Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision des K K in S, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 20. Juni 2023, Zl. LVwG 30.11 819/2023 4, betreffend Übertretung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 7. Februar 2023 wurde dem Revisionswerber als verantwortlichem Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG der X Österreich GmbH zur Last gelegt, er habe es zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Lebensmittelunternehmerin „am 09.03.2022 um 08:36 Uhr“ in einer Filiale in F dadurch gegen Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (im Folgenden: EU Claims Verordnung) verstoßen habe, dass ein näher umschriebenes Produkt („X Rapsöl“), welches durch Feilbieten zum Verkauf „am 09.03.2022“ in der Filiale in F in Verkehr gebracht worden sei, die nährwertbezogene Angabe „reich an Omega-3-Fettsäuren“ aufgewiesen habe, wobei dieses Produkt in der Kennzeichnung (außerhalb der Nährwertdeklaration) die jeweilige Menge der im Produkt enthaltenen Omega 3 Fettsäuren zwar korrekt mit 7,8 g/100 ml angegeben habe, diese Angabe jedoch entgegen den Anforderungen des Artikels 7 der EU Claims Verordnung nicht in demselben Blickfeld wie die Nährwertkennzeichnung erfolgt sei. Der Revisionswerber habe dadurch gegen § 90 Abs. 3 Z 1 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes (LMSVG) iVm Art. 7 der EU-Claims-Verordnung verstoßen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von € 200 (für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde er zur Zahlung von Untersuchungskosten gemäß § 71 Abs. 1 und 3 LMSVG in der Höhe von € 180,70 und zu einem Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in der Höhe von € 20 verpflichtet.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 20. Juni 2023 wurde die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Tatvorwurf dahin präzisiert werde, dass es sich bei der „am 09.03.2022 gezogenen Probe“ des in Rede stehenden Produkts um ein verpacktes Lebensmittel aus einer näher genannten Charge mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 27. Jänner 2023 gehandelt habe; im Übrigen bleibe der Tatvorwurf unverändert. Der Revisionswerber wurde zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 40 verpflichtet. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht traf - unter anderem - folgende Sachverhaltsfeststellungen: Eine näher genannte Lebensmittelinspektorin habe „am 08.03.2022“ in der Filiale in F eine Lebensmittelkontrolle durchgeführt. Dabei sei eine Probe des Lebensmittels „X-Rapsöl“ mit einer näher genannten Chargennummer und dem Mindesthaltbarkeitsdatum 27. Jänner 2023 gezogen worden. Die Probe sei der AGES zur Untersuchung übermittelt worden. Am Etikett der Kunststoffflasche befinde sich eine Auflistung der Nährwerte und auch die nährwertbezogene Angabe „reich an Omega 3 Fettsäuren“. Die Nährwertauflistung und die genannte nährwertbezogene Angabe befänden sich jedoch nicht im selben Blickfeld. Dies sei im Gutachten der AGES vom 23. März 2022 beanstandet worden.
4 In seiner Beweiswürdigung verwies das Verwaltungsgericht auf den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsstrafakt, insbesondere das „Probenbegleitschreiben der Lebensmittelinspektorin ... vom 08.03.2022 über die an diesem Tag durchgeführte Probenziehung“, das „Gutachten der AGES vom 23.03.2022“ sowie auf weitere im Akt befindliche Schreiben.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.
7 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird ein Abweichen von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a VStG - unter anderem - dadurch geltend gemacht, dass der „falsch vorgehaltene [...] Tatzeitpunkt nicht aufgegriffen“ worden sei. Laut Tatvorwurf solle der Tatzeitpunkt „am 09.03.2022, 08:36 Uhr sein (Zeitpunkt des Feilbietens zum Verkauf)“. Laut Probenbegleitschreiben sei die beanstandete Ware aber am 8. März 2022 um 11:24 Uhr als Probe gezogen worden. Damit sei der vorgehaltene Tatzeitpunkt nachweislich falsch und aktenwidrig. Dieser Fehler sei nicht aufgegriffen worden, obwohl der Spruch dadurch offenkundig nicht gesetzmäßig konkretisiert gewesen sei.
