Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der A, vertreten durch Dr. Andreas Manak, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stephansplatz 6, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Mai 2015, Zlen W102 2009977- 1/36E, W102 2012860-1/18E, W102 2010629-1/14E, W102 2012548-1/15E, W102 2010608-1/16E, W102 2009137-1/16E, W102 2015000-1/11E, betreffend Genehmigungen nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (mitbeteiligte Partei:
ÖBB-Infrastruktur AG in Wien, vertreten durch Dr. Michael Hecht, Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12; belangte Behörden vor dem Verwaltungsgericht:
Spruch
Gemäß § 30 Abs 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
1.1. Mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 16. Juni 2014, BMVIT-820.288/0033- IV/SCH2/2014, wurde der mitbeteiligten Partei die Genehmigung nach dem dritten Abschnitt des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes 2000 (UVP-G 2000) für das Vorhaben "Semmering-Basistunnel neu" von km 75,561 bis km 118,122 erteilt.
Gegen diesen Bescheid erhob (unter anderem) die revisionswerbende Partei Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
1.2. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 14. Dezember 2011, NKW2-NA-1018/001, wurde die naturschutzrechtliche Genehmigung im Zusammenhang mit der Errichtung des Vorhabens "Semmering Basistunnel neu" erteilt.
Gegen diesen Bescheid erhob (unter anderem) die revisionswerbende Partei eine - nach Aufhebung des Berufungsbescheides der niederösterreichischen Landesregierung durch den Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 12. August 2014, 2012/10/0088, als Beschwerde zu behandelnde - Berufung.
2. Mit dem von der revisionswerbenden Partei nun angefochtenen Erkenntnis wurde (unter anderem) deren Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 16. Juni 2014 abgewiesen (Spruchpunkt B IV a). Weiters wurde aus Anlass der Beschwerde der revisionswerbenden Partei der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 14. Dezember 2011 teilweise abgeändert (Spruchpunkt B III) und die Beschwerde gegen diesen Bescheid im Übrigen abgewiesen (Spruchpunkt B IV e).
In weiteren Spruchpunkten wurde über Beschwerden (auch) der revisionswerbenden Partei gegen weitere, mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag, des Landeshauptmannes von Niederösterreich und des Landeshauptmannes von Steiermark erteilte Genehmigungen im Zusammenhang mit der Errichtung des Vorhabens "Semmering Basistunnel neu" abgesprochen.
Mit Spruchpunkt C des angefochtenen Erkenntnisses sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig ist.
3. Die revisionswerbende Partei erhob gegen die Spruchpunkte B III, IV a und IV e dieses Erkenntnisses außerordentliche Revision und verband diese mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
4. Gemäß § 30 Abs 1 VwGG hat die Revision keine aufschiebende Wirkung. Der Verwaltungsgerichtshof hat - ab Vorlage der Revision an ihn - gemäß § 30 Abs 2 VwGG jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
5. Die revisionswerbende Partei bringt vor, dass - auch wenn nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (der Antrag verweist dazu auf den hg Beschluss vom 5. Oktober 2011, AW 2011/03/0031) die Erfolgsaussichten einer Beschwerde (nunmehr Revision) nicht in die Interessenabwägung einfließen könnten - nach der jüngeren (im Antrag nicht dargelegten) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch die Plausibilität der Erwägungen in der bekämpften Entscheidung in die Interessenabwägung einfließen würde (Hinweis auf "Machacek (Hrsg), Das Verfahren vor dem VfGH und dem VwGH 214" (gemeint wohl: der fünften Auflage 2004)). In diesem Sinne habe der Verwaltungsgerichtshof auch im Verfahren betreffend den Semmering-Basistunnel im ersten Rechtsgang argumentiert und dem dort gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine Folge gegeben, weil die im dort angefochtenen Bescheid vorgenommene Beweiswürdigung nicht von vornherein als unschlüssig anzusehen gewesen sei.
Das angefochtene Erkenntnis sei "in vielen Bereichen unschlüssig" und setze sich "mit den wesentlichen Beweisergebnissen (insbes. Gutachten Knoflacher 2013, Gutachten Vieregg 2014) überhaupt nicht auseinander." Trotz Vorliegens schlüssiger Gutachten, welche die Berechnung des gesamtwirtschaftlichen Nutzens und die dem Projekt zugrunde liegenden Verkehrsprognosen in Frage stellten, stütze sich das Verwaltungsgericht unhinterfragt auf die "Wissensbasis von 2008" als Entscheidungsgrundlage. Der Verwaltungsgerichtshof könne daher das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an dem Projekt gar nicht inhaltlich beurteilen.
