Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag. a Merl und Mag. Liebhart Mutzl als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des Eissportvereins L, vertreten durch Mag. Nicole Konrad, Rechtsanwältin in 8342 Gnas 56, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 27. September 2021, LVwG 50.25 1302/2021 41, betreffend einen Beseitigungsauftrag gemäß § 41 Stmk. BauG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeisterin der Gemeinde Bad Blumau; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: M W, vertreten durch die Imre Schaffer Rechtsanwälte OG in 8200 Gleisdorf, Ludersdorf 201/1), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde BB vom 5. März 2021 wurde dem Revisionswerber gemäß § 41 Abs. 1, 3 und 6 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) aufgetragen, eine näher bezeichnete bauliche Anlage (Stocksporthalle mit angebautem Zuseherraum) innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen. Das Verfahren war durch einen Antrag des Mitbeteiligten vom 5. September 2019 gemäß § 41 Abs. 6 Stmk. BauG eingeleitet worden, in dem dieser vorgebracht hatte, dass die Lage der baulichen Anlage von der Baubewilligung maßgeblich abweiche und die vorgeschriebene Lärmdämmung nicht errichtet worden sei, wodurch er einer gesundheitsgefährdenden Lärmbelästigung ausgesetzt sei.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) der Beschwerde des Revisionswerbers insofern Folge, als der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert werde, dass die Frist zur Beseitigung auf acht Monate ab Zustellung des Erkenntnisses verlängert werde. Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.
Begründend führte das LVwG soweit für das gegenständliche Verfahren relevant zusammengefasst aus, mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde BB vom 22. September 2015 sei dem Revisionswerber eine nachträgliche Baubewilligung für Geländeveränderungen und die Errichtung eines Eisstockschießplatzes mit drei Asphaltbahnen auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück erteilt worden; mit Bescheid vom 5. November 2015 sei „die Errichtung einer zur Gänze geschlossenen Halle über der bereits bestehenden Stocksportanlage sowie der Zubau eines geschlossenen Zuseherraumes“ bewilligt worden. Die Stocksporthalle mit angebautem Zuseherraum weiche aber den Ausführungen des bautechnischen Amtssachverständigen zufolge sowohl hinsichtlich der Größe als auch der Lage eindeutig und nicht nur im Rahmen von Messungenauigkeiten von der erteilten Baubewilligung ab, sodass von einem rechtlichen aliud auszugehen sei. Die konsenswidrigen oder konsenslosen Teile seien auch nicht vom übrigen Teil des Baus trennbar, sodass der baupolizeiliche Auftrag für das gesamte Gebäude (Stocksporthalle mit angebautem Zuseherraum) zu erteilen gewesen sei.
In weiterer Folge prüfte das LVwG eine mögliche Beeinträchtigung der Nachbarrechte (unzumutbare oder ortsunübliche Belästigungen im Sinn § 13 Abs. 12, § 26 Abs. 1 Z 3 iVm § 77 Abs. 1 Stmk. BauG) des Mitbeteiligten, der durch seinen Antrag das Verfahren eingeleitet hatte.
Basierend auf dem schalltechnischen Gutachten des Amtssachverständigen vom 12. Oktober 2020 und einer darauf aufbauenden Stellungnahme der medizinischen Amtssachverständigen vom 10. Jänner 2021 gelangte das LVwG zu dem Ergebnis, dass an dem der Anlage am nächsten liegenden Teil des Nachbargrundstückes (Immissionspunkt 1 – IP 1) ungeachtet der Nutzung bzw. der Möglichkeit der Benützung (Hinweis auf VwGH 20.2.2007, 2004/05/0248) die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse am Tag um 11,6 dB angehoben und sowohl der Planungsrichtwert gemäß ÖNORM S5021 für Dorfgebiete als auch das Summenmaß der Basispegel deutlich überschritten werde; am Abend würden die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse um 14,2 dB angehoben und der Planungsrichtwert gemäß ÖNORM S5021 für Dorfgebiete und das Summenmaß der Basispegel würden erheblich überschritten; dies stelle aus medizinischer Sicht eine hochgradige Belästigung dar.
Der Immissionspunkt 4 (IP 4) liege in einem Bereich des Nachbargrundstückes, in dem dieses „einer zivilrechtlichen Nutzung bautechnisch oder baurechtlich zugänglich“ sei. Auch dort ergäben sich gravierende Überschreitungen der zulässigen Immissionswerte; der Planungsrichtwert gemäß ÖNORM S5021 werde lediglich tagsüber eingehalten, abends werde er um 4,1 dB und nachts um 9 dB überschritten; die Ist-Situation werde tagsüber um 8,8 dB, abends um 11,2 dB und nachts um 13,5 dB angehoben. Abends und nachts sei aus medizinischer Sicht mit gesundheitlichen Auswirkungen durch die Störung der Nachtruhe mit Folgewirkungen (ausgeprägte Beeinträchtigung bei geistigen und körperlichen Tätigkeiten, frühzeitige geistige und körperliche Ermüdung und Erschöpfung während des Tages, Kopfschmerzen usw.) zu rechnen.
