Entscheidend für die Zulassung im Mangelberuf „Koch“ ist allerdings die abgeschlossene Berufsausbildung in diesem Beruf, nicht die abgeschlossene Ausbildung als sri lankischer Spezialkoch. Ausgehend von der Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der Mitbeteiligte einen Ausbildungskurs zum Koch absolviert hat und diesen mit Zertifikat vom 17. Oktober 2012 über den Leistungsnachweis „Koch“ abgeschlossen hat, hätte sich das Verwaltungsgericht entsprechend dem Beschwerdevorbringen damit auseinandersetzen müssen, ob bereits durch den Erwerb dieses Zertifikats samt praktischer Tätigkeit eine abgeschlossene Berufsausbildung vorlag, die einem österreichischen Lehrabschlusses als Koch vergleichbar ist (vgl. zur Erfordernis der Dauer der Ausbildung bereits VwGH 25.1.2013, 2012/09/0068, VwSlg. 18558 A). Dazu hätte es jedoch näherer Feststellungen zum Inhalt und Umfang der absolvierten Ausbildung und Module bedurft.
15 Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
16 Das angefochtene Erkenntnis war daher bereits aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.
17 Angemerkt wird, dass es sich beim Verfahren betreffend die Zulassung von Ausländern zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft um ein „civil right“ im Sinn der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte handelt, weshalb bei einer inhaltlichen Erledigung im Regelfall eine mündliche Verhandlung durchzuführen ist (vgl. VwGH 15.3.2022, Ra 2020/09/0027, mwN).
18 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 17. Mai 2022