6.1. Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzuhalten, dass die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision und gegebenenfalls der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Revision vorbehalten bleibt (vgl den hg Beschluss vom 8. August 2014, Ra 2014/09/0005).
6.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses nicht zu prüfen (vgl den hg Beschluss vom 14. April 2014, Ra 2014/04/0004). Auch sind nach der ständigen Rechtsprechung die Erfolgsaussichten der Revision im vorliegenden Provisorialverfahren nicht zu prüfen (vgl den hg Beschluss vom 22. September 2014, Ra 2014/03/0030); Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des Revisionsverfahrens haben bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben (vgl den hg Beschluss vom 1. August 2014, Ra 2014/07/0032).
Entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei hat der Verwaltungsgerichtshof die "Plausibilität der Erwägungen" der bekämpften Entscheidung bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht als Maßstab herangezogen. Er hat jedoch erkannt, dass die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen ist, wenn der Fehler in der angefochtenen Entscheidung nicht bloß ein potentieller, sondern ein evidenter ist, mit anderen Worten die Partei mit den Folgen eines offenkundig vorliegenden Fehlers des Verwaltungsgerichtes belastet würde (vgl den hg Beschluss vom 4. Juni 2014, Ra 2014/01/0003); (nur) insoweit sind die Erfolgsaussichten der Revision nicht ganz ohne Bedeutung (vgl neuerlich den hg Beschluss vom 8. August 2014, Ra 2014/09/0005). Ist hingegen das in der Revision selbst erstattete Vorbringen nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen, so ist zunächst von den Annahmen in der angefochtenen Entscheidung auszugehen (vgl den hg Beschluss vom 14. April 2014, Ra 2014/04/0004).
6.3. Vor diesem Hintergrund ist festzuhalten, dass die im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aufgestellte pauschale Behauptung, das Erkenntnis sei "in vielen Bereichen unschlüssig", schon mangels näherer Konkretisierung nicht ausreicht, einen evidenten (offenkundigen) Fehler des angefochtenen Erkenntnisses aufzuzeigen. Auch der Hinweis auf eine nach Ansicht der revisionswerbenden Partei mangelnde Auseinandersetzung mit zwei von ihr vorgelegten Beweismitteln, die die Berechnung des gesamtwirtschaftlichen Nutzens und die dem Projekt zugrunde liegenden Verkehrsprognosen in Frage stellen, zeigt nicht auf, dass - insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es in einem Verfahren gemäß dem UVP-G 2000 nicht darum geht, die Notwendigkeit der Errichtung eines Vorhabens zu prüfen (vgl das im ersten Rechtsgang ergangene hg Erkenntnis vom 19. Dezember 2013, 2011/03/0160, Punkt C I. 6.2.) - dem angefochtenen Erkenntnis ein evidenter Fehler anhaften würde, der - in Verbindung mit den Ausführungen zur Begründung der Zulässigkeit der Revision - offenkundig zur Zulassung der Revision und zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses führen müsste.
7. Weiters führt die revisionswerbende Partei aus, dass das Verwaltungsgericht das öffentliche Interesse an dem Projekt "überhaupt nicht geprüft, sondern lediglich eine Scheinbegründung abgegeben" habe.
Dazu ist auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zur Frage des öffentlichen Interesses auf den Seiten 60 bis 67 des angefochtenen Erkenntnisses zu verweisen, die sich - auch unter Bezugnahme auf das im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 2013, 2011/03/0160 - mit Vorbringen der revisionswerbenden Partei auseinandersetzen und nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind. Ein evidenter Fehler im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung liegt damit nicht vor.
8. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung setzt voraus, dass mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für die revisionswerbende und revisionswerbende Partei ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Die revisionswerbende Partei führt dazu wie folgt aus:
"In diesem Sinne liegt ein unverhältnismäßiger Nachteil für die (revisionswerbende Partei) insbesondere in der Unumkehrbarkeit der auf Grund der bekämpften Baubewilligung gesetzten Maßnahmen und Schäden für die Umwelt. Die gerodeten Wälder, die verseuchten Gewässer, die geplante Grundwasserabsenkung in einem Areal von bis zu 56 km2 Fläche können nicht mehr ungeschehen gemacht werden. Auf die detaillierte Darstellung der negativen Folgen für den Wasserhaushalt in der Semmering-Region unter Punkt V.5. wird verwiesen. Allfällige Kontaminierungen durch Uranerz-Lagerstätten, deren Vorkommen nicht ausreichend untersucht und von der UVE überhaupt nicht berücksichtigt wurden, können unabsehbare Folgen für die Gesundheit von Menschen und für die Natur haben."
