Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Thaler, in der Revisionssache der A Y, vertreten durch Mag. a Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunner Straße 26/3, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 8. November 2019, VGW 151/082/11321/2019 22, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1.1. Die Revisionswerberin, eine türkische Staatsangehörige, stellte unter Berufung auf ihre am 22. Dezember 2015 mit einem österreichischen Staatsbürger (Zusammenführender) geschlossene Ehe am 16. Februar 2016 (im Wege der Österreichischen Botschaft Ankara) beim Landeshauptmann von Wien (Behörde) einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ gemäß § 47 Abs. 2 Niederlassungs und Aufenthaltsgesetz (NAG). Der beantragte Aufenthaltstitel wurde ihr am 3. Juni 2016 erteilt, aufgrund ihrer weiteren Anträge vom 4. Mai 2017 und vom 18. Mai 2018 wurde der Aufenthaltstitel jeweils verlängert.
Nach einvernehmlicher Ehescheidung (mit 14. November 2018) stellte die Revisionswerberin am 21. Dezember 2018 einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot Weiß Rot Karte plus“ gemäß § 27 Abs. 1 NAG. Die Behörde ersuchte daraufhin die Landespolizeidirektion (LPD) Wien um Überprüfung gemäß § 37 Abs. 4 NAG wegen des Verdachts des Vorliegens einer Aufenthaltsehe. Die LPD Wien teilte mit Bericht vom 30. April 2019 mit, dass aufgrund der Ermittlungsergebnisse vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe auszugehen sei.
1.2. Mit Bescheid vom 16. Juli 2019 sprach die Behörde die amtswegige Wiederaufnahme der (oben angeführten) rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 3 AVG wegen des nachträglichen Hervorkommens einer Aufenthaltsehe aus und wies unter einem den Erstantrag gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 NAG sowie die Verlängerungsanträge und den Zweckänderungsantrag mangels Vorliegen eines gültigen Aufenthaltstitels gemäß § 24 NAG ab.
Die Revisionswerberin erhob gegen den Bescheid Beschwerde mit dem wesentlichen Vorbringen, die Beweisergebnisse rechtfertigten nicht die Annahme einer Aufenthaltsehe. Die Wiederaufnahme der Verfahren und die Abweisung der Anträge seien daher zu Unrecht erfolgt.
2.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 8. November 2019 wies das Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid vom 16. Juli 2019 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab; dies (unter anderem) mit der Maßgabe, dass die Abweisung des Erstantrags wegen fehlender Familienangehörigeneigenschaft gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 NAG erfolge (Spruchpunkt I.). Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Entscheidung über den Barauslagenersatz vorbehalten werde und eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkte II. und III.).
2.2. Das Verwaltungsgericht stellte im Wesentlichen fest, die Revisionswerberin habe den mit ihr entfernt verwandten Zusammenführenden während dessen Urlaubs in der Türkei im Sommer 2014 näher kennen gelernt. Bis zur Eheschließung am 22. Dezember 2015 in der Türkei habe es keine weiteren gegenseitigen Besuche mehr gegeben, auch ein ausgeprägter Kontakt im Wege von Video /Sprachtelefonaten bzw. Bild /Textnachrichten im Sinn einer intensiven, auf ein künftiges Zusammenleben ausgerichteten Fernbeziehung habe nicht bestanden. Die Revisionswerberin habe den Zusammenführenden erst wieder anlässlich der Hochzeit persönlich gesehen.
Nach Erteilung des Aufenthaltstitels sei die Revisionswerberin schließlich im Sommer 2016 nach Wien übersiedelt. Sie sei zunächst für etwa neuneinhalb Monate im Haushalt der Schwiegereltern gemeldet gewesen und solle dort mit diesen, dem Zusammenführenden und dessen Bruder auf engstem Raum zusammengewohnt haben. Im April 2017 habe sie sich mit dem Zusammenführenden in dessen Gemeindewohnung in 1230 Wien angemeldet, sei dort bis September 2018 gemeldet geblieben und habe die Anschrift auch in den Verlängerungsanträgen angeführt, tatsächlich seien sie und der Zusammenführende aber nie dorthin gezogen. Die Revisionswerberin habe vielmehr rund ein Jahr lang bei ihrem Onkel in 1100 Wien gewohnt, später habe sie dessen Eigentumswohnung in 1030 Wien gemietet, wobei sie dort von September 2018 bis April 2019 auch gemeldet gewesen sei und die Anschrift im Zweckänderungsantrag angeführt habe. Tatsächlich habe sie aber bereits ab Oktober/November 2018 allein in ihrer Mietwohnung in 1160 Wien gewohnt.
