JudikaturVwGH

Ra 2019/08/0034 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
15. Mai 2019

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des G W in L, vertreten durch Dr. Gerhard Wagner, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Spittelwiese 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Jänner 2019, Zl. L511 2208548- 1/4E, betreffend Rückforderung von Leistungen nach dem AlVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Linz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit Bescheid vom 26. Februar 2018 sprach die belangte Behörde (im Folgenden: AMS) aus, dass der Revisionswerber gemäß § 38 iVm § 10 AlVG wegen Vereitelung der Aufnahme einer Beschäftigung seinen Anspruch auf Notstandshilfe für die Zeit vom 23. Jänner bis 19. März 2018 verloren habe. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 26. Juli 2018 ab. Nach dem Revisionsvorbringen habe der Revisionswerber am 27. August 2018 beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Zuerkennung der Verfahrenshilfe gestellt, um gegen dieses Erkenntnis Beschwerde zu erheben. Über diesen Antrag sei bisher nicht entschieden worden.

5 Mit Spruchpunkt A des Bescheides des AMS vom 30. Juli 2018 wurde der Revisionswerber gemäß § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistung von EUR 1.363,60 verpflichtet, die dem Revisionswerber für den Zeitraum 23. Jänner bis 19. März 2018 (täglich EUR 24,35 mal 56 Tage) weiter ausbezahlt worden war, weil seiner Beschwerde gegen den Verlust der Notstandshilfe aufschiebende Wirkung zukam. Das AMS fügte diesem Ausspruch den Satz hinzu: "Sofern Sie im Leistungsbezug stehen, wird die Rückforderung von ihren Ansprüchen einbehalten."

Stehe der Revisionswerber nicht im Leistungsbezug, möge er den Betrag auf ein näher umschriebenes Konto einzahlen. 6 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde, in der er beantragte, gemäß § 24 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 10. Oktober 2018 hat das AMS diese Beschwerde abgewiesen. Der Revisionswerber stellte einen Vorlageantrag.

7 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 25 Abs. 1 AlVG als unbegründet abgewiesen. Es stellte fest, dass das Bundesverwaltungsgericht mit dem bereits genannten Erkenntnis vom 26. Juli 2018 rechtskräftig ausgesprochen habe, dass der Revisionswerber seinen Anspruch auf Notstandshilfe für die Zeit vom 23. Jänner bis 19. März 2018 verloren habe und dass ihm wegen der aufschiebenden Wirkung der betreffenden Beschwerde für diesen Zeitraum (56 Tage) Notstandshilfe iHv EUR 24,35 täglich ausbezahlt worden sei. Die Rückforderung dieser ungerechtfertigten Zahlungen beruhe auf § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG.

8 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9 Der Revisionswerber erblickt entgegen diesem Ausspruch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass das Bundesverwaltungsgericht "in dem die Sperre der Notstandshilfe

betreffenden Verfahren ... völlig willkürlich die Durchführung

einer mündlichen Verhandlung" unterlassen habe, obwohl "Tatsachen, was die angebliche Vereitelung der Beschäftigung anlangt, strittig waren".

10 Dem ist zu erwidern, dass die Unterlassung einer mündlichen Verhandlung in einem anderen Verfahren nicht zu einer Verletzung von tragenden Grundsätzen des Verfahrensrechtes im vorliegenden Verfahren führen kann.

11 Weiters bringt der Revisionswerber vor, das Bundesverwaltungsgericht hätte eine mündliche Verhandlung durchführen müssen. Es habe nicht auf Grundlage der Akten entscheiden können, weil

"das dem gegenständlichen Verfahren vorangegangene Verwaltungsverfahren (betreffend den Verlust der

Notstandshilfe) ... und dessen Inkorporation in das

gegenständliche Verfahren dem Revisionswerber nur mit der verfahrensabschließenden Entscheidung mitgeteilt und ihm vom belangten Verwaltungsgericht vorenthalten wurde, was im Wege einer mündlichen Verhandlung gemäß § 25 Abs. 6 VwGVG geschehen hätte müssen."