9. Um die vom Gesetzgeber geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl ua den Beschluss eines verstärkten Senates vom 25. Februar 1981, Slg Nr 10.381/A, sowie für die Rechtslage nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Reform 2014 den hg Beschluss vom 1. August 2014, Ra 2014/07/0032) erforderlich, dass der Beschwerdeführer (nunmehr: Revisionswerber) schon in seinem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt, es sei denn, dass sich nach Lage des Falles die Voraussetzungen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ohne weiteres erkennen lassen.
Eine revisionswerbende Umweltorganisation - wie im vorliegenden Fall - hat daher in einem Verfahren über einen von ihr gestellten Aufschiebungsantrag solche Beeinträchtigungen der von ihr als subjektive öffentliche Rechte geltend zu machenden Umweltgüter konkretisiert darzulegen, die nicht bereits in der vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis getroffenen, nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennenden Interessenabwägung berücksichtigt wurden (vgl etwa - zur diesbezüglich vergleichbaren Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Reform 2014 - den hg Beschluss vom 10. Dezember 2013, AW 2013/07/0060, mwH).
Bei der Beurteilung, ob ein Eingriff in die von den in § 19 Abs 10 UVP-G 2000 genannten Umweltschutzvorschriften geschützten Interessen einen "unverhältnismäßigen Nachteil" im Sinne des § 30 Abs 2 VwGG darstellt, ist unter anderem maßgeblich, inwieweit die Folgen des Eingriffes im Fall der Aufhebung des angefochtenen Bescheides beseitigt werden können, wobei die revisionswerbende Partei eine Konkretisierungspflicht trifft. Die Beurteilung, ob die geltend gemachten Nachteile die Schwelle der Unverhältnismäßigkeit erreichen, hängt somit von den im Aufschiebungsantrag vorgebrachten konkreten Angaben über die Wiederherstellung des vorigen Zustandes ab (vgl zur insoweit vergleichbaren Rechtslage im Hinblick auf Bürgerinitiativen nach § 19 Abs 4 UVP-G 2000 etwa den hg Beschluss vom 16. März 2009, AW 2008/04/0062).
Das Vorbringen der revisionswerbenden Partei im Aufschiebungsantrag genügt diesen Anforderungen nicht. Auch wenn man die im Aufschiebungsantrag verwiesenen Ausführungen im Abschnitt V.5. der Revision (Geologie und Grundwasser) mit heranzieht, lässt sich ausgehend von der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses nicht erkennen, dass von "verseuchten Gewässern" oder von "Kontaminierungen durch Uranerz-Lagerstätten" (die im Übrigen von revisionswerbenden Partei lediglich hypothetisch ("allfällige") angesprochen werden) auszugehen wäre.
Hinsichtlich der - ebenso pauschal angesprochenen - "gerodeten Wälder" ist schon wegen der fehlenden konkreten Angaben über die Wiederherstellung des vorherigen Zustandes kein unverhältnismäßiger Nachteil zu erkennen, zumal es nicht auf der Hand liegt, dass nach einer Rodung eine Wiederaufforstung unmöglich wäre (vgl den hg Beschluss vom 21. März 2013, AW 2013/05/0011).
Schließlich hat sich das Verwaltungsgericht mit den Auswirkungen des Vorhabens auf den Wasserhaushalt in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses - unter Auseinandersetzung mit Vorbringen der revisionswerbenden Partei - in einer nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennenden Weise auseinandergesetzt (insbesondere S 67 - 74 sowie S 83 des Erkenntnisses).
10. Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war daher schon deshalb nichtstattzugeben, weil die revisionswerbende Partei den ihr entstehenden unverhältnismäßigen Nachteil nicht ausreichend konkretisiert dargelegt hat.
Angesichts dessen erübrigt sich die Beurteilung, ob dem Aufschiebungsantrag zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen.
Wien, am 31. Juli 2015