Die Revisionswerberin und der Zusammenführende hätten zu keiner Zeit eine tatsächliche Ehe eingehen wollen. Ein gemeinsames Familienleben habe (laut ergänzender Feststellung in der Beweiswürdigung) nie hergestellt werden sollen und sei auch nie gegeben gewesen. Die Ehe sei vielmehr „arrangiert“ worden und nur gefälligkeitshalber innerhalb der Verwandtschaft geschlossen worden, dies mit dem alleinigen Zweck, der Revisionswerberin einen Aufenthaltstitel zu verschaffen.
2.3. In der Beweiswürdigung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, aufgrund des Akteninhalts und der aufgenommenen Beweise, insbesondere des persönlichen Eindrucks von den Beweispersonen, sei das Eingehen einer (tatsächlichen) Ehe mit einem gemeinsamen Familienleben nicht glaubhaft gemacht und der Verdacht des Vorliegens einer Aufenthaltsehe in keiner Weise entkräftet worden.
Was die Revisionswerberin betreffe, so seien deren schriftliche und mündliche Angaben widersprüchlich und teils unrichtig gewesen. So habe sie trotz des behaupteten anfänglichen gemeinsamen Haushalts mit den Schwiegereltern, dem Zusammenführenden und dessen Bruder keine Angaben zu den engsten Verwandten machen können, was gegen ein gemeinsames Familienleben mit typischen Kontakten zu nahen Verwandten spreche. Auch habe sie um die wahre Sachlage zu kaschieren und die Behörden zu täuschen bewusst falsche Angaben zur Wohnsituation gemacht, etwa indem sie einen gemeinsamen Haushalt mit dem Zusammenführenden in dessen Wohnung in 1230 Wien und einen späteren gemeinsamen Umzug in die Wohnung des Onkels unrichtig behauptet habe. Weiters sei ihre Darstellung, die Ehe wäre auf Drängen der Familien geschlossen worden, sowie der von ihr als Grund für das Scheitern der Ehe angeführte übermäßige Alkoholkonsum und die Spielsucht des Zusammenführenden von den sonstigen Zeugen nicht bestätigt worden. Insgesamt habe sie daher das Bild vermittelt, einzig deshalb nach Österreich gekommen zu sein, um sich hier allein niederzulassen und ein Leben aufzubauen, in das der Zusammenführende nicht eingeplant und involviert gewesen sei.
Was den Zusammenführenden betreffe, so seien dessen Angaben ebenso nicht überzeugend gewesen. So sei wenig nachvollziehbar, dass er den fehlenden Kontakt mit der Revisionswerberin vor der Eheschließung mit kulturellen Begebenheiten begründet bzw. sich auf einen unverständlichen Vergleich mit seinen Eltern berufen habe, habe er doch umgekehrt angegeben, „österreichisch“ aufgewachsen zu sein und keinen „der früheren türkischen Generation“ entsprechenden Lebensstil zu pflegen. Auch sei er sichtlich bemüht gewesen, sich durch bereitwillige Darlegung seiner Defizite (wie Alkoholabhängigkeit, Spiel und Wettsucht, Schulden, Arbeitslosigkeit) als Grund für das Scheitern der Ehe darzustellen, wobei aber nicht nachvollziehbar sei, wie etwa die behauptete Alkoholsucht zu einer kürzlich abgelegten Führerscheinprüfung passen solle. Auch habe er die fehlenden Deutschkenntnisse der Revisionswerberin als Beziehungsproblem angegeben, obwohl er und sein familiäres Umfeld sich problemlos auf Türkisch hätten verständigen können. Im Hinblick auf die gegenteiligen Zeugenaussagen erscheine auch das angebliche Drängen der Familien auf die Eheschließung mehr als fraglich. Insgesamt sei daher bei Würdigung seiner Angaben deutlich geworden, dass er an eine (echte) Ehe und ein gemeinsames Familienleben mit der Revisionswerberin nie gedacht habe und ein solches im beiderseitigen Einvernehmen nie hergestellt werden sollte.
