JudikaturVwGH

Ra 2017/16/0036 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
30. Mai 2017

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann über die Revision der H K in P, vertreten durch die Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Parkring 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 16. Dezember 2016, Zl. RV/7100184/2016, betreffend Familienbeihilfe für die Monate Oktober bis Dezember 2013 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Hollabrunn Korneuburg Tulln), in der Sache zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis dahingehend abgeändert, dass der Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom 5. August 2015 ersatzlos behoben wird.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Die am 2. September 1993 geborene Tochter der Revisionswerberin hatte im Wintersemester 2012/13 das Bachelorstudium Publizistik und Kommunikationswissenschaften an der Universität begonnen. Im Sommersemester 2013 begann sie das Bachelorstudium Wirtschaftsrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien und betrieb dies fortan als Hauptstudium. Am 21. August 2013 meldete sie sich dort für das Wintersemester 2013/14 zurück.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom 5. August 2015, mit dem dieses Familienbeihilfe für die Monate Oktober bis Dezember 2013 versagt hatte, als unbegründet ab. Weiters sprach das Gericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Begründend traf das Gericht nach Darstellung des Verfahrensganges "aufgrund der Aktenlage bzw. der aus dem oben dargestellten Verfahrenslauf resultierenden Ermittlungsergebnisse" folgende Sachverhaltsfeststellungen:

"Die am 02.09.1993 geborene Tochter der (Revisionswerberin), ..., hat im Wintersemester 2012/13 das Bachelorstudium Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien aufgenommen. Im Sommersemester 2013 hat die Tochter das fortan als Hauptstudium betriebene Bachelorstudium Wirtschaftsrecht an der Wirtschaftsuniversität Wien begonnen. Am 21.08.2013 hat sie sich für das Wintersemester 2013/14 rückgemeldet.

Ab dem Wintersemester 2012/13 bis einschließlich Dezember 2013 hat die Tochter der (Revisionswerberin) laut Erfolgsnachweis vom 04.05.2015 folgende Prüfungen positiv absolviert:

Die Studieneingangs- und Orientierungsphase (STEOP) des Bachelorstudiums Wirtschaftsrecht umfasst diese vier Prüfungen und ist am 27.11.2013 erledigt worden.

STEOP-Prüfungen finden dreimal pro Semester statt (Beginn/Mitte/Ende).

Die am 27.11.2013 abgelegte Prüfung ist von der Wirtschaftsuniversität Wien nach universitären Vorschriften (§ 52 Abs. 1 UG) dem Wintersemester 2013/14 zugeordnet worden.

Im Zeitraum Oktober bis Dezember 2013 hat das Finanzamt die Auszahlung der Familienbeihilfe mangels ausreichenden Studienerfolgs eingestellt. Seit Jänner 2014 bezieht die (Revisionswerberin) wieder die Familienbeihilfe für ihre Tochter."

4 Nach weiterer Zitierung der Rechtsgrundlagen erwog das Gericht:

"Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob die am 27.11.2013 absolvierte Prüfung bei dem gem. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG für das erste Studienjahr im Ausmaß von 16 ECTS nachzuweisenden Studienerfolg zu berücksichtigen und damit die Voraussetzung für den Weiterbezug der Familienbeihilfe ab Oktober 2013 erfüllt ist.

Der in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG im letzten Satz erwähnte Nachweiszeitraum ist im FLAG nicht definiert.

Im Erkenntnis des VwGH vom 29.09.2011, 2011/16/0062 wird klargestellt, dass es nicht auf das Ablegen einer Prüfung in einem Studienjahr oder Semester ankommt, sondern auf die Zuordnung einer allenfalls in diesem Semester in der vorlesungsfreien Zeit oder erst im Folgesemester abgelegten Prüfung zu einem bestimmten Semester.

... Dort führt der VwGH Folgendes aus:

...

Entscheidend ist somit, welchem Semester die in der Nachfrist am 27.11.2014 (Anm.: gemeint: 2013) abgelegte Prüfung zuzuordnen ist.