9 Die Revision erweist sich als zulässig und begründet:
10 Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Das erfordert in aller Regel die Angabe von Tatort, Tatzeit sowie des wesentlichen Inhaltes des Tatgeschehens. Die Umschreibung der Tat hat so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist; sie darf keinen Zweifel daran bestehen lassen, wofür der Täter bestraft worden ist. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird (vgl. VwGH 20.8.2019, Ra 2019/16/0101, mit Verweis auf VwGH 29.3.2019, Ra 2019/02/0013). Der Spruch hat daher nicht nur die Sachverhaltselemente, von denen die Zuordnung eines Tatverhaltens zu den Merkmalen des Straftatbestands abhängt, zu bezeichnen, sondern grundsätzlich auch die Anführung des Zeitpunkts der Begehung der Tat, und falls es sich um einen Zeitraum handelt, dessen Anfang und Ende in einer kalendermäßig eindeutig umschriebenen Art zu umfassen (vgl. nochmals VwGH 20.8.2019, Ra 2019/16/0101, mit Verweis auf VwGH 20.3.2019, Ro 2018/09/0007).
11 Dem Revisionswerber wurde im Spruch des behördlichen Straferkenntnisses, der mit der Abweisung der Beschwerde vom Verwaltungsgericht hinsichtlich der Tatzeit unverändert übernommen wurde, ein Verstoß gegen Artikel 7 der EU Claims Verordnung „am 09.03.2022 um 08:36 Uhr“ vorgeworfen; ergänzt wurde der Spruch vom Verwaltungsgericht dahin, dass es sich bei der „am 09.03.2022 gezogenen Probe“ des in Rede stehenden Produkts um ein verpacktes Lebensmittel aus einer näher genannten Charge mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 27. Jänner 2023 gehandelt habe.
12 In der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses geht das Verwaltungsgericht demgegenüber davon aus, dass jene Probe des Lebensmittels „X Rapsöl“, hinsichtlich der das Verwaltungsgericht die dargestellte Ergänzung des Spruchs des Straferkenntnisses vorgenommen hat und deren Inverkehrbringen dem Revisionswerber vorgeworfen wurde, von einer näher genannten Lebensmittelinspektorin „am 08.03.2022“ gezogen worden sei. Dazu wird in der Beweiswürdigung auf ein „Probenbegleitschreiben der Lebensmittelinspektorin ... vom 08.03.2022 über die an diesem Tag durchgeführte Probenziehung“ verwiesen.
13 Ein solcher Widerspruch zwischen Spruch und Begründung des angefochtenen Erkenntnisses - hier: hinsichtlich des Tatzeitpunktes - führt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits dazu, dass das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben ist (vgl. VwGH 13.4.2023, Ra 2022/05/0193, mit Verweis auf VwGH 29.6.2021, Ra 2021/17/0088; 16.6.2021, Ra 2018/16/0184; 24.1.2019, Ra 2018/09/0141; siehe bezogen auf den Tatzeitpunkt auch VwGH 21.6.1994, 91/07/0062). Anzumerken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof seit seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 27. Juni 1984, 82/03/0218, VwSlg. Nr. 11.478 A, die Ansicht vertritt, dass der Umstand, dass bei der Angabe der Tatzeit im Spruch eines im Instanzenzug bestätigten Straferkenntnisses ein Schreibfehler unterlaufen sein mag, keine berichtigende Auslegung des Schuldspruches zu Lasten des Beschuldigten (Verurteilten) bewirken kann (vgl. auch VwGH 5.7.2000, 97/03/0081).
17 Das angefochtene Erkenntnis war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, weshalb auf das weitere Revisionsvorbringen nicht mehr einzugehen war.
18 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 3. Oktober 2024