Auch die Aussagen der sonstigen Zeugen würden zu keinem anderen Ergebnis führen: So sprächen etwa die Angaben des Zeugen C Y, der Zusammenführende sei ohne die Revisionswerberin zu Hochzeitsfeiern erschienen, gegen eine gemeinsame Lebensführung der beiden. Die Zeuginnen G Y und F Y hätten zwar von der Teilnahme auch der Revisionswerberin an Hochzeitsfeiern gesprochen, dies aber nur ganz allgemein und ohne sich dabei auf konkrete Begebenheiten zu beziehen. Die Zeuginnen hätten zudem die von der Revisionswerberin behaupteten Bemühungen um eine Wiederaufnahme des Ehelebens bzw. der Wohngemeinschaft vor der Ehescheidung in keiner Weise bestätigt. Dies gelte ebenso für den Zeugen V Y (Onkel der Revisionswerberin).
2.4. Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe einschlägiger Gesetzesbestimmungen im Wesentlichen, die Revisionswerberin habe mit dem Zusammenführenden kein Familienleben beabsichtigt und geführt, sondern bloß eine formale Ehe zum Zweck der Erlangung eines Aufenthaltstitels geschlossen. Es sei daher von Anfang an eine Aufenthaltsehe vorgelegen, auf die sich die Revisionswerberin bei ihren Antragstellungen nicht hätte berufen dürfen. Sie habe somit indem sie gegenüber der Behörde über ihr Familienleben objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht habe, wobei die Angaben den Bescheiden zugrunde gelegt worden seien den ihr erstmals erteilten Aufenthaltstitel und darauf aufbauend auch die Titel in den Verlängerungsverfahren erschlichen. Im Hinblick darauf sei die Wiederaufnahme der betreffenden Verfahren wegen Erschleichen gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 AVG zu Recht erfolgt.
In den wiederaufgenommenen Verfahren sei die Abweisung des Erstantrags und der Verlängerungsanträge auf Basis des festgestellten Sachverhalts wegen Vorliegen einer Aufenthaltsehe zu Recht erfolgt. Da die Ehe aber bereits geschieden worden sei, könne nicht der Versagungsgrund gemäß § 11 Abs. 1 Z 4 in Verbindung mit § 30 Abs. 1 NAG herangezogen werden, sondern es fehle vielmehr die Familienangehörigeneigenschaft gemäß § 47 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 9 NAG. Aufgrund der rechtmäßigen Wiederaufnahme und der Abweisung des Erstantrags und der Verlängerungsanträge komme der Revisionswerberin kein eigenständiges verlängerbares Aufenthaltsrecht zu, sodass auch der Zweckänderungsantrag zu Recht abgewiesen worden sei. Da es bereits an einer besonderen Erteilungsvoraussetzung fehle, sei weder das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu prüfen, noch eine Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG in Verbindung mit Art. 8 EMRK durchzuführen gewesen.
3. Gegen dieses Erkenntnis (inhaltlich freilich nur gegen Spruchpunkt I.) wendet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in den nachstehend näher erörterten Punkten behauptet wird.
4.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4.2. Vorliegend wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn der soeben angeführten Bestimmungen allerdings nicht aufgezeigt.