Die von der (Revisionswerberin) unter Bezugnahme auf die §§ 61 Abs. 2 und 62 Abs. 3 Universitätsgesetz vertretene Auffassung, wonach sich die Zulassung des vorherigen Sommersemesters und folglich auch der Nachweiszeitraum für Prüfungen bis zum 30. November erstreckt, ist dem zitierten Erkenntnis nicht zu entnehmen (vgl. die beiden letzten Absätze des oben zitierten Erkenntnisses, aus denen zu ersehen ist, dass der VwGH seine Entscheidung eben nicht auf §§ 61 und 62 Universitätsgesetz stützt). Sie steht auch im Widerspruch zu der im gegenständlichen Fall von der Wirtschaftsuniversität nach universitären Vorschriften (§ 52 UG) vorgenommenen Zuordnung der am 27.11.2013 absolvierten STEOP-Prüfung zum Wintersemester 2013/14.

Dem sowohl vom VwGH in o.a. Erkenntnis als auch von der (Revisionswerberin) zitierten Erkenntnis des VwGH vom 23.06.2009, 2009/13/0195, ist gleichfalls nicht zu entnehmen, dass eine in der Nachfrist abgelegte Prüfung jedenfalls noch dem vorangegangenen Semester zuzuordnen ist. Hier war es unstrittig, dass hochschulrechtlich die in der Nachfrist abgelegte Diplomprüfung noch dem Wintersemester 2001/2002 zuzurechnen war. Der VwGH wies dabei explizit darauf hin, dass der Hinweis in der Berufung, der 12. April 2002 sei der letzte Prüfungstermin des Wintersemesters 2001/2002 gewesen, vom Beschwerde führenden Finanzamt unwidersprochen geblieben sei.

§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG fordert den Nachweis des Studienerfolges für das erste Studienjahr durch Bestätigung der im § 3 des Studienförderungsgesetzes1992 genannten Einrichtung, im gegenständlichen Fall der WU Wien. Im Erkenntnis vom 29.09.2011 stellt der VwGH bei der Frage, ob eine Prüfung dem Nachweiszeitraum zuzuordnen ist, unmissverständlich auf eine nach Maßgabe universitärer Vorschriften ausgestellte Bestätigung ab.

Dem Erfolgsnachweis der WU Wien ist eine Semesterzuordnung der gegenständlichen Prüfung vom 27.11.2013 nicht zu entnehmen. Nach der vorliegenden, von der Leiterin der Abteilung Studienrecht und Anerkennung der WU Wien unterfertigten und mit Schriftsatz vom 02.09.2016 bekräftigen Bestätigung vom 20.07.2016 ist diese in der Nachfrist abgelegte Prüfung nicht mehr dem Sommersemester 2013, sondern bereits dem Wintersemester 2013/14 zuzurechnen. Damit ist der erforderliche Erfolgsnachweis im Ausmaß von 16 ECTS für das erste Studienjahr nicht erbracht worden, sodass die Voraussetzung für den Weiterbezug der Familienbeihilfe ab Oktober 2013 entfallen ist. Nachdem die Tochter bis einschließlich Dezember 2013 keine weiteren Prüfungen abgelegt hat, hat im Beschwerdezeitraum ohne Zweifel kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden. Das Finanzamt hat daher den Antrag auf Familienbeihilfe für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2013 zu Recht abgewiesen.

An dieser Beurteilung kann auch das von der (Revisionswerberin) vorgelegte Erkenntnis des BFG vom 25.08.2016, RV/1100436/2016, in dem eine im November abgelegte Prüfung ohne Zuordnungsbestätigung der Universität für den zu erbringenden Erfolgsnachweis für das erste Studienjahr berücksichtigt worden ist, nichts ändern. In Entsprechung zu den vorstehenden Ausführungen wird die in dieser Entscheidung offenbar vertretene Auffassung, wonach innerhalb der Nachfrist abgelegte Prüfungen jedenfalls dem vorangegangenen Studienjahr zuzuordnen sind, vom erkennenden Senat nicht geteilt.

Gleiches gilt auch für die von der (Revisionswerberin) zitierte Kommentarmeinung von

Wimmer in Czaszar/Lenneis/Wanke, FLAG (2011) § 2 Rz 71.

Im Hinblick darauf, dass aufgrund der Zuordnung der Prüfung vom 27.11.2013 zum Wintersemester 2013/14 der Erfolgsnachweis nicht erbracht worden ist, erübrigt sich zudem die Auseinandersetzung mit der von der (Revisionswerberin) im Schriftsatz vom 25.08.2016 aufgeworfenen Frage, ob die am 10.10.2013 absolvierte Prüfung vom Finanzamt zu Recht für den günstigen Studienerfolg herangezogen worden ist.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden."

