Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die Revision der P GmbH in G, vertreten durch die Saxinger Chalupsky Partner Rechtsanwälte GmbH in 4600 Wels, Edisonstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. September 2021, L511 2238117 1/10E, betreffend Abweisung eines Antrages gemäß § 735 Abs. 5 ASVG auf Ersatz u.a. des während der Freistellung eines Dienstnehmers geleisteten Entgelts (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle Oberösterreich), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Mit Bescheid vom 20. August 2020 wies die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) den Antrag der revisionswerbenden Partei „auf Erstattung gemäß § 735 Abs. 5 [ASVG] betreffend die Freistellung von [...] MW [...] für den Zeitraum von 30. März 2020 bis 22. April 2020“ ab.
2 Die gegen diesen Bescheid der ÖGK von der revisionswerbenden Partei erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Spruch des Bescheides zu lauten habe:
„Der Antrag der [revisionswerbenden Partei] auf Erstattung gemäß § 735 Abs. 5 [ASVG] in der Fassung BGBl. I Nr. 23/2020 betreffend die Freistellung von [...] MW [...] für den Zeitraum von 30.03.2020 bis 22.04.2020 wird als verspätet [Hervorhebung im Original] abgewiesen.“
3 Das Bundesverwaltungsgericht erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für zulässig (zur Zulassungsbegründung vgl. unten).
4 Gemäß § 735 Abs. 5 ASVG in der Fassung des Art. 45 des 3. COVID 19 Gesetzes, BGBl. I Nr. 23/2020, habe der Dienstgeber Anspruch auf Erstattung (u.a.) des Entgelts, das an Dienstnehmer mit Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung und Fortzahlung des Entgelts nach Vorlage eines COVID 19 Risiko Attestes geleistet worden sei; der Antrag auf Ersatz sei spätestens sechs Wochen nach dem Ende der Freistellung beim Krankenversicherungsträger einzubringen. MW sei von Montag, 30. März 2020, bis Mittwoch, 22. April 2020, von der Arbeitsleistung freigestellt gewesen. Die sechswöchige Antragsfrist habe am Mittwoch, 22. April 2020, um 24:00 Uhr begonnen und am Mittwoch, 3. Juni 2020, um 24:00 Uhr geendet. Der Antrag auf Ersatz sei unstrittig erst am 26. Juni 2020 bei der ÖGK eingebracht worden. Von Bedeutung sei, ob es sich bei der in § 735 Abs. 5 ASVG vorgesehenen Frist um eine gegebenenfalls einer Wiedereinsetzung zugängliche verfahrensrechtliche oder eine nicht restituierbare materiellrechtliche Frist handle. Die innerhalb der Frist des § 735 Abs. 5 ASVG zu setzende Handlung nämlich die Antragstellung sei zweifelsfrei auf den Eintritt materieller Rechtswirkungen und nicht auf prozessuale Rechtswirkungen gerichtet. Die Notwendigkeit der Geltendmachung des Anspruchs innerhalb der Frist ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung, wenngleich der Untergang des Anspruchs bei verspäteter Geltendmachung nicht ausdrücklich erwähnt sei (dies sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Annahme einer materiellrechtlichen Frist auch nicht erforderlich). Es handle sich demnach um eine materiellrechtliche Frist. Zum Vorbringen der revisionswerbenden Partei, sie habe „laufend telefonische Auskünfte bei der ÖGK eingeholt“, sei festzuhalten, dass die Antragstellung dennoch erst mit 26. Juni 2020 erfolgt sei. Die Auskunft der ÖGK an die revisionswerbende Partei im E Mail vom 3. Juli 2020, dass die Frist erst mit 23. Juni 2020 zu laufen beginne, sei weder mit dem Gesetz in Einklang zu bringen, noch ergebe sie sich aus der „zitierten Weisung des BMSGPK vom 22. Juni 2020“. Die vorgebrachten Gründe für das Versäumen der Frist würden somit an der Beurteilung der Einbringung des Antrages als verspätet nichts ändern und könnten zumal es sich um eine materiellrechtliche Frist handle auch nicht als Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand herangezogen werden.