5.1. Die Revisionswerberin wendet sich in erster Linie gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Sie macht dazu geltend, sie und der Zusammenführende hätten das Führen eines gemeinsamen Familienlebens einhellig bestätigt, wobei ihre Aussagen auch in anderen wesentlichen Punkten übereingestimmt hätten. Zwar hätten sie sich beide in 1230 Wien gemeldet, obwohl sie jene Wohnung nie bezogen hätten, daraus lasse sich aber nicht auf eine Aufenthaltsehe schließen, vielmehr seien finanzielle Gründe dafür maßgebend gewesen. Die Zeugen C Y, V Y, G Y und F Y hätten ebenso bestätigt, dass zunächst ein gemeinsames Familienleben bestanden habe und es dann zu Konflikten und Problemen gekommen sei. Die Angaben der Zeugen seien zwar nicht in allen Punkten gleich detailliert gewesen, hätten aber de facto übereingestimmt; es erscheine willkürlich, den Zeugen nun die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weil sie nicht genauere Angaben gemacht hätten. Das Verwaltungsgericht hätte die Zeugen eben eingehender befragen müssen. Es lägen jedenfalls keine Aussagen und keine sonstigen Ermittlungsergebnisse vor, die den Verdacht einer Aufenthaltsehe bestätigen würden. Das Verwaltungsgericht habe all das außer Acht gelassen und sich von Erwägungen leiten lassen, die nicht schlüssig bzw. nicht geeignet seien, die gegen eine Aufenthaltsehe sprechenden Beweisergebnisse zu entkräften. Folglich liege eine unschlüssige Beweiswürdigung vor.
5.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten (vgl. VwGH 11.2.2016, Ra 2016/22/0001, Pkt. 4.).
Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz zur Überprüfung der freien Beweiswürdigung der Verwaltungsgerichte im Allgemeinen nicht berufen. Die Beweiswürdigung ist nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es um die Ermittlung der Beweisergebnisse in einem ordnungsgemäßen Verfahren sowie die Kontrolle der Schlüssigkeit nicht aber der konkreten Richtigkeit der angestellten Erwägungen im Sinn ihrer Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut geht (vgl. VwGH 24.3.2016, 2013/17/0912, Pkt. 6.2.; 12.7.2019, Ra 2016/08/0086, Pkt. 3.2.). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 31.5.2021, Ra 2018/22/0181, Pkt. 6.1.).
5.3. Vorliegend hält die Beweiswürdigung einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof im Sinn der dargestellten Kriterien stand.
Das Verwaltungsgericht traf die Feststellungen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf Basis der abgelegten Beweisaussagen und der sonstigen Beweisergebnisse. Es setzte sich dabei mit den Beweisergebnissen eingehend auseinander und nahm vor allem unter Berücksichtigung des in der mündlichen Verhandlung von den Beweispersonen gewonnenen persönlichen Eindrucks eine ausführliche Beweiswürdigung vor. Demnach gelangte das Verwaltungsgericht aufgrund diverser Widersprüche bzw. Unstimmigkeiten in den Aussagen der Revisionswerberin und des Zusammenführenden letztlich zum Ergebnis, dass die Angaben der beiden im Wesentlichen als unzuverlässig und unglaubwürdig zu erachten seien. Die Aussagen der sonstigen Zeugen hätten daran nichts ändern können, seien daraus doch ebenso (aus näher erörterten Erwägungen) keine gegenteiligen Anhaltspunkte abzuleiten, sodass insgesamt vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe auszugehen sei.
Nach dem Vorgesagten stellte das Verwaltungsgericht die für die Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen nachvollziehbar dar, wobei nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre. Vielmehr ist die Schlüssigkeit der Erwägungen im Sinn ihrer Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und der menschlichen Erfahrung gegeben und wurden die Beweisergebnisse auch in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt.
6.1. Dem vermag die Revisionswerberin in ihrem (oben wiedergegebenen) Zulässigkeitsvorbringen nichts Stichhältiges entgegenzusetzen.
6.2. Soweit die Revisionswerberin argumentiert, sie und der Zusammenführende hätten einhellige Angaben über ein gemeinsames Familienleben und auch in anderen wesentlichen Punkten gemacht, ist (neuerlich) auf die Würdigung des Verwaltungsgerichts hinzuweisen, wonach die Aussagen der Revisionswerberin und des Zusammenführenden für sich betrachtet, aber auch im Vergleich miteinander Widersprüche bzw. sonstige Ungereimtheiten und Unstimmigkeiten aufwiesen, aufgrund derer die Darstellungen letztlich als unzuverlässig bzw. unglaubwürdig zu erachten seien. Allein schon im Hinblick darauf erscheint die Würdigung des Verwaltungsgerichts, es sei von Anfang an keine (tatsächliche) Ehe beabsichtigt und geführt worden, nicht unvertretbar.