12 Dem ist zu erwidern, dass der Revisionswerber Partei des genannten Vorverfahrens gewesen ist und im vorliegenden Verfahren nicht bestritten hat, dass die Vorentscheidung (auf die sich sein behaupteter Antrag an den Verfassungsgerichtshof bezieht) in Rechtskraft erwachsen ist. Unter diesen Voraussetzungen ist das Bundesverwaltungsgericht iSd § 24 Abs. 4 VwGVG zutreffend davon ausgegangen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

13 Eine weitere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung erblickt der Revisionswerber darin, dass der Satz "Sofern Sie im Leistungsbezug stehen, wird die Rückforderung von Ihren Ansprüchen einbehalten." dem § 25 Abs. 4 erster Satz AlVG widerspreche. Rückforderungen könnten auf die zu erbringenden Leistungen nur mit der Maßgabe aufgerechnet werden, dass dem Leistungsbezieher die Hälfte des Leistungsbezuges freibleiben müsse. Die Sache sei außerdem nicht spruchreif, weil es das Bundesverwaltungsgericht verabsäumt habe, die wirtschaftliche Situation des Revisionswerbers zu ermitteln, um den Umfang der tatsächlich aufrechenbaren Ansprüche festzustellen.

14 Dem ist zu entgegnen, dass dem erwähnten Satz - schon im Hinblick auf seine konditionale Fassung, seine mangelnde Konkretisierung und seinen Zusammenhang mit der Bekanntgabe eines Überweisungskontos für den Fall, dass kein Leistungsbezug vorliegt - keine normative (Aufrechnungsbescheid), sondern nur eine über die Gesetzeslage aufklärende Funktion zukommt. 15 Schließlich liegt nach Auffassung des Revisionswerbers eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darin, dass über den Rückforderungsanspruch noch vor der Entscheidung über die "Sperre" entschieden worden sei. Die "Herbeiführung der Rechtskraft und Vollstreckbarkeit durch Entscheide der Verwaltungsgerichte im Wege der Beseitigung der aufschiebenden Wirkung für Rechtsmittel an die Höchstgerichte sowohl im VfGG wie auch im VwGG" sei verfassungswidrig und "EU-rechtswidrig". Die Parteien, die im Verfahren vor den Höchstgerichten Verfahrenshilfe beantragen müssten, würden diskriminiert, weil Verfahrenshilfeanträgen keine aufschiebende Wirkung zukäme. Der Verfassungsgerichtshof habe über den Antrag auf Verfahrenshilfe (vom 27. August 2018) noch nicht entschieden. Das führe dazu, "dass geradezu absurderweise vorliegendenfalls das Verfahren über den Sperrbescheid, auf den der Rückforderungsbescheid gestützt wird, überholt wird." § 30 Abs. 1 VwGG und § 85 Abs. 1 VfGG seien verfassungswidrig, weil einer Revision bzw. einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zukommen müsste. Dies sei auch mit "Art. 47 Abs. 2 und/oder 3 GRC" nicht vereinbar, weshalb ein entsprechender Vorlageantrag an den EuGH angeregt werde. Die Verfassungswidrigkeiten seien präjudiziell, weil sich das Bundesverwaltungsgericht auf seine den "Sperrbescheid" betreffende Entscheidung berufe.

16 Dem ist zu erwidern, dass das Bundesverwaltungsgericht im Einklang mit § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG über den Rückforderungsanspruch erst entschieden hat, als das Verfahren betreffend den Verlust der Notstandshilfe mit der (rechtskräftigen) Entscheidung geendet hatte, dass die Leistungen nicht gebühren. Darin, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof bzw. die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof den Eintritt der Rechtskraft nicht verhindern bzw. dass den Anträgen auf Zuerkennung der Verfahrenshilfe zur Einbringung dieser Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung zukommt, kann weder eine Verfassungswidrigkeit noch ein Verstoß gegen Unionsrecht erblickt werden, weil es sich beim Bundesverwaltungsgericht um ein Tribunal iS des Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 GRC handelt, bei dem der Revisionswerber einen wirksamen Rechtsbehelf einlegen konnte. 17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. Mai 2019

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