5 Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit einer Revision begründete das Gericht im Kern damit, die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG seien im gegenständlichen Fall nicht erfüllt. Dass der Nachweis der Zuordnung einer in der Nachfrist abgelegten Prüfung zu einem vorangegangenen Semester durch eine Bestätigung der in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtung zu erbringen sei, stehe mit der Rechtsprechung im Einklang "(VwGH 29.09.2011, 2011/16/0062)".

6 In der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Revision erachtet sich die Revisionswerberin in ihrem Recht auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag verletzt.

Die Revision legt ihre Zulässigkeit u.a. darin dar, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 2 Abs. 1 Z. 1 lit. b 12. Satz FLAG betreffend die Frage der erfolgreichen Absolvierung einer Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 UG. Auch fehle es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wer die "Bestätigungen der in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen" im Sinn des § 2 Abs. 1 Z. 1 lit. b FLAG auszustellen habe. Im vorliegenden Fall habe weder der zuständige Studienprogrammleiter noch der nach § 75 Abs. 3 UG für die Ausstellung von Zeugnissen zuständige Prüfer die Bestätigung ausgestellt, die das Gericht zugrunde gelegt habe.

Die Revision beantragt abschließend, gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst zu entscheiden und das angefochtene Erkenntnis dahingehend abzuändern, dass der Revisionswerberin für ihre Tochter Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum in gesetzlicher Höhe zuerkannt werde, in eventu das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Revision das Vorverfahren eingeleitet; Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Im Revisionsfall ist der Anspruch der Revisionswerberin auf Familienbeihilfe für ihre Tochter für die Monate Oktober bis Dezember 2013 strittig; bei dem Zeitraum handelt es sich um die ersten drei Monate des zweiten Studienjahres der Tochter nach einem Studienwechsel, dessen Voraussetzungen § 2 Abs. 1 lit. b FLAG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 35/2014 wie folgt regelte:

"Familienbeihilfe

§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

Gemäß Art. 1 Z 1 der Novelle BGBl. I Nr. 35/2014 wurde § 2 Abs. 1 lit. b FLAG am Ende des zwölften Satzes der Punkt durch einen Beistrich ersetzt und folgender Halbsatz angefügt:

"Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden."

9 Gemäß § 55 Abs. 27 lit. a FLAG, eingefügt durch die genannte Novelle, findet § 2 Abs. 1 lit. b zwölfter Satz "erstmals in Bezug auf das Studienjahr 2013/14 Anwendung".

10 Schon zur Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 durch die Novelle BGBl. Nr. 311/1992 hielt der Familienausschuss mit Stimmenmehrheit in seinem Bericht 517 BlgNR XVIII. GP fest, der Studiennachweis könne auch durch Ablegung von Prüfungen innerhalb der Inskriptionsfrist des auf den Nachweiszeitraum folgenden Semesters (Studienjahres) erbracht werden. Zeugnisse über erfolgreich absolvierte Lehrveranstaltungen sind Prüfungszeugnissen gleichzuhalten.

11 Betreffend die Änderung des zwölften Satzes in § 12 Abs. 1 lit. b FLAG durch die Novelle BGBl. I Nr. 35/2014 führen die ErläutRV 87 BlgNR XXV. GP 1 aus:

"Studierende haben nach dem ersten Studienjahr einen Leistungsnachweis zu erbringen, damit die Familienbeihilfe weiter gewährt werden kann. Nach der derzeitigen Rechtslage besteht der Anspruch ab dem zweiten Studienjahr nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird.

§ 66 Universitätsgesetz 2002 sieht Regelungen über eine Studieneingangs- und Orientierungsphase vor, die als Teil der Diplom- und Bachelorstudien so zu gestalten ist, dass sie der oder dem Studierenden einen Überblick über die wesentlichen Inhalte des jeweiligen Studiums und dessen weiteren Verlauf vermittelt und eine sachliche Entscheidungsgrundlage für die persönliche Beurteilung ihrer oder seiner Studienwahl schafft. Die Studieneingangs- und Orientierungsphase kann aus einer oder mehreren Lehrveranstaltungen bestehen, die sich über mindestens ein halbes Semester erstrecken. Die gesamte Studieneingangs- und Orientierungsphase hat ein Semester zu umfassen.