6.3. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin stellt insbesondere auch die unrichtige gemeinsame Meldung der Revisionswerberin und des Zusammenführenden in 1230 Wien einen starken Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Aufenthaltsehe dar, sollte doch durch die Falschmeldung evidenter Weise ein gemeinsames Familienleben und damit eine echte Ehe gegenüber den Behörden und Gerichten vorgetäuscht werden (vgl. in dem Zusammenhang auch die unrichtige Berufung auf die „bisherige Ehewohnung in 1230 Wien“ im Ehescheidungsverfahren).
6.4. Was die Aussagen der Zeugen C Y, V Y, G Y und F Y betrifft, so ist das Verwaltungsgericht nachvollziehbar zum Ergebnis gelangt, dass auch daraus nicht auf ein gemeinsames Familienleben zu schließen sei.
So hat der Zeuge C Y die Revisionswerberin und den Zusammenführenden nur einmal gemeinsam bei einer Hochzeitsfeier gesehen; im Übrigen konnte er aber mangels näherer Wahrnehmungen ein gemeinsames Familienleben nicht bestätigen. Der Zeuge V Y hat zwar ein Zusammenleben der Revisionswerberin und des Zusammenführenden „wie Mann und Frau“ behauptet; davon abgesehen waren seine Angaben aber teils widersprüchlich (etwa was seine Bereitschaft zur Beschäftigung des Zusammenführenden betrifft), teils auch evident übertreibend (etwa was die Behauptung ständiger Polizeieinsätze wegen Streitigkeiten betrifft, was von niemand anderem bestätigt wurde und wofür es auch sonst keine Anhaltspunkte gab) und damit nicht hinreichend zuverlässig. Die Zeugin G Y will die Revisionswerberin und den Zusammenführenden zwar gemeinsam bei einem Besuch in der Wohnung seiner Eltern angetroffen haben; dass die beiden tatsächlich in der besagten Wohnung oder anderswo ein gemeinsames Familienleben geführt hätten, konnte sie jedoch nicht bestätigen. Im Übrigen waren ihre Angaben ebenso wie jene der Zeugin F Y nicht hinreichend konkret bzw. präzise, um daraus auf ein tatsächliches gemeinsames Familienleben schließen zu können.
Ausgehend davon hat das Verwaltungsgericht entgegen dem Vorwurf der Revisionswerberin den vorgenannten Zeugen keineswegs willkürlich die Glaubwürdigkeit abgesprochen, vielmehr boten die Aussagen für gegenteilige (das Vorbringen der Revisionswerberin stützende) Feststellungen nach vertretbarer Ansicht des Verwaltungsgerichts eben keine taugliche Grundlage. Soweit die Revisionswerberin in dem Zusammenhang releviert, das Verwaltungsgericht hätte die Zeugen eingehender befragen müssen, macht sie einen Verfahrensmangel geltend, ohne jedoch dessen Relevanz für den Verfahrensausgang aufzuzeigen (vgl. zu diesem Erfordernis noch näher Pkt. 7.3.).
6.5. Zusammengefasst erweist sich somit der Vorwurf der Revisionswerberin, das Verwaltungsgericht sei ohne entsprechende Beweisergebnisse und unter Außerachtlassung wesentlicher Aspekte und somit aus unschlüssigen Erwägungen vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe ausgegangen, als nicht begründet. Die Beweiswürdigung beruht vielmehr auf nachvollziehbaren Erwägungen, denen in der Zulässigkeitsbegründung nichts Stichhältiges entgegengesetzt wird.
7.1. Die Revisionswerberin bemängelt weiters, das Verwaltungsgericht habe die amtswegige Vernehmung ihrer ehemaligen Schwiegereltern unterlassen, obwohl diese da die Revisionswerberin nach der Einreise zunächst bei ihnen gewohnt habe Angaben zum gemeinsamen Familienleben der Revisionswerberin und des Zusammenführenden hätten machen können.
