JudikaturVwGH

Ra 2021/05/0047 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
15. April 2021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des H, vertreten durch die Hule Bachmayr Heyda Nordberg Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 47, der gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 1. Dezember 2020, VGW 111/084/14923/2020 2, VGW 111/V/084/14925/2020, VGW 111/V/084/14926/2020, VGW 111/V/084/14927/2020, VGW 111/V/084/14928/2020, VGW 111/V/084/14929/2020, VGW 111/V/084/14930/2020, VGW 111/V/084/14931/2020, VGW 111/V/084/14932/2020, VGW 111/V/084/14933/2020, VGW 111/V/084/14934/2020 und VGW 111/V/084/14935/2020, betreffend ein Bauanzeigeverfahren (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. A, 2. Ing. H, 3. C, 4. T, 5. Dr. C, 6. Dr. Ü, 7. E, 8. P, 9. Mag. J, 10. W, 11. Mag. A und 12. Mag. T, alle vertreten durch Mag. Wolfgang Andreas Orsini und Rosenberg, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Annagasse 8), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

1 Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses wurde Spruchpunkt III. des vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheides, mit dem von den Mitbeteiligten erhobene Einwendungen als unzulässig zurückgewiesen worden waren, aufgehoben.

2 Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses wurde in Abänderung des Spruchpunktes II. des vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheides festgestellt, dass das gegenständliche Bauvorhaben (betreffend bauliche Änderungen, Raumumwidmungen und Änderungen der Raumkonfigurationen im Erdgeschoss eines näher genannten Gebäudes) in Verbindung mit einem diesbezüglichen Planwechsel die Voraussetzungen für ein Bauanzeigeverfahren nach § 62 der Bauordnung für Wien (BO) nicht erfüllt.

3 Mit Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses wurde in Abänderung von Spruchpunkt I. des vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheides festgestellt, dass die Mitbeteiligten Parteistellung im baubehördlichen Bewilligungsverfahren haben.

4 Der vorliegende Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird damit begründet, dass das angefochtene Erkenntnis vollzugstauglich sei, da es die Grundlage für nachfolgende, dem Revisionswerber zum Nachteil gereichende Verwaltungsakte bilden könne. Die Umsetzung des Erkenntnisses in die Wirklichkeit sei augenscheinlich möglich. Bleibe das Erkenntnis in dieser Form bestehen, werde das bereits seit 2016 laufende Bauanzeigeverfahren, das de facto abgeschlossen sei, wohl zumindest hinsichtlich der Änderung der Raumwidmung, möglicherweise sogar hinsichtlich seines gesamten Inhaltes für unzulässig erklärt. Damit wäre ein völlig unverhältnismäßiger Nachteil mit unwiederbringlichen Folgen für den Revisionswerber verbunden. Die Mitbeteiligten hätten bereits mehrfach angedroht, sämtliche Maßnahmen des Revisionswerbers jedenfalls kategorisch blockieren zu wollen. Das Erkenntnis könnte daher dazu führen, dass die bereits durchgeführten Baumaßnahmen des Revisionswerbers als baukonsenslos qualifiziert würden. In diesem Fall würde die Gefahr drohen, dass die durchgeführten Baumaßnahmen zurückgebaut werden müssten, obwohl noch nicht über die Revision entschieden wäre. Die Rückbauten wären mit einem hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand für den Revisionswerber verbunden. Ihm würde ein unwiederbringlicher Schaden entstehen. Das Erkenntnis könnte auch dazu führen, dass der „Raum für kultische Zwecke“ nicht mehr als solcher verwendet werden dürfte. In diesem Fall würde eine gesamte Glaubensgemeinde ihren Raum für die Ausübung ihrer Religion, für das Feiern von Gottesdiensten oder für das persönliche Gebet verlieren. Es gebe keine vernünftige Ausweichmöglichkeit. Auch aus diesem Grund wäre der Vollzug des Erkenntnisses mit einem unverhältnismäßigen Nachteil für den Revisionswerber verbunden. Das Erkenntnis hätte daher Wirkungen, die durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sistiert werden könnten. Zwingende öffentliche Interessen, die der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden, seien nicht erkennbar. Die Durchsetzung der Entscheidung wäre auch dann als gesichert anzusehen, wenn der Revision bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes aufschiebende Wirkung zuerkannt werden sollte. Die Interessen der Mitbeteiligten würden durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht, wenn überhaupt nur geringfügig, jedenfalls jedoch im Verhältnis zu den drohenden Nachteilen für den Revisionswerber in untergeordnetem Ausmaß berührt.