In den Nachtstunden bewirkten die von der Anlage ausgehenden Geräusche somit an den IP 1 und IP 4 eine Gesundheitsgefährdung, wodurch die Nachbarrechte des Mitbeteiligten (§ 26 Abs. 1 Z 3 Stmk. BauG) verletzt würden.
6 In der Zulässigkeitsbegründung wird zunächst ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gerügt und zusammengefasst vorgebracht, der IP 1 liege in einem Bereich des Grundstückes des Mitbeteiligten, der „nicht (sinnvoll) bebaubar und einer zivilrechtlichen Nutzung damit nicht zugänglich“ sei, weil er „zungenförmig immer schmäler wird und in eine Waldschneise verläuft.“ Das LVwG habe nicht festgestellt, weshalb am IP 1, obwohl dieser Bereich einer zivilrechtlichen Nutzbarkeit aufgrund der vorliegenden Grundstückskonfiguration nicht zugänglich sei und auch nicht zugänglich gemacht werden könne, von einem regelmäßigen Aufenthalt des Nachbarn im Sinn des vom LVwG zitierten Erkenntnisses VwGH 2004/05/0248 ausgegangen werde.
Damit zeigt der Revisionswerber schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, weil den in der für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ausschließlich maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 14.4.2021, Ra 2020/22/0257, Rn. 7) unbestritten gebliebenen Ausführungen des LVwG zufolge die von der Anlage ausgehenden Geräusche in den Nachtstunden auch am IP 4 eine Gesundheitsgefährdung bewirken, wodurch die Nachbarrechte des Mitbeteiligten verletzt werden. Es ist somit nicht entscheidungsrelevant, ob von einem regelmäßigen Aufenthalt des Mitbeteiligten am IP 1 auszugehen sei.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass eine „zivilrechtliche Nutzbarkeit“ nicht von der Bebaubarkeit in einem bestimmten Bereich eines Grundstückes (etwa innerhalb der Abstände gemäß § 13 Stmk. BauG) abhängt. Im hg. Erkenntnis 2004/05/0248 wird ausdrücklich der regelmäßige Aufenthalt in einem Gebäude oder außerhalb eines Gebäudes angeführt.
7 Der Revisionswerber weist darauf hin, dass am IP 4 tagsüber keine Überschreitungen der Immissionswerte festgestellt worden seien. Es liege keine hg. Rechtsprechung vor, ob ein Beseitigungsauftrag erlassen werden dürfe, wenn ein gelinderes Mittel zur Herstellung eines zumutbaren Zustandes (etwa ein Benützungsverbot am Abend und in der Nacht oder Betriebszeitenregelungen) zur Anwendung gelangen könnte.
Dabei lässt der Revisionswerber unberücksichtigt, dass die Stocksporthalle mit angebautem Zuseherraum den unbestritten gebliebenen Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis zufolge sowohl hinsichtlich der Größe als auch der Lage maßgeblich von der erteilten Baubewilligung abweicht und daher ein rechtliches aliud darstellt. Die bauliche Anlage verfügt somit über keinen Baukonsens, weshalb schon aus diesem Grund ein Beseitigungsauftrag zu erlassen wäre; eine Einschränkung der Betriebszeiten könnte an der Rechtswidrigkeit der Anlage nichts ändern.
Darüber hinaus böte § 41 Stmk. BauG auch keine Rechtsgrundlage für eine Modifikation einer Baubewilligung in dem vom Revisionswerber beabsichtigten Sinn. Gemäß § 41 Abs. 3 leg. cit. hat die Behörde vielmehr ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen oder sonstiger Maßnahmen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen.
8 Der Revisionswerber bringt in der Zulässigkeitsbegründung weiter vor, die Parteistellung des Nachbarn setze eine privatrechtliche Nutzungsmöglichkeit am Nachbargrundstück voraus (Hinweis etwa auf VwGH 17.6.1992, 87/06/0069).
Aus dem Hinweis auf VwGH 87/06/0069 ist für den Revisionswerber schon deshalb nichts zu gewinnen, weil sich der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt (Eigentum an einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Verkehrsfläche) maßgeblich von dem gegenständlich zu beurteilenden unterscheidet. Im vorliegenden Fall wird nicht vorgebracht, der Mitbeteiligte könnte sein gesamtes Grundstück nicht privatrechtlich nutzen. Selbst wenn am IP 1 keine zivilrechtliche Nutzbarkeit möglich wäre, ist anhand der Verfahrensunterlagen nicht ersichtlich und wird in der Revision auch nicht vorgebracht, dass der Mitbeteiligte kein Nachbar im Sinn des § 4 Z 44 Stmk. BauG sei.
9 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 31. Jänner 2022