JudikaturVwGH

Ra 2014/20/0165 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
16. Februar 2016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin MMag. Ortner, über die Revision des S M alias B alias S alias M M alias S M alias M M in W, vertreten durch Mag. Michael Operschal, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tegetthoffstraße 7/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Oktober 2014, Zl. L507 1425490- 1/78E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

Die außerordentliche Revision macht geltend, dass es an Rechtsprechung fehle, ob psychisch erkrankte oder anderweitig behinderte Personen unter eine soziale Gruppe fallen können bzw. eine eigene Gruppe im Sinne der GFK bilden können bzw. ob sie aufgrund einer ihnen unterstellten "Besessenheit" der Verfolgung aus religiösen Gründen ausgesetzt sind.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision nicht auf, dass ihre Lösung von einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt:

Das Bundesverwaltungsgericht verneinte die Zugehörigkeit des Revisionswerbers zur sozialen Gruppe der "psychisch schwer erkrankten Personen" iSd Art. 10 Abs. 1 lit. d der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), weil es sich bei der Erkrankung des Revisionswerbers einerseits um kein angeborenes Merkmal handle und andererseits die psychische Erkrankung des Revisionswerbers keinen Hintergrund bilde, der nicht verändert werden könne.

Darüber hinaus gehe zwar aus den Berichten hervor, dass Personen, die an nach außen hin erkennbaren Beeinträchtigungen oder an schweren psychischen Erkrankungen litten, von Teilen der Bevölkerung in einer gewissen Weise stigmatisiert und auch diskriminiert würden. Aus der Berichtslage sei jedoch nicht ableitbar, dass Menschen, die an psychischen Erkrankungen oder an anderen sichtbaren Beeinträchtigungen litten, einer systematischen Verfolgung im Irak ausgesetzt seien.

Es ist daher nicht zu erkennen und wird von der Revision auch nicht aufgezeigt, dass das Vorliegen einer psychischen Erkrankung eine Verfolgung von erheblicher Eingriffsintensität erwarten ließe. Auf die Klärung der von der Revision angesprochenen Rechtsfrage, ob psychisch erkrankte oder anderweitig behinderte Personen "aus Gründen (der) Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK verfolgt werden, kommt es daher entscheidungswesentlich nicht an.

In der Revision wird darüber hinaus geltend gemacht, es fehle an Rechtsprechung, ob sich das Bundesverwaltungsgericht in Fällen, in denen die subjektive Glaubwürdigkeit des Betroffenen aufgrund der medizinisch eindeutig objektivierten starken psychischen Beeinträchtigung kaum zu beurteilen sei, allein auf die objektive logische Nachvollziehbarkeit des Vorbringens des Betroffenen stützen dürfe.

Entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht ist die geltend gemachte Rechtsfrage anhand der bisherigen Rechtsprechung nicht ungeklärt.

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Asylbehörden haben dabei den realen Hintergrund der vom Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in ihre Überlegungen einzubeziehen und die Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen auch im Vergleich zur einschlägigen Berichtslage zu messen (vgl. VwGH vom 28. Jänner 2015, Ra 2014/18/0108, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber hinaus in seiner Rechtsprechung bereits geklärt, dass psychische Erkrankungen im Hinblick auf konstatierte Unstimmigkeiten im Aussageverhalten eines Asylwerbers zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH vom 15. März 2010, 2006/01/0355, mwN).

Das Bundesverwaltungsgericht ist im vorliegenden Fall unter Zugrundelegung dieser Grundsätze zum Ergebnis gekommen, dass das Vorbringen anhand der objektiven Berichtslage nicht nachvollziehbar und somit nicht glaubhaft sei. In diesem Zusammenhang ist die Frage, ob eine aktuelle Verfolgungsgefahr vorliegt, eine Einzelfallentscheidung, die grundsätzlich - wenn sie, wie vorliegend, auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH vom 18. November 2015, Ra 2015/18/0220, mwN).

In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 16. Februar 2016

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