JudikaturVwGH

Ra 2015/11/0100 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
20. September 2017

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und den Hofrat Dr. Schick sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision der Landespolizeidirektion Steiermark in 8052 Graz, Straßganger Straße 280, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 30. September 2015, Zl. LVwG 42.8-2478/2015-3, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Landespolizeidirektion Steiermark; mitbeteiligte Partei: M T in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

1 Mit Bescheid vom 11. August 2015 entzog die Revisionswerberin der Mitbeteiligten die Lenkberechtigung für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides. Unter einem wurden als begleitende Maßnahmen eine verkehrspsychologische Untersuchung, eine Nachschulung und die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens angeordnet.

2 Die Revisionswerberin stützte ihren Bescheid im Wesentlichen auf die Feststellung, die Mitbeteiligte sei mit Entscheidung des Amtsgerichts München vom 25. November 2014 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen a EUR 10,-- verurteilt worden, weil sie am 30. September 2014 mit einer Alkoholisierung im Ausmaß von 1,66 Promille Blutalkoholgehalt in München-Schwabing ein Fahrzeug gelenkt habe. Die Mitbeteiligte habe demnach eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen, weshalb ihr gemäß § 26 Abs. 2 Z 1 FSG die Lenkberechtigung für die Dauer von sechs Monaten zu entziehen sei.

3 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten gab das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis statt und behob den Bescheid. Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

4 Das Verwaltungsgericht bestätigte die Feststellungen der Revisionswerberin zur Entscheidung des Amtsgerichts München vom 25. November 2014, welche seit 30. Dezember 2014 rechtskräftig sei. Aufgrund des Beschwerdevorbringens, der Führerschein sei der Mitbeteiligten in Deutschland am 30. September 2014 abgenommen und am 4. November 2014 wieder ausgefolgt worden, stellte das Verwaltungsgericht ergänzend fest, der Mitbeteiligten sei "die Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland für die Dauer von 30.09.2014 bis 04.11.2014 entzogen" worden.

In Anbetracht des Zeitraums zwischen der Tat (30. September 2014) und der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (30. September 2015) habe die Revisionswerberin die Mitbeteiligte mit der Entziehung "ab Rechtskraft des Bescheides" für mehr als 12 Monate als verkehrsunzuverlässig angesehen. Da die Revisionswerberin dafür jedoch keinerlei Wertungskriterien dargelegt habe und solche auch nicht ersichtlich seien, erweise sich die Entziehungsdauer mit sechs Monaten als zu lang.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der das Verwaltungsgericht die Verfahrensakten vorgelegt hat. Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 In der Revision wird zur Zulässigkeit ausgeführt, das Verwaltungsgericht sei mit seiner Forderung nach einer Wertung iSd § 7 Abs. 4 FSG von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf einige hg. Erkenntnisse) insofern abgewichen, als bei im Gesetz festgelegter fixer Entziehungsdauer eine derartige Wertung zu entfallen habe und dies auch gelte, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine erstmalige Übertretung des § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen worden sei und sich die Behörde mit der in § 26 Abs. 2 FSG genannten Entziehungsdauer begnüge.

8 Die Revision ist aus dem von ihr genannten Grund zulässig

und begründet:

9 Das FSG lautet (auszugsweise):

"Verkehrszuverlässigkeit

§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen

1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

...

(2) Handelt es sich bei den in Abs. 3 angeführten Tatbeständen um Verkehrsverstöße oder strafbare Handlungen, die im Ausland begangen wurden, so sind diese nach Maßgabe der inländischen Rechtsvorschriften zu beurteilen.

(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:

1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;

...

Sonderfälle der Entziehung

§ 26.

...

(2) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges

1. erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens sechs Monaten zu entziehen,

..."

10 § 99 StVO 1960 lautet (auszugsweise):

"§ 99. Strafbestimmungen.

(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,

a) wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt,

..."

11 Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Entziehung der Lenkberechtigung wegen der Begehung eines Alkoholdelikts erfüllt sind, ist die Führerscheinbehörde an eine rechtskräftige Bestrafung wegen einer entsprechenden Übertretung der StVO 1960 gebunden (vgl. die zahlreichen Nachweise im hg. Beschluss vom 21. April 2016, Zl. Ra 2016/11/0039).

12 Eine Entziehung ist nach der hg. Judikatur zu § 7 Abs. 2 FSG auch dann auszusprechen, wenn feststeht, dass der Betreffende von einer ausländischen Behörde bzw. einem ausländischen Gericht wegen Lenkens oder Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges im Ausland mit einem Alkoholgehalt seines Blutes oder seiner Atemluft, der den in § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 angegebenen Grenzwerten entspricht, rechtskräftig bestraft wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 2004, Zl. 2003/11/0272, sowie den hg. Beschluss vom 21. April 2016, Zl. Ra 2016/11/0039, mwN).

13 Für den Entziehungstatbestand nach § 26 Abs. 2 Z 1 FSG, der auf die Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 abstellt, folgt daraus, dass mit dem Vorliegen einer rechtskräftigen Bestrafung wegen einer derartigen Übertretung zwingend eine Entziehung für die in § 26 Abs. 2 Z 1 FSG genannte (Mindest)Dauer auszusprechen ist.

Für ein Unterschreiten der gesetzlich vorgegebenen Mindestentziehungsdauer fehlt aber - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - eine gesetzliche Grundlage, vielmehr ist bei Vorliegen der in § 26 Abs. 1 bis 3 FSG umschriebenen Voraussetzungen jedenfalls eine Entziehung der Lenkberechtigung für den jeweils vorgesehenen fixen Zeitraum oder Mindestzeitraum auszusprechen (vgl. zB. die hg. Erkenntnisse vom 17. November 2009, Zl. 2009/11/0023, oder vom 27. Jänner 2014, Zl. 2013/11/0211, jeweils mwN).

Für den Revisionsfall folgt daraus, dass angesichts eines unstrittigen Alkoholisierungsgrades von 1,66 Promille vom Vorliegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 auszugehen und gemäß § 26 Abs. 2 Z 1 iVm § 7 Abs. 2 FSG eine Entziehung für (mindestens) sechs Monate auszusprechen war.

14 Da das Verwaltungsgericht dies verkannt hat, war das Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 20. September 2017

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