5 In einer Stellungnahme vom 2. April 2021 führte die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde dazu aus, aus ihrer Sicht stünden der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen. Angemerkt werde, dass es fraglich sei, ob das angefochtene Erkenntnis einem unmittelbaren Vollzug gegenüber dem Revisionswerber zugänglich sei, da er dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht als Partei beigezogen gewesen sei. Das angefochtene Erkenntnis sei ihm gegenüber auch nicht erlassen worden. Allerdings sei er inhaltlich davon betroffen, da über die Zulässigkeit seiner Bauanazeige entschieden worden sei.

6 Die Mitbeteiligten legten in einer Stellungnahme vom 8. April 2021 dar, eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde ihre Interessen massiv beeinträchtigen. Den Mitbeteiligten seien seit dem Bauanzeigeverfahren 2016 kontinuierlich jegliche Parteienrechte abgesprochen worden. Dass sich der Revisionswerber nun auf einen hypothetischen zeitlichen und finanziellen Aufwand stütze, vermöge keine Stattgabe des Antrags auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zu rechtfertigen. Der Revisionswerber behaupte einen unwiederbringlichen Schaden, von ihm werde aber keine genaue Konkretisierung des behaupteten unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteils im gegenständlichen Antrag dargelegt. Eine bloße Verminderung des Vermögens bilde grundsätzlich keinen unverhältnismäßigen Nachteil. Die bloße Berufung auf einen etwaigen Rückbau der Baumaßnahmen stelle keine ausreichende Konkretisierung des unverhältnismäßigen Nachteils dar und ermögliche daher keine Interessensabwägung, die gesetzlich geboten sei. Im Übrigen gehe der Einwand des Revisionswerbers, dass die Gefahr drohte, dass die durchgeführten Baumaßnahmen als konsenslos qualifiziert würden und dies einen Rückbau der Baumaßnahmen zur Folge hätte, ins Leere, weil die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Revision jedenfalls zeitlich einem etwaigen bescheidmäßig angeordneten Rückbau vorgehe. Dem Vorbringen des Revisionswerbers, dass der Wegfall der räumlichen Möglichkeit für eine Glaubensausübung einen unverhältnismäßigen Nachteil mit sich bringe, sei entgegen zu halten, dass dieser Umstand keinen unverhältnismäßigen Nachteil für den Revisionswerber begründen könne. Dies sei eine reine Schutzbehauptung des Revisionswerbers. Gerade in diesen Zeiten (Covid 19, Lockdown) sei eine Abhaltung von feiern (Gottesdiensten) nicht erlaubt. Auch unter Außerachtlassung der Covid 19 Maßnahmen und der daraus resultierenden Einschränkungen könne dem Revisionswerber sehr wohl eine Anmietung eines anderen Raumes zugemutet werden; dies stellte keinen unverhältnismäßigen Nachteil dar.

7 Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof (ab Vorlage der Revision) auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

8 Es kann dahin gestellt bleiben, ob das angefochtene Erkenntnis einer unmittelbaren Vollziehung zugänglich ist. Öffentliche Interessen, die der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden, wurden weder von der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde noch von den Mitbeteiligten geltend gemacht. Die Mitbeteiligten haben auch keine eigenen Interessen vorgebracht, die in der Interessensabwägung zu ihren Gunsten sprechen könnten. Wenn sie geltend machen, dass ihnen im Bauanzeigeverfahren seit 2016 kontinuierlich jegliche Parteienrechte abgesprochen worden seien, ist darauf hinzuweisen, dass die damit angesprochene Frage Gegenstand des Revisionsverfahrens in der Sache ist. Im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist aber die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu beurteilen, und es haben Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des Verfahrens über die Revision außer Betracht zu bleiben (vgl. zB. VwGH 7.8.2018, Ra 2018/05/0191, mwN).

9 Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher stattzugeben.

Wien, am 14. April 2021

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