5 Wenngleich der Wortlaut des § 735 Abs. 5 ASVG nach der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts eine materiellrechtliche Frist zum Ausdruck bringe, bestehe zum Entscheidungszeitpunkt keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 735 ASVG. Darüber hinaus sei § 735 ASVG innerhalb kürzester Zeit mehrfach novelliert worden und die ÖGK im vorliegenden Fall von einem durch Weisung aufgeschobenen Fristenlauf ausgegangen, weshalb die Revision zulässig sei.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
9Auch in der ordentlichen Revision hat die revisionswerbende Partei von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen, sofern sie der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder sie andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Das gilt auch dann, wenn sich die Revision zwar auf die Gründe, aus denen das Verwaltungsgericht die (ordentliche) Revision für zulässig erklärt hatte, beruft, diese aber fallbezogen keine Rolle (mehr) spielen oder zur Begründung der Zulässigkeit der konkret erhobenen Revision nicht ausreichen (vgl. VwGH 12.9.2024, Ro 2023/08/0020, mwN). Im Fall der Berufung auf die Gründe, aus denen das Verwaltungsgericht die (ordentliche) Revision für zulässig erklärt hatte, ist weitere Voraussetzung, dass der Revisionswerber der vom Verwaltungsgericht zu der als grundsätzlich erachteten Rechtsfrage vertretenen Auffassung argumentativ entgegentritt (vgl. VwGH 1.3.2022, Ro 2020/21/0014, mwN).
10 Die vorliegende ordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht habe ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig sei, „weil im Beschwerdefall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zukommt“, da Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 735 ASVG fehle. Zudem sei § 735 ASVG innerhalb von kürzester Zeit mehrfach novelliert worden und sei die ÖGK im vorliegenden Fall von einem durch Weisung aufgeschobenen Fristenlauf ausgegangen.
11 Mit diesem Vorbringen beruft sich die Revision offenbar grundsätzlich auf die Zulassungsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts, in der das Bundesverwaltungsgericht explizit (nur) das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob § 735 Abs. 5 ASVG in der Fassung des Art. 45 des 3. COVID 19Gesetzes, BGBl. I Nr. 23/2020, eine materiellrechtliche (oder eine verfahrensrechtliche) Frist vorsieht, zum Anlass für die Zulassung der Revision genommen hat. Gleichzeitig tritt die Revision in den Ausführungen zu den Revisionsgründen („Eine Überschreitung der Antragsfrist lag im gegenständlichen Fall nicht vor, denn die materiellrechtliche sechswöchige Frist des idgF § 735 Abs. 4 [sic] ASVG war noch nicht abgelaufen.“) der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, es handle sich um eine materiellrechtliche Frist, nicht nur nicht entgegen, sondern sogar ausdrücklich bei. Das Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung macht die Revision in diesem Zusammenhang somit nicht geltend.
12 Mit dem Hinweis in der Zulassungsbegründung (wiederholt von der Zulässigkeitsbegründung der Revision), § 735 ASVG sei innerhalb kürzester Zeit mehrfach novelliert worden, wird keine konkrete Rechtsfrage aufgezeigt, von deren Lösung die Revision abhinge.
13 Wenn die Zulassungsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts und die Zulässigkeitsbegründung der Revision schließlich den Umstand ansprechen, dass die ÖGK im vorliegenden Fall von einem durch Weisung aufgeschobenen Fristenlauf ausgegangen sei, dürften sie sich auf eine Auskunft beziehen, die die ÖGK der revisionswerbenden Partei den Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis zufolge mit einem EMail vom 3. Juli 2020 erteilt hat. § 735 Abs. 5 zweiter Satz ASVG in der Fassung des Art. 45 des 3. COVID 19Gesetzes, BGBl. I Nr. 23/2020, ordnet jedoch ganz klar an, dass der Antrag auf Ersatz spätestens sechs Wochen nach dem Ende der Freistellung beim Krankenversicherungsträger einzubringen ist. Weder das Bundesverwaltungsgericht noch die Revision führen (generelle) Normen ins Treffen, die der gesetzlichen Anordnung des § 735 Abs. 5 zweiter Satz ASVG in der Fassung des Art. 45 des 3. COVID 19 Gesetzes, BGBl. I Nr. 23/2020, derogiert haben könnten. Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen wie vorliegend klar und eindeutig, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG vor, auch wenn zu einer Frage der Auslegung der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. etwa VwGH 23.12.2021, Ra 2020/08/0178, mwN).
14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher nach Durchführung des Vorverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 2. Oktober 2024