Innerhalb der Studieneingangs- und Orientierungsphase müssen mindestens zwei Prüfungen vorgesehen werden, für die in jedem Semester mindestens zwei Prüfungstermine anzusetzen sind. Der positive Erfolg bei allen Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase berechtigt zur Absolvierung der weiteren Lehrveranstaltungen und Prüfungen sowie zum Verfassen der im Curriculum vorgesehenen Bachelor- oder Diplomarbeiten.

Bei Gewährung der Familienbeihilfe soll - im Hinblick auf diese geänderten Studienbedingungen und die Intensität der Lehrveranstaltungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase - der positive Erfolg bei den in Rede stehenden Lehrveranstaltungen und Prüfungen als Leistungsnachweis in Bezug auf das erste Studienjahr gelten, wobei als Mindesterfordernis 14 ECTS-Punkte vorzusehen sind.

Diese Regelung soll erstmals in Bezug auf das Studienjahr 2013/14 gelten."

12 Den unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Erkenntnisses zufolge absolvierte die Tochter der Revisionswerberin im Rahmen der Studieneingangs- und Orientierungsphase des Bachelorstudiums Wirtschaftsrecht zwischen 7. Mai und 27. November 2013 vier erforderliche Prüfungen mit einem Gesamtausmaß von insgesamt 16 ECTS-Punkten.

13 Fraglich ist zunächst, ob ein Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 2 Abs. 1 lit. b zwölfter Satz zweiter Halbsatz FLAG ab Beginn des Studienjahres 2013/14, sohin ab Oktober 2013, auch dann gegeben sein könnte, wenn die Voraussetzungen hiefür durch erfolgreiche Absolvierung der Studieneingangs- und Orientierungsphase vor Beginn dieses Studienjahres erfüllt wurden. Weder die verba legalia in § 55 Abs. 27 lit. a ("findet ... Anwendung") noch jene in den zitierten ErläutRV ("soll erstmals in Bezug auf das Studienjahr 2013/14 gelten") geben eindeutig darüber Aufschluss, ob das genannte Studienjahr 2013/14 den Beginn des zeitlichen Bedingungsbereichs oder jenen des zeitlichen Rechtsfolgenbereichs meint (zur Unterscheidung dieser beiden zeitlichen Bereiche vgl. etwa Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer , Bundesverfassungsrecht10, Rz 487 ff).

14 Nach der In-Kraft-Tretens-Bestimmung des § 55 Abs. 27 lit. a FLAG findet § 2 Abs. 1 lit. b zwölfter Satz "erstmals in Bezug auf das Studienjahr 2013/2014 Anwendung"; die zitierten ErläutRV 87 BlgNR XXV. GP 1 führen aus, diese Regelung solle erstmals "in Bezug auf das Studienjahr 2013/2014" gelten. Im Hinblick auf die Kundmachung der Novelle BGBl. I Nr. 35/2014 am 26. Mai 2014 sollte die Bestimmung des § 55 Abs. 27 lit. a FLAG abweichend von Art. 49 Abs. 1 B-VG jedenfalls ein rückwirkendes In-Kraft-Treten anordnen. Auch bediente sich die In-Kraft-Tretens-Bestimmung des § 55 Abs. 27 FLAG hinsichtlich anderer Novellen-Bestimmungen des FLAG in ihren lit. b und c der Wendung "tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft", worunter gemeiniglich die Anordnung des Beginns des zeitlichen Bedingungsbereiches zu verstehen ist.

15 Unter Würdigung der besonderen Wortwahl in § 55 Abs. 27 lit. a FLAG sowie in den zitierten ErläutRV kommt der Verwaltungsgerichtshof zum Schluss, dass der Gesetzgeber mit der Wendung "findet ... erstmals in Bezug auf das Studienjahr 2013/14 Anwendung" Abweichendes von anderen In-Kraft-Tretens-Regelungen anordnen wollte und somit den zeitlichen Bedingungsbereich dahingehend vorverlagern wollte, sodass ein Anspruch auf Familienbeihilfe ab dem zweiten Studienjahr für das Studienjahr 2013/2014 unter den Bedingungen des § 2 Abs. 1 lit. b zwölfter Satz zweiter Halbsatz FLAG auch dann gegeben sein sollte, wenn diese Bedingungen bereits zu einem früheren Zeitpunkt verwirklicht worden waren.

