JudikaturVwGH

Ra 2019/05/0013 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
12. Februar 2019

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des S, vertreten durch die WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29. November 2017, Zl. W193 2155743- 1/14E, betreffend Feststellung nach § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Wiener Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. W fonds für wohnbau und stadterneuerung, 2. B Gemeinnützige allgemeine Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft, reg. Gen.m.b.H., 3. W Wohnen und Bauen Ges.m.b.H. und 4. Gemeinnützige Bau-, Wohn- und Siedlungsgenossenschaft "N" reg.Gen.m.b.H., alle vertreten durch die Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

1 Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21. Februar 2017 wurde aufgrund des Antrages der mitbeteiligten Parteien vom 23. Juni 2016 gemäß § 3 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP-G 2000 iVm Anhang 1 Z 18 lit. b leg. cit. festgestellt, dass für das Entwicklungsvorhaben "Projekt B...gasse" keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen sei.

2 Die dagegen von 345 Personen - darunter dem Revisionswerber (als Erstbeschwerdeführer) - erhobene Beschwerde und die dagegen von einer Umweltorganisation erhobene Beschwerde wurden mit dem angefochtenen Erkenntnis mit dem weiteren Ausspruch, dass eine Revision nicht zulässig sei, als unbegründet abgewiesen. Dazu führte das Bundesverwaltungsgericht (u.a.) aus, dass die genannten 345 Beschwerdeführer Nachbarn im Sinne des § 3 Abs. 7a iVm § 19 Abs. 1 Z 1 UVP-G 2000 seien und ihre Beschwerde zulässig sei.

3 Der vorliegende, mit der Revision verbundene Aufschiebungsantrag wird im Wesentlichen damit begründet, dass die Vollzugsfähigkeit des angefochtenen Erkenntnisses darin bestehe, dass bei Nichtgewährung der aufschiebenden Wirkung in das Realisierungsstadium (des Städtebauvorhabens) eingetreten und dieses sogar abgeschlossen werden könnte. Die spätere Durchsetzung eines aufhebenden hg. Erkenntnisses könnte nicht gewährleistet sein, habe doch die Baupolizei (MA 37) infolge eines in Bezug auf ein anderes (näher bezeichnetes) Vorhaben ergangenen hg. Erkenntnisses die Auffassung vertreten, dass die für die einzelnen Bauplätze eines Vorhabens nach dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht, dass keine UVP bestehe, und vor der allfällig späteren aufhebenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes erteilten Baubewilligungen "in diesem Zeitpunkt (wohl der Bescheiderlassung)" nicht mit Nichtigkeit bedroht gewesen seien. Somit unterlägen diese nicht der Sperrwirkung des § 3 Abs. 6 UVP-G 2000 und könnten daher auch nicht später für nichtig erklärt werden. Grundsätzlich könne nicht sein, dass Unterbehörden Entscheidungen von Höchstgerichten einfach nicht befolgten, wie durch die Rechtsansicht (offenbar gemeint: der Baubehörde) zu begründen versucht worden sei. Vor diesem Hintergrund erscheine die Wirksamkeit eines Rechtsbehelfs nur durch Ausspruch der aufschiebenden Wirkung dieser Revision gewahrt. Außerdem verdeutliche diese Haltung der Baupolizei, dass der Verwaltungsgerichtshof auch im Sinne des effet utile dazu berufen sei, den vorläufigen Rechtsschutz der UVP-Richtlinie durch einstweilige Anordnungen sicherzustellen.

4 Weiters brachte der Revisionswerber vor, dass der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstünden, sondern gerade das öffentliche Interesse einer sichergestellten Umsetzung von hg. Erkenntnissen den beantragten Ausspruch gebiete. Hingegen würde der Vollzug für den Revisionswerber und alle betroffenen Nachbarn unverhältnismäßige Nachteile bewirken und ihnen bei Nichtgewährung der aufschiebenden Wirkung ein starker Nachteil drohen. Dieser bestünde darin, dass das Vorhaben bereits realisiert würde und unwiederbringliche Eingriffe in die Natur stattfinden bzw. fortgesetzt würden bzw. auch dass die Wirksamkeit des Rechtsmittels durch die offen zur Schau gestellte Untätigkeit einer Unterbehörde gänzlich verhindert werden könnte. Durch die Gewährung der aufschiebenden Wirkung entstehe auch kein Schaden für einen Dritten, weil es im Interesse der Beteiligten sei, keine voraussichtlich unnötigen (weiteren) Bauverhandlungen durchzuführen und den Vollzug von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes sicherzustellen.

