IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***BE*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 11. November 2019 gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 9. Oktober 2019 betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für Oktober 2017 bis Februar 2018, SVNr ***1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Im Zuge der Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe im September 2019 wurde ein Studienwechsel beim Sohn des Beschwerdeführers, ***2***, festgestellt. Daraufhin ersuchte die belangte Behörde um Übermittlung des Studienblattes und des Studienerfolgsnachweises sowohl von dem alten als auch dem neuen Studiengang. Der Beschwerdeführer übermittelte die geforderten Unterlagen.
Mit Bescheid vom 9. Oktober 2019 wurde der Beschwerdeführer zur Rückforderung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Oktober 2017 bis Februar 2018 in Höhe von 816,20 Euro und des Kinderabsetzbetrages in Höhe von 292,00 Euro aufgefordert. Als Begründung wurde ausgeführt, dass sein Sohn die Ausbildung nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben hat.
Am 11. November 2019 brachte der Beschwerdeführer eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 9. Oktober 2019 ein und führte dabei aus, dass es seinem Sohn aufgrund gesundheitlicher Gründe nicht möglich war, das Studium wie gewünscht zu absolvieren und Prüfungen abzulegen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 12. Juni 2020 wies das Finanzamt Österreich die Beschwerde vom 11. November 2019 als unbegründet ab und führte als Begründung aus, dass keine Prüfungen nachgewiesen wurden.
Dagegen brachte der Beschwerdeführer am 7. Juli 2020 einen "Einspruch" ein, der als Vorlageantrag gewertet wurde. Er führte aus, dass sich sein Sohn seit April 2018 immer wieder in ärztlicher Behandlung befindet und ein Studienbesuch mit verbundenen Prüfungen in dieser Zeit aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich war. Anbei übermittelte er einen Arztbrief von Dr. ***3***, Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin.
Am 6. August 2020 legte das Finanzamt den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Sohn des Beschwerdeführers, ***2***, ist im streitgegenständlichen Zeitraum volljährig.
***2*** war im Wintersemester 2015/2016 und im Sommersemester 2016 im Bachelorstudium ***4*** an der Technischen Universität (TU) Wien eingeschrieben. Er hat in diesem Studienjahr Prüfungen im Ausmaß von 10 Semesterwochenstunden bzw 11 ECTS-Punkten positiv absolviert.
Ab dem Wintersemester 2016/2017 war er für das Bachelorstudium ***5*** an der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien eingeschrieben. Im Studienjahr 2016/2017 wurde ein Studienerfolg von 3 Semesterwochenstunden und 4 ECTS-Punkten erreicht. Dabei wurden im Wintersemester 2016/2017 zwei Prüfungen positiv absolviert, im Sommersemester 2017 liegt lediglich eine negative Beurteilung vor.
Im Wintersemester 2017/2018 wurden keine Prüfungen abgelegt. Im Sommersemester 2018 absolvierte er eine Prüfung mit einer Semesterwochenstunde und 2 ECTS-Punkten.
Die Rückforderung der Familienbeihilfe betrifft den Zeitraum Oktober 2017 bis Februar 2018 (Wintersemester 2017/2018).
Dr. ***3***, Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, verfasste am 6. März 2020 einen Arztbrief zu den gesundheitlichen Beschwerden von ***2***. Er bestätigt, dass ***2*** von 6. April 2018 bis 18. September 2018 in ambulanter Behandlung in seiner psychiatrischen Medikation stand. Das Studium der ***5*** konnte aufgrund der klar nachvollziehbaren Einschränkungen durch die psychischen Symptome schon ab dem Wintersemester 2017/2018 nicht mehr mit Studienerfolg weitergeführt werden. ***2*** litt unter Konzentrationsstörungen, Denkstörungen und deutlich wahnhaft ausgeprägten psychotischen Symptomen. Die Symptome bildeten sich bis September 2018 aufgrund medikamentöser Behandlung fast vollständig zurück. Es werden eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit/Erwerbsfähigkeit und krankheitsbedingt fehlender Studienerfolg für die Behandlungsdauer und die Monate davor seit Oktober 2017 aufgrund der Dauer und Schwere der Erkrankung attestiert.
2. Beweiswürdigung
Der oben dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt. Er ist von den Parteien des Verfahrens unbestritten.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. […] Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.
Gemäß § 26 Abs 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 33 Abs 3 EStG 1988 idgF steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
Im streitgegenständlichen Fall besuchte der Sohn des Beschwerdeführers zunächst die TU Wien und anschließend die BOKU Wien. Beide fallen unter eine in § 3 StudFG 1992 genannte Einrichtung.