16 Unbestritten ist, dass die Tochter der Revisionswerberin alle erforderlichen Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase positiv absolvierte, sodass sie ab dem Wintersemester 2013/14 ihr Bachelorstudium Wirtschaftsrecht an der Wirtschaftsuniversität fortsetzen konnte.

17 Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG (obzwar sie in der maßgeblichen Novellenfassung 365 Wörter mit 2435 Zeichen umfasst) regelt nicht, bis wann der für die Weitergewährung der Familienbeihilfe ab dem zweiten Studienjahr notwendige Nachweis der erfolgreichen Absolvierung der erforderlichen Lehrveranstaltungen und Prüfungen (hier: der Studieneingangs- und Orientierungsphase) zu erbringen ist.

18 Dem vom Gericht zur Beantwortung der Rechtsfrage des Nachweises herangezogenen Schreiben der Wirtschaftsuniversität Wien über die Zuordnung der Prüfung vom 27. November 2013 kommt hiebei keine Bedeutung zu, handelt es sich hiebei doch nicht um eine "Bestätigung" im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG über die erfolgreiche Ablegung einer Prüfung, sohin um ein Zeugnis im Sinn des § 75 Abs. 1 UG, zu dessen Inhalt nach § 75 Abs. 2 UG überdies die Zurechnung einer Prüfung zu einem Semester oder Studienjahr gar nicht gehört, sondern um eine - unverbindliche - Rechtsauskunft (zur Qualität der "Bestätigungen" im besagten Sinn vgl. den eingangs zitierten Bericht des Familienausschusses 517 BlgNR XVIII. GP 1, weiters Perthold-Stoitzner UG3, Rz. 2 und 7 zu § 75 insbes. zur Abgrenzung etwa auch zum Studienerfolgsnachweis iSd. § 75 Abs. 6 UG und zur Studienbestätigung iSd. § 62 Abs. 4 UG, sowie Wimmer in Czaszar/Lenneis/Wanke, Kommentar zum Familienlastenausgleichsgesetz, Rz 69 f zu § 2 FLAG).

19 § 2 Abs. 1 lit. b FLAG lässt die Erbringung des Erfolgsnachweises über das erste Studienjahr oder eine Studieneingangs- und Orientierungsphase in zeitlicher Hinsicht offen. Anders als etwa für den Fall eines Studienwechsels verweist § 2 Abs. 1 lit. b FLAG hiefür auch nicht auf universitäts- oder studienrechtliche Bestimmungen. Vor dem Hintergrund der die kontinuierliche Absolvierung eines Studiums sichernden Zulassungsfristen des § 61 UG und unter Wahrung des im zitierten Ausschussbericht zum Ausdruck gelangenden Verständnisses ist der - von der Beihilfenbehörde autonom rechtlich zu beurteilende - Nachweiszeitraum für das erste Studienjahr vom Beginn des ersten Semesters bis zum Ende der Zulassungsfrist für das den zwei Semestern folgende Semester, sohin bis 30. November des Folgejahres, anzusetzen (in diesem Sinne Wimmer , aaO, Rz 72 zu § 2 FLAG).

20 Unbeschadet dessen besteht der Anspruch auf Weitergewährung der Familienbeihilfe ab jedem weiteren Studienjahr zufolge § 2 Abs. 1 lit. b FLAG nur dann, wenn für das vorhergehende Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird, womit für jedes Studienjahr - innerhalb der Fristen des § 61 UG - ein quantitativ genau definierter Studienerfolg zu erbringen ist.

21 Ausgehend vom unstrittigen Sachverhalt hatte daher die Tochter der Revisionswerberin mit der Ablegung der letzten notwendigen Prüfung am 27. November des Folgejahres die Voraussetzungen für den Anspruch auf Familienbeihilfe ab dem zweiten Studienjahr (2013/2014) erfüllt. Damit erweist sich die Sache als entscheidungsreif, sodass das angefochtene Erkenntnis dahingehend abzuändern ist, dass - e contrario § 13 zweiter Satz FLAG - der Bescheid des Finanzamtes vom 5. August 2015 ersatzlos zu beheben ist.

22 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 30. Mai 2017

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