5 Die mitbeteiligten Parteien sprachen sich in ihrem Schriftsatz (Stellungnahme) vom 5. Februar 2019 gegen die beantragte Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus und brachten (u.a.) vor, dass das angefochtene Erkenntnis wie auch der diesem zugrunde liegende Feststellungsbescheid keinem Vollzug zugänglich sei. Mit der beantragten Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde eine Sperrwirkung erreicht, die ohne Erlassung des angefochtenen Feststellungsbescheides gar nicht bestanden hätte. Auch sei der Einwand des Revisionswerbers, dass ohne aufschiebende Wirkung mit der Realisierung des Vorhabens begonnen werden könnte, unrichtig, weil er übersehe, das für die eigentliche Realisierung materienrechtliche Genehmigungen (BauO, GewO etc.) und entsprechende Genehmigungsverfahren erforderlich seien, wobei auch die angesprochenen etwaigen nachteiligen Eingriffe in die Umwelt erst auf Grundlage entsprechender materienbehördlicher Bewilligungen erfolgen könnten.

6 Ferner sollten mit dem gegenständlichen Vorhaben dringend benötigte Wohnflächen für die ständig wachsende Wiener Bevölkerung geschaffen werden, und es stehe die möglichst rasche Schaffung von Wohnraum eindeutig im öffentlichen Interesse, das durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zumindest indirekt konterkariert werden könnte. Selbst wenn man von einer Vollzugstauglichkeit des angefochtenen Erkenntnisses bzw. Feststellungsbescheides ausginge, wäre für den Revisionswerber kein unverhältnismäßiger Nachteil gegeben. Die behaupteten Eingriffe in die Umwelt könnten maximal aufgrund der eigenständigen materienrechtlichen Bewilligungsverfahren erfolgen, und es sei nicht ersichtlich, inwiefern für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil gegeben sein sollte, wenn materienrechtliche Bewilligungsverfahren durchgeführt würden. Auch übersehe der Revisionswerber, dass die mitbeteiligten Parteien alleine das mit der sofortigen Weiterführung des Vorhabens verbundene Risiko verlorener Aufwendungen und sonstiger Nachteile für den Fall des späteren Obsiegens des Revisionswerbers trügen. Ein unverhältnismäßiger Nachteil für den Revisionswerber sei nicht ersichtlich.

7 Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einer Reihe von Beschlüssen die Vollzugstauglichkeit eines Feststellungsbescheides nach dem UVP-G 2000 grundsätzlich bejaht und dies - im Fall der Feststellung der UVP-Pflicht - mit der in § 3 Abs. 6 UVP-G 2000 geregelten Sperrwirkung und der Nichtigerklärung von entgegen dem UVP-G 2000 erteilten Genehmigungen begründet (vgl. dazu etwa VwGH 23.2.2016, Ra 2016/04/0027; ferner in diesem Zusammenhang etwa VwGH 6.6.2018, Ra 2018/05/0061 ua, mwN).

9 Mit dem vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften Feststellungsbescheid erfolgte keine Änderung des zuvor bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Zustandes. Die Zuständigkeiten zur Erteilung der erforderlichen Genehmigungen für das geplante Vorhaben ändern sich mit dem Bescheid nicht, und es bleiben weiterhin die Materienbehörden zuständig, sodass der mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte Bescheid keine Änderung des vor seiner Erlassung bestehenden Rechtszustandes bewirkte. Auch würde mit der beantragten Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eine Sperrwirkung (§ 3 Abs. 6 erster Satz UVP-G 2000) erreicht werden, die ohne Erlassung des genannten Bescheides gar nicht bestanden hätte (vgl. nochmals VwGH 23.2.2016, Ra 2016/04/0027).

10 Die vom Revisionswerber geltend gemachten nachteiligen Eingriffe in die Umwelt durch die Realisierung des Vorhabens könnten somit erst auf der Grundlage der entsprechenden materienrechtlichen Bewilligungen erfolgen. Im hier gegenständlichen Verfahren sind diese Umstände jedoch nicht von Bedeutung (vgl. in diesem Zusammenhang auch nochmals VwGH 6.6.2018, Ra 2018/05/0061 ua, mwN).

11 Zudem ist auf Grund des Antragsvorbringens (die behaupteten öffentlichen Interessen sind von den zuständigen Genehmigungsbehörden in den materiengesetzlichen Verfahren wahrzunehmen) oder aufgrund des Inhaltes des angefochtenen Erkenntnisses, dessen Rechtmäßigkeit in dem die aufschiebende Wirkung betreffenden Verfahren grundsätzlich nicht zu beurteilen ist, nicht ersichtlich, inwiefern für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG darin gelegen sein sollte, dass materienrechtliche Bewilligungsverfahren über das gegenständliche Projekt durchgeführt würden. Im Übrigen wird noch darauf hingewiesen, dass grundsätzlich der Bauwerber allein das mit der allfälligen sofortigen Ausübung einer ihm erteilten und noch vor einem der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts bekämpften diesbezüglichen Baubewilligung verbundene Risiko verlorener Aufwendungen und sonstiger Nachteile für den Fall des Obsiegens des Rechtsmittelwerbers zu tragen hat (vgl. aus der Judikatur der beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts etwa den in der vorliegenden Revisionsangelegenheit gefassten Beschluss VfGH 14.2.2018, E 144/2018-4, und etwa VwGH 6.8.2018, Ra 2018/05/0199, mwN).

12 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 12. Februar 2019

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