Anspruch auf Familienbeihilfe ab dem zweiten Studienjahr besteht nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird. Gleiches gilt, wenn alle, zumindest mit 14 ECTS-Punkten bewerteten, Lehrveranstaltungen und Prüfungen der STEOP erfolgreich absolviert wurden.
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat in seinem Erkenntnis vom 30. Mai 2017, Ra 2017/16/0036, ausgesprochen, dass der Anspruch auf Weitergewährung der Familienbeihilfe ab jedem weiteren (nach dem ersten) Studienjahr zufolge § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 nur dann besteht, wenn für das vorhergehende Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird, womit für jedes Studienjahr - innerhalb der Fristen des § 61 UG - ein quantitativ genau definierter Studienerfolg zu erbringen ist.
Der Sohn des Beschwerdeführers hat in seinem ersten Studienjahr (Wintersemester 2015/2016 und Sommersemester 2016) einen Studienerfolg von 10 Semesterwochenstunden verzeichnet und damit die Voraussetzungen für die Weitergewährung der Familienbeihilfe im nachfolgenden Studienjahr 2016/2017 erfüllt. In diesem Studienjahr (Wintersemester 2016/2017 und Sommersemester 2017) erzielte er einen Studienerfolg im Ausmaß von 3 Semesterwochenstunden bzw 4 ECTS-Punkten. Damit wurde der gesetzlich vorgesehene Studienerfolg für den Anspruch auf Familienbeihilfe für das nachfolgende Studienjahr 2017/2018 nicht erbracht.
Der Beschwerdeführer hat vorgebracht, dass sein Sohn das Studium aus gesundheitlichen Gründen nicht wie gewünscht absolvieren konnte.
Die Art des Beweismittels einer (krankheitsbedingten) Studienbehinderung ist im Gesetz nicht festgelegt, die für eine Verlängerung der Studienzeit oder des Nachweiszeitraumes maßgeblichen Umstände sind daher durch geeignete Beweismittel glaubhaft zu machen.
Ist ein zwingender Zusammenhang zwischen der Krankheit einerseits und der behaupteten Studienbehinderung andererseits für den medizinischen Laien nicht erkennbar, bleibt die Beurteilung, ob die Krankheit nach Art und Ausmaß ihres Auftretens geeignet ist, zu einer Studienbehinderung zu führen, ebenso einem Arzt vorbehalten wie die Diagnose der Krankheit selbst. Eine schlüssige ärztliche Bestätigung ist erforderlich (UFS 15.11.2004, RV/0051-L/03). Es muss dargelegt werden, durch welche konkrete Krankheit und zu welchen konkreten Zeiten das Kind derart beeinträchtigt gewesen war, dass es am Studium verhindert gewesen wäre (VwGH 26.5.2011, 2011/16/0055).
Im ausführlichen Arztbrief von Dr. ***3*** vom 6. März 2020 werden eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit/Erwerbsfähigkeit und krankheitsbedingt fehlender Studienerfolg für die Behandlungsdauer (6. April 2018 bis 18. September 2018) und die Monate davor seit Oktober 2017 aufgrund der Dauer und Schwere der (näher dargestellten psychischen) Erkrankung des Sohnes attestiert.
Im Studienjahr 2017/2018 (Wintersemester 2017/2018 und Sommersemester 2018) liegt zweifelsfrei eine relevante krankheitsbedingte Studienbehinderung vor. Jedoch wurde bereits im davor liegenden Studienjahr 2016/2017 (Wintersemester 2016/2017 und Sommersemester 2017) der Studienerfolg, der für die Weitergewährung der Familienbeihilfe erforderlich ist, nicht mehr erbracht. Dabei kann nicht von einer schon in diesem Studienjahr bestehenden krankheitsbedingten Studienbehinderung im Sinne des FLAG ausgegangen werden, da aus dem Arztbrief klar hervorgeht, dass das Studium erst ab dem Wintersemester 2017/2018 (seit Oktober 2017) krankheitsbedingt nicht mit Studienerfolg weitergeführt werden konnte.
Somit konnte im Studienjahr 2016/2017 der nach § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 notwendige Studienerfolg nicht nachgewiesen werden. Es bestand daher im Studienjahr 2017/2018 kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge wurden im Zeitraum Oktober 2017 bis Februar 2018 zu Unrecht bezogen und sind gemäß § 26 Abs 1 FLAG 1967 zurückzuzahlen.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Rechtsfolgen ergeben sich unmittelbar aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen. Eine Revision gegen dieses Erkenntnis ist daher nicht zulässig.
Salzburg, am 12. Juni 2025