7.2. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Revisionswerberin eine Beweisaufnahme durch zeugenschaftliche Vernehmung (auch) ihrer ehemaligen Schwiegereltern unstrittig nicht beantragt hat. Die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Stands der Ermittlungen ein ausreichend erhobener Sachverhalt vorliegt oder ob noch weitere amtswegige Beweisaufnahmen erforderlich sind, stellt aber regelmäßig sofern nicht von einem krassen, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden Fehler auszugehen ist keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar (vgl. VwGH 10.3.2021, Ra 2021/19/0042, Rn. 14).
Vorliegend zeigt die Revisionswerberin nicht konkret auf, dass die unterbliebene amtswegige Vernehmung der ehemaligen Schwiegereltern nach Lage des Falls einen krassen, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden und daher fallbezogen eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfenden Fehler darstellen könnte. Derartiges ist auch nicht zu sehen, konnte doch aus den zur Verfügung stehenden Beweisergebnissen ein Sachverhalt in nicht unschlüssiger Weise festgestellt werden (vgl. VwGH 11.5.2017, Ro 2014/08/0021, Pkt. 6.4. mwN).
7.3. Im Übrigen setzt die Zulässigkeit der Revision im Fall eines behaupteten Verfahrensmangels voraus, dass auch die Relevanz für den Verfahrensausgang im Sinn der Eignung, bei einem mängelfreien Verfahren zu einer anderen für den Revisionswerber günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu führen dargetan wird. Die Partei hat daher die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels konkret zu behaupten; im Fall einer unterbliebenen Vernehmung hat sie darzulegen, was die betreffende Person ausgesagt hätte bzw. welche anderen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 24.11.2016, Ra 2015/08/0194, Pkt. II.3.2.).
Diesen Anforderungen wird das oben aufgezeigte Vorbringen nicht gerecht, beschränkt es sich doch auf die bloße Anführung des (zusammenfassenden) Beweisthemas für die Befragung. Dass das Verwaltungsgericht bei Durchführung der Vernehmungen zu einem anderen, für die Revisionswerberin günstigeren Ergebnis hätte gelangen können, wird indes nicht konkret dargetan. Insbesondere wird nicht dargelegt, was die Beweispersonen im Fall ihrer Vernehmung ausgesagt hätten und welche anderen entscheidungswesentlichen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären.
8.1. Die Revisionswerberin moniert ferner, die Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit Abs. 3 AVG setze voraus, dass ein Bescheid durch unrichtige Angaben in Irreführungsabsicht erschlichen worden sei. Vorliegend fehlten Feststellungen, welcher Bescheid aufgrund der angeblichen Aufenthaltsehe konkret erschlichen worden sei.
8.2. Ein Erschleichen eines Bescheids im Sinn des § 69 Abs. 1 Z 1 AVG liegt dann vor, wenn dieser in der Art zu Stande gekommen ist, dass von der Partei gegenüber der Behörde objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung (Verschweigen ist diesen gleichzusetzen) mit Irreführungsabsicht gemacht und die Angaben dann dem Bescheid zu Grunde gelegt wurden (vgl. VwGH 22.4.2021, Ra 2020/22/0237, Rn. 10).
Wie das Verwaltungsgericht ausführte, hat sich die Revisionswerberin bei der erstmaligen Antragstellung und auch in den Verlängerungsverfahren jeweils auf ihre (nachträglich als solche erachtete) Aufenthaltsehe mit dem Zusammenführenden berufen. Sie hat daher insoweit gegenüber der Behörde objektiv unrichtige Angaben mit Irreführungsabsicht gemacht, welche den Bescheiden zugrunde gelegt wurden. Folglich hat sie den ihr erstmals erteilten Aufenthaltstitel und die in den Verlängerungsverfahren gewährten Aufenthaltstitel erschlichen, sodass die betreffenden Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 AVG wiederaufzunehmen waren.
Ausgehend davon kann aber nicht zweifelhaft sein, welche Bescheide konkret erschlichen wurden. Die Rüge eines diesbezüglichen Feststellungsmangels ist in keiner Weise nachvollziehbar.
9. Insgesamt wird daher keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.
Wien, am 2. Februar 2023