Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schweda, über die Revision des D A in W, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. August 2015, Zl. L514 2012206- 3/6E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),
Spruch
I. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde in Bezug auf den mit dem Folgeantrag angestrebten Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 richtet.
II. zu Recht erkannt:
In seinem übrigen Umfang wird das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger des Irak und stellte am 1. Oktober 2008 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde im Juli 2014 rechtskräftig zur Gänze abgewiesen und der Revisionswerber in den Irak ausgewiesen.
2 Am 13. Jänner 2015 stellte der Revisionswerber den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen erneuten Antrag stützte der Revisionswerber darauf, dass sich die Kriegssituation in seiner Heimat vor ca. fünf Monaten verschlechtert habe. Es seien keine neuen Asylgründe vorhanden.
3 Dieser Folgeantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 11. Juni 2015 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zulässig. Im Wesentlichen führte es aus, der Revisionswerber stamme aus der Stadt Dohuk in der autonomen Region Kurdistan. Die vorherrschende problematische Situation im Zusammenhang mit dem IS (Islamischen Staat) beschränke sich jedoch auf eine südlicher gelegene Region und die Sicherheitslage in der Region Kurdistan werde im Vergleich zum Rest des Irak nach wie vor als wesentlich besser beschrieben.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 10. Juni 2016, E 1973/2015-11, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
6 Die in der Folge eingebrachte außerordentliche Revision führt zu ihrer Zulässigkeit aus, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 68 AVG ab. Der Revisionswerber habe eine wesentliche Sachverhaltsänderung ausdrücklich vorgebracht. Überdies verweist der Revisionswerber darauf, dass der IS eine Bedeutung erlangt habe, die zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens nicht gegeben gewesen sei und auf die "zunehmende Gefährdung" aufgrund aktueller Kampfhandlungen zur Rückeroberung Mossuls durch die irakische Armee. Allgemein bekannte Tatsachen seien von Amts wegen zu berücksichtigen, "insbesondere die rasche Änderung der politischen und militärischen Situation im Irak". Der Folgeantrag des Revisionswerbers hätte daher inhaltlich behandelt werden müssen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die Revision ist teilweise zulässig und auch teilweise
begründet.
8 "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG war die
Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags durch das BFA gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgte. Das BVwG hatte dementsprechend zu prüfen, ob die Behörde auf Grund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.
9 Dabei entspricht es im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz der ständigen hg. Rechtsprechung, dass eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukommt; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen (vgl. VwGH vom 25. Februar 2016, Ra 2015/19/0267, mit Hinweis auf die grundlegenden Ausführungen in VwGH vom 9. Februar 2009, 2008/01/0344).
Zu I:
10 Hinsichtlich des Antrages auf internationalen Schutz in seinem ihm immanenten Umfang des Antrages auf Gewährung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 ist festzuhalten, dass der Revisionswerber weder vor dem BFA eine Sachverhaltsänderung behauptete, die Asyl rechtfertigen könnte, noch findet sich in der Revision ein Vorbringen dahingehend, dass das BVwG die Rechtslage hinsichtlich eines asylrelevanten neuen Sachverhaltsvorbringens verkannt habe. Die Revision erschöpft sich vielmehr - wie auch das Vorbringen vor der Verwaltungsbehörde - auf den Hinweis der Verschlechterung der allgemeinen Situation im Irak. Damit wird keine Sachverhaltsänderung dargetan, die für sich alleine betrachtet ein asylrelevantes neues Vorbringen darstellt.
11 Da sohin davon auszugehen ist, dass der Revisionswerber hinsichtlich der Frage der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten keine Sachverhaltsänderung vorgebracht hat, die einen Folgeantrag rechtfertigt, erweist sich die Zurückweisung des neuerlichen Antrages, insoweit sich dieser auf die Gewährung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 bezieht, als richtig. Eine revisible Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt insoweit nicht vor (vgl. zur notwendigen Sachverhaltsänderung VwGH vom 21. November 2002, 2002/20/0315).
Zu II:
12 Berechtigung kommt der Revision insoweit zu, als sie zutreffend darauf verweist, dass die vom Revisionswerber behauptete Lageänderung im Irak seit Rechtskraft des ersten Asylverfahrens, nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließ, dass eine andere Beurteilung in Bezug auf die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten erfolgen könnte.
13 Insbesondere findet sich in der angefochtenen Entscheidung keine ausreichende Begründung dafür, aus welchem Grund das Erstarken des IS im Raum Mossul (also nur wenige Kilometer südlich der Heimatregion des Revisionswerbers) und die dadurch bedingten Auswirkungen auf die Sicherheitslage bzw. die humanitäre Lage in der Region von vornherein ungeeignet sein sollten, eine geänderte Beurteilung des Begehrens auf subsidiären Schutz vorzunehmen.
14 Ausgehend davon wich das BVwG in Bezug auf die Frage des subsidiären Schutzes von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach bei einer behaupteten Lageänderung in einem Folgeantrag, die - im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren - nicht von vornherein als ungeeignet anzusehen ist, ein anderes Ergebnis zu erzielen, keine Zurückweisung des bezughabenden Antrages wegen entschiedener Sache stattfinden darf, sondern eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem neuen Vorbringen zu erfolgen hat.
15 Mit seiner die Zurückweisung durch das BFA bestätigenden Entscheidung verkennt daher das BVwG, dass der Revisionswerber eine für die Beurteilung des Antrages auf internationalen Schutz - insoweit dieser über den Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 hinausgeht - relevante Lageänderung im Irak seit Rechtskraft des ersten Asylverfahrens im Juli 2014 geltend machte.
16 Das angefochtene Erkenntnis war daher in seinem den Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten hinausgehenden Umfang - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
17 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 12. Oktober 2016